Postflugzeug

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Post verteilen – Immer wieder ein Erlebnis

Herkunftsort nach Adressenmuster bestimmen

Post aus Bangkok von einem der Kiap

Etwas später, als wir der hohen Luftfeuchtigkeit längst überdrüssig waren, regnete es so ausgiebig, dass die Graspiste, die uns als Flugplatz diente, voll gesogen war wie ein getränkter Schwamm. Wir sprachen mit dem Piloten über Funk, und er meinte, er wolle Begesin anfliegen, aber den Cargo über dem Flugplatz abwerfen. Wir standen auf dem schlammigen Flugfeld, Wind war aufgekommen, als wir im Wolkenmeer einen blauen Riss entdeckten. Die Cessna tauchte darin winzig klein auf, wurde im Näherkommen größer, kreiste über dem Flugfeld, kam tiefer und tiefer. Dann warf der Pilot unseren Cargo über dem Flugplatz ab, und meine standing order sah nach dem Auspacken etwas mitgenommen aus. Was von den aufgeplatzten Eiern noch zu retten war, kippte ich über einer Schüssel in ein Sieb und verarbeitete die Masse rasch zu Rühreiern. Das wichtigste jedoch war wie immer der Postsack. Schon beim Öffnen standen die Schüler um mich herum, wenn ich die Post austeilte. Ich befühlte bereits beim Austeilen voller Vorfreude die Luftpostbriefe, erkannte anhand der Handschrift den Absender, und schwelgte in der Vorstellung des Lesens. Manchmal, beim Austeilen der Post an die Schüler, stutzte ich beim Lesen der Adresse. Sie konnte ganz normal in Reih und Glied geschrieben sein, aber auch überaus abenteuerlich aussehen. Eines Tages, als ich gerade beim Verteilen der Post war, fiel mir eine Postkarte in die Hände, die mich besonders merkwürdig berührte. Der Text war in Reihen geschrieben, die sich auf und ab in einem bestimmten Muster bewegten. Auf einmal trat es in mein Bewusstsein: das war das Muster, in dem die Biliaufrauen ihre bilums knüpften! Aufgeregt schaute ich nach – wie nicht anders zu erwarten, war der Absender eine Frau aus Biliau. Später habe ich noch oft anhand einer Adresse einen Brief einem Ort oder Stamm zugeordnet und mich – zumindest häufig –in meiner Annahme bestätigt gesehen.


Einmal war im Postsack auch ein Luftpostbrief an uns in einer mir völlig fremden Handschrift, der sich herausstellte als ein Brief von Phil, unserem „verrückten“ kiap. Beim Lesen dieses Briefes brachen wir in schallendes Gelächter aus. Gleich im ersten Absatz stand drei Mal bloody, wörtlich übersetzt blutig, von Australiern ähnlich wie fuckin` bei Amerikanern verwandt. Er war on leave, auf Urlaub, gewesen, hatte eine Weltreise gemacht, die er uns in einem Gemisch aus Englisch und Tok Pisin lebhaft, wie in unseren Unterhaltungen üblich, darbot. Als er seinen Aufenthalt in Bangkok beschrieb, war zu lesen: Ola man, Mike, abus every bloody where! – abus, das Wort in Tok Pisin für Fleisch, gab es also blutigerweise überall dort! Wie an dem herrlichen Abend, den wir mit den kiaps verbracht hatten, lachten wir beim Lesen dieses Briefes Tränen, und wir zählten sieben Mal bloody darin.