Kulisse

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Solos Putsch

Krieg der Sterne mit Feuerwasser und Joint

Am 28. Oktober 1997 hält die Welt, oder doch jener Teil, der auf Landkarten als Sambia firmiert, die Luft an. Dessen Regierung spricht von einem gescheiterten Putschversuch, dem zweiten seit 1990. In Wahrheit stellt sich das Geschehen bizarrer dar, als es George Lucas je in Szene setzen könnte.

Weit nach Mitternacht exerzieren ein “Hauptmann Solo” (Han Solo?) und sein “Nationaler Heilsrat” die Rückkehr der Jedi-Ritter. Sie besetzen den Senderaum im Radiokomplex von Lusaka und verkünden, das Militär habe die Macht übernommen: “Wir stürzen die Regierung wegen ihrer Verbrechen und ihrer Korruption. Ich habe einen Engel gesehen, und er befahl mir das Land zu retten.” Während Korrespondenten in ihren Notebooks fieberhaft nach Heilsrat, Nationaler fahnden, wundern sich Radiohörer über die schwere Zunge des Sprechers. Anwohner hören in der Nähe des Komplexes vereinzelt Schüsse. Sofort legt die Präsidentengarde Verteidigungsringe und dringt mühelos in das Studio vor.

Den Krieg der Generalssterne verliert Hauptmann Solo, mit wirklichem Namen Steven Lungu, in kurzer Zeit und unheroischer Haltung. Die Garde verhaftet den Sturzbetrunkenen, als er sich in einem Container zu verstecken versucht. Lungu hatte mit seinem Heilsrat, bestehend aus acht Offizieren, eine selige Nacht bei Johnny Walker und Marihuana verbracht. Um acht Uhr meldet sich eine nüchterne Stimme über den Äther. Präsident Chiluba erklärt, besiegt sei der Feind und sicher der Sieg. Lusaka erlebt einen Tag, der nicht unruhiger oder unfriedlicher wird als all die anderen.

Doch das Imperium schlägt zurück. Keinem kommt dieser Punsch-Putsch gelegener als dem Präsidenten. Rasch läßt Chiluba verbreiten, dass sein Erzfeind Kenneth Kaunda dahinter stehe, und verhängt den Ausnahmezustand. Binnen zwei Monaten werden 90 Menschen festgenommen. Kaunda selbst hält sich gerade zu ärztlichen Untersuchungen in Johannesburg auf. Dass er jede Beteiligung am Putschversuch bestreitet, nutzt ihm wenig, denn zugleich fährt er großes Kaliber auf: “Das Ganze wurde von der Regierung inszeniert, um freie Hand gegen politische Gegner zu haben. Früher saß bisweilen ein Taschendieb im Kabinett, doch heute besteht es aus bewaffneten Räubern.” (NZZ, 3. Januar 1998)

Nach seiner Rückkehr wird Kaunda am ersten Weihnachtstag durch ein massives Polizeiaufgebot zuhause verhaftet und per Helikopter ins Hochsicherheitsgefängnis Mukobeko bei Kabwe gebracht. Eine Unterredung mit einem Anwalt wird ihm verwehrt. Da die Regierung zwar Vorwürfe, aber keine Anklage erhebt, tritt der 73jährige in seiner Einzelzelle in den Hungerstreik. Nicht einmal Ehefrau Betty kann Kaunda davon abhalten, obwohl sie droht, ihre Herztabletten nicht mehr zu nehmen. Das Ausland reagiert sofort. Die großen Geberländer fordern die Freilassung Kaundas. Plötzlich ist der Ex-Diktator, der nie zimperlich mit Gegnern umsprang, zum Symbol für die Bürgerrechte geworden. Man erinnert sich, dass schon im August 1997 die Polizei bei einer Kundgebung auf ihn geschossen hatte.

Die weltweite Reaktion weckt schmerzliche Erinnerungen für Chiluba. 1981 hatte er als Gewerkschaftsführer unter Kaunda monatelang im Knast gesessen, ohne dass jemand die Einhaltung von Grundrechten anmahnte. Und nach dem Wahlsieg 1991 blieb Chiluba trotz großen Pomps jene Ehrerbietung versagt, die dem golfspielenden Pensionär Kaunda weiterhin sicher war.

Am 2. Januar 1998 gibt der Präsident dem Druck nach. 100 Polizisten eskortieren Kaunda nach Hause, legen einen Stacheldrahtgürtel ums Anwesen und kappen die Telefonleitung. Kaunda darf nur zwei Besucher pro Woche empfangen. Im März lockert die Polizei den Arrest - doch das Duell Chiluba-Kaunda wird wohl andauern, solange beide auf der politischen Bühne stehen.