Corbara
Auf dem Monte Guido (20256)
Ein paar Worte zur Inquisition
Kaum haben wir uns fünf Kilometer von L´Ile-Rousse und der Küste entfernt, da fühlen wir uns auch schon ein wenig fremd. Das hoch oben auf dem Monte Guido thronende Corbara scheint das Mittelmeer zu beobachten, als wolle es rechtzeitig heranrückender Heerscharen von Touristen? ansichtig werden.
Corbara ist eine größere Ortschaft und Schauplatz schöner Geschichten. Wie z.B. jener von Marta Franceschini, der Tochter eines armen Kohlenhändlers, der sich aufs Festland begab, um Arbeit zu suchen. Vor der Abfahrt kam Davia einer Bettlerin zu Hilfe, die ihr aus Dankbarkeit einen Talisman, »die Hand Fatmas«, schenkte. Die Familie Franceschini schiffte sich in L´Ile-Rousse ein, aber infolge eines heftigen Sturms verlor das Boot seinen Mast, kam vom Kurs ab und landete an der maurischen Küste vor Tunesien, wo die Passagiere prompt in Gefangenschaft gerieten. Wirtschaftsflüchtlinge waren offensichtlich schon damals nicht gerne gesehen ... Ein Gefängniswärter bemerkte den Talisman am Hals der jungen anmutigen Korsin und brachte sie zum Sultan. Welch ein Drama! Es handelte sich um den Talisman seiner Schwester, die vor längerer Zeit schon von der Bildfläche verschwunden war, als sie nämlich mit einem widerlichen Greis hatte verheiratet werden sollen
Das Ende vom Lied: der Sultan verliebte sich in die nunmehr Davia genannte Marta, die auf diesem Wege von seiner Lieblingsfrau zur Kaiserin von Marokko avancierte (1786). Als solche ging sie ihren Landsmann, den Ersten Konsul, um eine Anstellung ihres Bruders als Unterkommissar in französisch-marokkanischen Handelsbeziehungen an. Der erst Jahre später nach Corbara zurückgekehrte Vater ließ dort ein Haus bauen, das heute noch »Türkenhaus« genannt wird. Dabei waren die Franceschini doch alle waschechte Korsen! Sogar Napoleon war von dieser abenteuerlichen Geschichte gerührt, denn er sprach darüber mit seinem Freund Gourgaud während seines Exils auf Sankt Helena. Hach, wie aufregend ...
Sehenswertes in Corbara
(Verkündigungskirche): aus dem 17. Jh.; einer der bemerkenswertesten Barockbauten auf Korsika. Sehenswert sind der Altar samt Balustrade und eine Orgel.
Die Herren im weißen Habit mit Kapuze und schwarzem Mantel, heute noch knapp achttausend an der Zahl, haben Geschichte geschrieben, betätigten sie sich ab 1232 doch als besonders eifrige Inquisitoren was dieses mörderische Kapitel der Kirchengeschichte angeht, können sich Dominikaner und Franziskaner die Hand schütteln.
Einen der berüchtigsten »Hunde des Herrn«, einen Dominikaner scherzhaft aus »domini canes« gebildet Torquemada nämlich, beförderte Papst Sixtus IV. zum Inquisitor. Viele Frauen mißverstanden diesen Scherz. Dieser Herrenhund war eher ein Zerberus, ein wahrer Blut- und Höllenhund, dem u.a. Millionen von Geschlechtsgenossinnen ihre grauenhafte Verbrennung verdanken, eine segensreiche Tätigkeit für die Kirche, da sie deren Besitz mehrte, indem ja die Habe dieser Elenden, abzüglich Spesen für Scharfrichter, Folterknechte und Denunzianten, eben an die Kirche fiel. Kurz ein System, wie jeder sieht, das auch dem Denunziantentum unglaublichen Auftrieb verschaffen mußte. Ob die vatikanische Jesuitenzeitschrift 1853 wohl deshalb noch über die Inquisition jubelte: »Ein erhebendes Schauspiel sozialer Vollkommenheit«?
Handelt es sich nicht immer um dasselbe? Ist nicht Interesse an etwas oder Angst vor etwas nur die Kehrseite ein und derselben Medaille? Ging es nicht immer darum, die Hexen mittels »peinlichen« Verhörs zum Geständnis zu zwingen, Verkehr mit »Buhlteufel« gepflegt zu haben, minutiös zu erforschen, in welchen Stellungen was getrieben wurde, welche Körperöffnungen penetriert wurden usw.? Wie unterdrückt man am besten das, was man nicht an sich selbst wahrhaben will? Vielleicht doch dadurch, dass man genau das an anderen verfolgt, was so den Jäger über jeglichen Verdacht erhebt. Nur die Energie, die er in die Geschichte setzen muß, verrät ihn.
Wie aber solche lebten, die ein so seltsames Interesse an anderer Leute Sexualität zeigten, sieht man z.B. an besagtem Sixtus IV., der Torquemada ja eingesetzt hatte. Er trieb es mit Schwester und seinen Kindern (!), gründete selbst Freudenhäuser in Rom, um sie an Kardinäle zu verpachten und belegte die Nutten mit einer Sondersteuer von 20.000 Dukaten. Diese floß teils in die unter ihm errichtete, berühmte Sixtinische Kapelle. Daneben ist dieser kesse, aber unfehlbare heilige Vater und Hurenbock auch deshalb bemerkenswert, weil er uns das Fest der Unbefleckten Empfängnis bescherte wir sind beim Thema: was zum Teufel ist denn an Mariens Hymen bloß so fesselnd? Mitte des letzten Jahrhunderts (!) zum Dogma erhoben.
Seltsamerweise ist uns nicht bekannt, dass die Inquisition, 1542 von einem Heiligen Vater namens Pius III. unter dem Namen »Kongregation der Römischen und Universalen Inquisition« begründet, als terroristische Vereinigung verfolgt oder zumindest verboten würden. Ja, sie besteht noch die Inquisition, was nur wenige wissen. Nur umgetauft wurde sie, 1908 von Pius X. in das Sanctum Officium und 1965 in die »Kongregation für die Glaubenslehre«. Unter uns: dass die Jungs »Spürhunde des Herrn« (domini cane) heißen, ist mehr als ein Wortspiel (der Bettelorden trägt seinen Namen eigentlich nach dem spanischen Gründer Dominikus). Die Herren im weißen Habit mit Kapuze und schwarzem Mantel, heute noch knapp achttausend an der Zahl, betätigten sich ab 1232 nämlich als besonders eifrige Inquisitoren. Massenhafte Folterungen, Verbrennungen und natürlich Güterkonfiskation (!) ... von Anbeginn an mit der »Ketzer«-Verfolgung verquickt waren bekanntlich handfeste politische und wirtschaftliche Motive.
Die Inquisition (von lat. inquisitio, »das Aufspüren, die Untersuchung«) bestand in einigen Ländern übrigens bis in die erste Hälfte des 19. Jhs fort! (Nach Karlheinz Deschner, »Kirche des Unheils« und »Das Kreuz mit der Kirche«). Nach diesem kleinen Schlenker, den man uns verzeihen möge, nun wieder zurück auf die Erde ...