Gastfreundlichkeit

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Frische Kokosnuss – Entlohnung für die Strapazen

Beeindruckende Interpretationen der Buschmenschen

Interessantes, aber effektives Händewaschen

Der Rest des Weges erschien mir wie ein Kinderspiel. Eine gute Stunde vor Einbruch der Dunkelheit war das Dorf erreicht. Schon, als wir die umliegenden Gärten passierten, erklärte mir Michael, die Dorfleute wüssten von unserem Kommen, da keine der Dorffrauen in den Gärten zu sehen war. Am Eingang zum Dorf erwartete uns bereits eine Gruppe von Männern und Jungen. Sie begrüßten uns freundlich, auch wenn sie etwas erstaunt über die Anwesenheit einer Frau zu sein schienen. Dann wurden die Jungen auf die Kokospalmen geschickt. Behände kletterten sie ohne jegliche Sicherung an den Stämmen der Palmen hoch und schlugen junge, grüne Kokosnüsse herunter. Jeder von uns bekam eine kulau, eine junge Kokosnuss, in die ein Loch gebohrt war, zum Trinken gereicht. Etwas Köstlicheres, Erfrischenderes hatte ich noch nie zuvor getrunken. Das Fruchtwasser erschien mir kühl, es schien sogar zu moussieren – und ich beschloss, dass allein dieser Genuss schon Entschädigung genug war für die hinter mir liegenden Strapazen.



Hier vielleicht Fotos Sinaraum beim Erklettern einer Kokospalme


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Jetzt kam, was ich bisher nur aus Schilderungen Michaels kannte: die Missionsspiele begannen. Die Männer führten pantomimisch vor, wie die ersten Missionare zu ihnen gekommen waren, wie sie sich zunächst scheu vor ihnen im Busch versteckt hatten. Sie hatten sich dann vorsichtig hervorgewagt und Kontakt aufgenommen. Der Missionar war daran zu erkennen, dass er ihnen eine Eisenaxt und Streichhölzer schenkte, ihre Bekehrung stellten sie durch unbewaffnetes Zusammensitzen dar. In einem zweiten Spiel zeigten sie uns, wie ein Zauberer einen kranken – durch graue Asche auf dem Körper kenntlich gemachten – Mann behandelt. Der Zauberer sog mit seinem Mund die Krankheit aus den Haaren des Mannes und spuckte sie daneben aus. Nun blies er aus einem Rohr weißen Rauch auf die kranken Körperteile, saugte diesen mit einem Schilfbüschel wieder an, das er neben dem Kranken ausschüttelte. Die Angehörigen des Kranken bezahlten zum Schluss den Zauberer mit flatternden Hühnern, die er, an den Füßen kopfunter an einer Stange hängend, davontrug.


Nach den Spielen wurden wir in das Dorf gebeten, Michael und ich bekamen eine Buschhütte zum Übernachten zugewiesen, die Einheimischen mit Aisaip eine andere. Während wir unsere Moskitonetze über den ausgerollten Matten befestigten, erzählte ich Michael von meinen wilden Wunschträumen nach einem Bad oder einer Dusche. Es war kurz vor Einbruch der Dunkelheit, und Michael zeigte nach draußen: „Träumen ist erlaubt“, meinte er lakonisch, „aber schau dir mal die Realität der Dorfbewohner an“. Ich sah Männer mit großen, langen Bambusrohren, die sie sich auf die Schultern geladen hatten, in Richtung Dorfplatz vorbeiziehen. „Sie holen das Wasser aus dem Bach, den du auf dem Hinterteil robbend überquert hast“, erklärte er mir. „Heute Nacht müssen wir so unangenehm riechend, wie wir sind, schlafen. Mit Wasser wird hier sehr haushalterisch umgegangen“.


In der Mitte des Dorfes sah ich im Vorbeigehen an den Feuerstellen vor den Häusern Frauen kauern, die das Essen zubereiteten. Immer wieder wurde uns ein freundliches „Abinun, Guten Nachmittag bzw. Guten Abend“ zugerufen, und durch den von den Feuerstellen aufsteigenden Duft des Essens wurde mir bewusst, wie hungrig ich mich fühlte. Schon bei den pantomimischen Spielen hatte ich aus der Ferne des Dorfes das „Schrappschrapp“ der Frauen beim Kokosnussraspeln gehört und mich auf das Essen gefreut. Auf dem Dorfplatz waren Schilfmatten für die Gäste ausgebreitet, und schon bald eilten die Frauen mit den Kochtöpfen herbei. Während des Essens wurde ich durch die Frauen sorgfältig ausgelotet, die weiße Missis, die da mit Männern zu ihnen gewandert war. Sobald klar war, dass ich eine Mama, also eine von ihnen war, war ich freundlich in ihrer Mitte aufgenommen. Nach dem Essen kam eine der Frauen mit einem Stück Kernseife und einer wassergefüllten, angerosteten Blechtasse zu mir, deren Emailschicht teils abgebröckelt war. Ich erlebte ein unvergessliches Händewaschen: das Wasser wurde tropfenweise über meine Hände gegossen, die ich dann einseifen durfte, und ebenso tropfenweise wurde die Seife wieder abgespült. Meine Hände waren danach tatsächlich sauber, was man von meinem restlichen Körper mit Sicherheit nicht behaupten konnte.


Nach langen Gesprächen, die ich vor Erschöpfung halb dösend an mir vorbeirauschen ließ, suchten Michael und ich im Schein der Kerosinlaterne unsere Hütte auf und krochen sofort unter unsere Moskitonetze. Michael löschte die Laterne, um keine Insekten anzuziehen. Ich fragte noch kleinlaut: „Müssen wir morgen den gleichen Weg zurückgehen?“, bekam aber keine Antwort. Ich rollte mich auf die Seite und war in der nächsten Minute eingeschlafen.