Wohnen/Jagen
Typisch Loire
Höhlenwohnungen - Hausen im Hang
Der Tuffstein der Loire und ihrer Nebenflüsse erweist sich als höchst nützlicher Kalkstein. Er dient als makellos weißes Baumaterial. Und wenn der Steinbruch ausgebeutet ist, geht man hin und gräbt sich sein Loch. Feucht und dunkel, aber preiswert ... den Studenten unter den Lesern dürfte das bekannt vorkommen. Winters wie sommers beträgt die Temperatur 15°C, und wenn ein Möbelstück fehlt, wird es kurzerhand aus dem Stein geschnitzt. Herd, Backtrog, Rauchfang, Taubenschlag, vielleicht gar den Luxus einer Fassade was kann man mehr verlangen? Bis ins 16. Jh. bohren sich alle Klassen bunt durchmischt in den gleichen Fels, auf mehreren Stockwerken, durch Pfade oder Treppen verbunden. Besonders viele dieser Dörfer findet man im Vendômois (Troo, Gué-du-Loir, Roches-l´Évêque), im Anjou (Denezé-sous-Daré, Louresse-Rochemenier) und in der Touraine (Chinon, Villaines-les-Rochers, immer noch bewohnt). Das 17. Jh. führte andere Vorstellungen von Bequemlichkeit ein, und man überließ diese »Wohnhöhlen« (Ronsard nannte sie »Grotten«) den Armen. Im 19. Jh. dienen sie nur noch als Werkstatt, Lager oder Schuppen.
Sologne bläst zur Jagd
Folgen der Wilderei
In unmittelbarer Nähe zu Orléans, der Bürgerlichen, und Blois, der Klaren, umschließt eine Windung der Loire einen außergewöhnlichen Urwald: die Sologne. Eine halbe Million Hektar Natur pur und reine Luft, majestätische Wälder und schillernde Teiche. Menschenleer, aber voller Viehzeug. Überall knacken Äste, die Luft schwirrt von Flügeln. Auf dieser mageren, unbebauten und fieberverseuchten Erde blieb dem Menschen nur die Jagd. Sogar die Könige hatten ihre Reviere, wie Franz I. in Chambord. Heute gehen die Präsidenten hier auf die Pirsch, aber noch immer beherbergen die Mauern des Parks von Chambord nicht weniger als füunfhundertfünfzig Wildschweine und Hirsche. Französischer Rekord!
Der Diamantenfreund Giscard d´Estaing ging oft mit seinem Kinderfreund Bokassa auf die Jagd. In Giscards Tresor fanden sich jede Menge Diamanten, Geschenke des zentralafrikanischen Kaisers Bokassa, in dessen Kühlschrank dagegen die Köpfe der Kinder, die der Feinschmecker verspeist hatte. Der französische Präsident wohnte schon Bokassas Krönung bei. Dass diese allzu einträgliche Männerfreundschaft publik wurde, trug nicht unwesentlich dazu bei, dass Giscard sein Amt verlor. Sein sozialistischer Nachfolger Mitterrand überließ das Jagdvergnügen seinen hohen Gästen.
Aber auch in der übrigen Solonge ist die Jagd zu Hause. Der allgegenwärtige Stacheldraht zeugt ebenso davon wie die »Accès interdit«-Schilder (Zutritt verboten), die Tweed-Jacken und Kniebundhosen und die Wildschweinköpfe und sonstigen Trophäen in allen Cafés ... Mit ihren Wochenenden der hunderttausend Gewehre wird die Sologne während fünf Monaten des Jahres zum überdimensionalen Schießstand. Renoir setzte einmal eine vornehme Jagdgesellschaft in Szene, in »La Régle du jeu«.
Aber die Jäger haben dermaßen übertrieben, dass sich das Wild inzwischen rar macht. Wir leben im Zeitalter der Massenjagd, möglich durch Wochenendpauschalausflüge mit garantiertem Abschuß oder durch den Erwerb von Anteilsscheinen an den Revieren. Das reine Scheibenschießen: Tausende junger Fasane oder Rebhühner werden, frisch aus dem Gehege entlassen, vor die Flinten gescheucht. Man könnte auch gleich im eigenen Hühnerstall herumballern! Die Einwohner der Sologne haben genug davon. Früher waren sie Jagdhüter auf den großen Gütern oder wilderten was das Zeug hielt, wie es Genevoix in Raboliot beschreibt: »Sind diese Männer noch Herren des Instinktes, der sie zur Jagd treibt, Söhne ihrer wildreichen Heimat, wo die Fasanen krächzen, wo die Rebhühner in den Feldern rufen, wo die Hasen in Rudeln aus den Gehölzen springen, aufgeschreckt von der Ernte?«