Ganelon bis Sully
Berühmtheiten von der Loire
Persönlichkeiten und ihre Geschichte
Von Ganelon bis Sully
Ganelon: es war einmal, im Lande Chateaudun, ein ehrbarer Schatzmeister der Abtei. Da ihn aber sein Vater auf den Namen Ganelon getauft hatte, befleckte dieser verfluchte Name sein Leben und sein Andenken. Denn einst spielte ein anderer Ganelon die Rolle des Schurken im Rolandslied, dem mittelalterlichen Heldenepos. Es wurde erzählt, Roland sei nicht der Neffe, sondern der leibliche Sohn Karls des Großen gewesen, Frucht von Blutschande mit dessen Schwester Gisela. Jener Ganelon nun erhielt Gisela zur Frau und blieb für den Rest seines Lebens von Eifersucht gequält, so dass er schließlich den wackeren Helden Roland in Ronceveaux (Roncevalles) meuchelte.
Der Große Karl, pardon: Karl der Große, den die Franzosen frech als »Charlemagne« für sich reklamieren, hatte mehr Glück; er empfing Absolution für seine Sünde aus der Hand eines eigens ausgesandten Engels.
Thibault de Chambord: Thibault war überaus fromm und ging niemals auf die Jagd, ohne zuvor die Messe gehört zu haben. Eines Tages aber wartete der Priester nicht auf ihn, worüber Thibault dermaßen in Wut geriet, dass er den Pfaffen umbrachte. Hierüber geriet nun der Liebe Gott in heiligen Zorn und verdammte Thibault, in alle Ewigkeit den selben Hirsch jagen zu müssen, ohne ihn je stellen zu können. Daher werden die Wälder von Chambord jeden Herbst von einem Höllenspektakel heimgesucht: Jagdhörner, Pferdegetrappel, Gebell, ohne dass irgendjemand die Ursache angeben könnte oder wollte.
René d´Anjou: der gute König René herrschte über Anjou, die Provence und Sizilien. Wenn er nicht gerade Krieg führte, war der König sehr empfindsam und kultiviert, ein ebenso guter Verfasser höfischer Romane wie begnadeter Zeichner. Darüberhinaus war er tatsächlich ein guter König, der ebensoviel Anteil an der Pracht seiner Feste und seiner Gärten nahm für die er zahlreiche Früchte und Blumen einführen ließ wie am Wohlergehen seiner Untertanen. Soviel Güte ging schließlich Ludwig XI. auf die Nerven: er enteignete ihn.
Guillaume de Lorris: ein junger Geistlicher aus dem Gâtinais, der sich um das Jahr 1230 herum an seinem ellenlangen Epos über die höfische Liebe abmühte. Er brachte es auf »lediglich« viertausend Verse, da ihn der Tod aus seinem Schaffensdrang riß. Ein Landsmann, Jean de Meung (sur Loire), nimmt die liegengebliebene Arbeit vierzig Jahre später wieder auf. Der Roman de la Rose wird zum Bestseller seiner Epoche.
Karl VII: verliert nach der Niederlage gegen die Engländer bei Azincourt seine Krongebiete um Paris und zieht sich in sein gutes altes Bourges zurück. Tatsächlich aber residiert er meist in Loches oder Chinon, wo er einen gewissen Backfisch aus Lothringen namens Jeanne d´Arc empfängt.
Jeanne d´Arc: bevor sie Johanna wurde, die »brave Lothringerin, verbrannt von den Engländern in Rouen«, erringt das Mädchen an der Loire einen entscheidenden Sieg, der den Verlauf des Hundertjährigen Krieges auf den Kopf stellte. Die Rede ist von der Rettung Orléans, der letzten Bastion Karls VII. vor Bourges. Die englischen Truppen beginnen gerade mit dem Sturm auf die Stadt, als das junge Mädchen mit dem königlichen Heer eintrifft. Für die eigentlichen militärischen Aktionen ist Jeanne weniger Befehlshaber als Mythos, dessen leidenschaftliche Flamme alle in ihren Bann zieht so beteuern jedenfalls die Hauptleute. In vorderster Linie fechtend, wird sie von einem Pfeil getroffen, kämpft aber trotzdem weiter bis zum englischen Untergang. Orléans ist gerettet, Frankreich hat seinen Stolz wiedergefunden. Wieso überhaupt »von den Engländern« verbrannt? Schöne Geschichtsklitterung! Verbrannt wurde sie auf Betreiben der allein seligmachenden Heiligen Katholischen Kirche und zwar just von jenem französischen Ableger, der Johanna später zur Heiligen erhob!
François Rabelais: um das Jahr 1485 herum in Chinon geboren. Er verbringt einen Teil seiner Kindheit ganz in der Nähe, in der Devinière. Diese Landschaft und ihre Bewohner wird er später in den berühmten Abenteuern von Pantagruel und Gargantua unsterblich machen.
Cassandre: Ratgeberin von Pierre de Ronsard; die Liebe blieb vermutlich platonisch, sicher ist jedenfalls, dass sie sehr schön war und den jungen Kleriker zu den eleganten Versen der »Amours de Cassandre« inspiriert hat. Ihre nicht weniger bezaubernde Nichte Diana pflegte ebenfalls ihren Flirt mit der Literatur, in Gestalt eines stolzen hugenottischen Herren: Agrippa d´Aubigné. Aber die unterschiedliche Konfessionszugehörigkeit erwies sich als stärker als ihre Leidenschaft, und Monsieur d´Aubigné, taub für die Poesie, hörte nur noch das Klirren der Waffen.
Leonardo da Vinci: der Architekt, nicht der Wissenschaftler oder der Maler, wird von Franz I. eingeladen, um diesen bei seinen Bauplänen zu unterstützen. Leonardo beginnt mit Skizzen für eine neue Stadt und einen Palast in Romorantin und geht bald über zum großen Vorhaben der Herrschaft: Chambord, wo sein Einfluß entscheidend wirkt. Die berühmten Wendeltreppen sind mit Sicherheit sein Werk, und wahrscheinlich hatte er auch bei der Gesamtanlage des Schlosses seine Finger im Spiel. Im Jahre 1517 wird er vom König eingeladen, sich bei Amboise niederzulassen. Nach zahllosen Studien und Projekten (Regulierung der Loire, Trockenlegung der Sümpfe in der Sologne etc.) verlöscht das unermüdliche Genie 1519.
Étienne Dolet: war der intellektuellste unter den Geistesgrößen seiner Zeit und weigerte sich, auf irgendjemanden außer Christus und Cicero zu schwören, was ihm furchtbare Unannehmlichkeiten eintrug. Ein Freigeist hat es nicht leicht zu Zeiten der Religionskriege: Protestanten und Katholiken taten sich zusammen, um ihm das Leben schwer zu machen. 1546 wird er in Paris bei lebendigem Leib verbrannt.
Ronsard: neben Du Bellay einer der großen Reimschmiede der Pléiade, eines Zusammenschlusses von sieben Renaissancedichtern zu Ausgang des 16. Jhs, die eine volkssprachliche französische Dichtung nach klassischem Vorbild anstrebten. Von Herkunft war er ein Junker aus der Nähe von Vendôme, wurde Student und Geistlicher, geprägt durch lateinische und griechische Bildung, und schließlich offizieller Dichter am Hof der Valois. Vor seiner Wandlung zum traurigen und scharfsinnigen alten Mann galt er als hemmungsloser Tunichtgut und gewandter Verführer. Ronsard steht für die frischeste und fröhlichste Epoche der Renaissance.
Sully: Waffengefährte Heinrichs IV.; stammte zwar aus dem Artois, erhielt aber das Herzogtum Sully an der Loire. Als Finanzminister brachte er die königlichen Bilanzen ins Lot und war ein wichtiger Förderer der Landwirtschaft.