Außergewöhnlich

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Vertraute Stimmung in Madang

Neuer Familienrhythmus

Gebetseinheiten – Fragen um Hilfe

Beide Kinder konnten nicht genug kriegen on all den Papayas, Mangos, Guaven und anderen exotischen Früchten, die der Markt in Madang zu bieten hatte. Einmal fanden wir dort einen sapsap, jene grüne, stachelige Frucht, die ich nach unserer ersten Ankunft in Lae bei Tante Berta so sehr genossen hatte. Als ich sie zu Hause schälte, maulten Amos und Janna über den sich schnell verbreitenden Gestank. Aber beim Probieren der passierten weißen Creme waren sie dann doch begeistert. Wir entwickelten einen neuen Familienrhythmus, gewöhnten uns an das Schwitzen und häufige Duschen, gingen fast täglich ans Meer zum Schwimmen, wobei in all der uns umgebenden Schönheit langsam Alltagsleben einkehrte.


Das Haus neben uns, gleich an der Lagune, bewohnte eine amerikanische Familie mit drei Kindern. Don und Caroline begrüßten uns als Nachbarn mit großer Herzlichkeit. Sie waren einem call, einem Ruf folgend, nach Niugini gekommen, erzählten sie uns. Don war als Buchhalter bei Lutheran Shipping angestellt. In mehreren Gebetseinheiten hatten sie, wie Caroline schilderte, den „Herrn“ um Rat gefragt, was sie tun sollten, und der hatte ihnen geraten, dem Ruf nach Niugini zu folgen. Caroline war eine fröhliche Frau, die anstatt an die Tür zu klopfen oder zu husten, „knock knock, klopf klopf!“ rief. Wenn sie etwas gebacken hatte, „klopfte“ sie an unsere Tür, um eine Kostprobe vorbeizubringen. Wenn es in Madang sauberes Mehl gab, weil ein Schiff eingetroffen war, sagte sie mir Bescheid, so dass ich sofort lossauste, um nicht „lebendiges“ Mehl zu erwischen. Ich hatte einen Apparat zum Verschweißen von Plastiktüten mitgebracht, so dass ich das saubere, vakuumverpackte Mehl gleich einfrieren konnte. Denn nun lebten wir ja ein Luxusleben mit Strom, der Tag und Nacht verfügbar war. Caroline erzählte von den Gebetsstunden, die im compound miteinander gepflegt wurden und lud mich dazu ein. Ich stimmte zu, da Michael gerade zu einer Orientierungszeit im Hochland war, und so kam ich zu einem „Erlebnis der anderen Art“. Ziemlich fassungslos beobachtete ich die zusammensitzende Gruppe, in der in sprachlich ausgefeilten Worten der Herr um Rat gebeten wurde, wobei die Antwort dem Herrn schon vorgegeben wurde, ebenfalls wohl formuliert. Sharing, miteinander teilen, nannten sie diese Sitzungen, in denen ich mich dermaßen unwohl fühlte, dass ich nach dem zweiten Mal kurzerhand wegblieb. Caroline nahm einmal bei einem ihrer Besuche in der Vorweihnachtszeit unaufgefordert ein Plätzchen von einem auf dem Tisch stehenden Teller und meinte süffisant grinsend: "We should share everything, shouldn`t we?, wir sollten alles teilen, nicht wahr?“


Als Don wenige Wochen später gesundheitliche Probleme hatte, und sie sich überlegten, in die USA zurückzukehren, sagte sie energisch zu mir: „Das sage ich Dir, ich will mit meinem Mann noch viele Jahre leben, dieses Mal frage ich den Herrn nicht nach seinem Rat!“ Sie sprach Tok Pisin wie ein verniedlichtes Englisch, was ich bei Amerikanern oft erlebt habe. Entsprechend wenig konnte sie der Sprache abgewinnen, was ihr aber nichts ausmachte, da sie sowieso in der Hauptsache mit Weißen verkehrte. Dass die eigentlichen Bewohner in Niugini Schwarze waren, schien sie eher zu irritieren.

Ich schloss, vorsichtig nach den Gebetssitzungen geworden, Freundschaft mit Susan, der Frau eines Piloten. Sie war eine große, hagere Frau in meinem Alter, mit der ich während der sharings so manchen Blick voller geheimen Einverständnisses geteilt hatte. Mit einem Australier verheiratet, fühlte sie sich als gebürtige Argentinierin im compound ähnlich als Fremdkörper wie ich. Von Argentinien sprach sie als „the Argentine“, was mir ganz fremd erschien. Oft hatte ich bei unseren Treffen das Gefühl, einer gar nicht glücklichen Frau gegenüberzusitzen. Ich nahm ihre Schutzhaltung wahr, mit der sie eines ihrer Kinder auf dem Schoß kuschelte, während wir Kaffee tranken. Sie erklärte mir, ihr Mann Mark fühle sich als Pilot, der Außenstationen wie Begesin anflog, wie ein Missionar, der seinen Dienst tat, genau so dem Herrn dienend, oder sogar mehr als die Außenstationsmissionare, und er sehe viele Dinge sehr streng. Mark war mir bei den zwei Gebetssitzungen als besonders frömmlerisch aufgefallen, er hatte mich stark an fundamentalistisch orientierte Mitglieder unserer Kirchengemeinde in Mittelfranken erinnert, die wir „Pietkong“ genannt hatten.


Susan und ich saßen öfter zusammen, wurden warm miteinander, wirkliche Nähe konnte sie aus einem mir nicht ersichtlichen Grund aber nicht zulassen. Eines Abends saßen wir beieinander, eine fast vertraute Stimmung hatte sich zwischen uns ausgebreitet, ich schenkte uns ein Glas Wein ein, und wir tauchten in ein Gespräch ein, das „nah“ hätte werden können. Ohne Vorwarnung stand plötzlich Mark in der Tür, stürzte auf seine Frau zu, gab ihr eine knallende Ohrfeige, ich hörte etwas wie „Sünde, habe ich dir doch gesagt, Alkohol ist ein Teufel“ und er zerrte sie aus unserem Haus. In der Zukunft begegnete mir Susan sehr verhalten, so als hätte sie bei meinem Anblick ein schlechtes Gewissen. Wir wechselten nie wieder ein offenes Wort miteinander.