Santa-Maria-Siché
Die Geschichte von Vannina und Sampiero (20190)
35 km östlich von Ajaccio, linker Hand der Straße nach Propriano. Wir erreichen das Taravo-Tal, eines der größten auf Korsika. Die Gemeinde Santa-Maria wartet mit keinen besonderen Sehenswürdigkeiten auf, aber die Luft ist rein und man hat seine Ruhe. Am Sträßchen nach Grosseto erhebt sich die ansehnliche Santa-Maria-Kirche (wie sollte sie sonst auch heißen). Auf Korsika ist das Dorf ferner dafür bekannt, dass hier eine gewisse Vannina d´Ornano auf die Welt kam, die später Sampiero Corso heiraten sollte.
»Alles will ich von Fremden lernen, wenn sie nur unsere Insel von Genuas Joch befreien!«
Um 1520 läuft Sampiero, Sohn einer Hirtenfamilie, aus seinem Heimatdorf Bastelica unterm Monte Renoso (2352 m) fort. Irgendwo findet der stämmige Kerl, den man hier und dort auch Giampiero rufen wird, einen Segler, der ihn gegen Matrosenarbeit aufs Festland mitnimmt. Kaum gelandet, geht er wieder in Dienst, in einen der ihm mehr behagt: bei den »Schwarzen Banden« des Giovanni de´ Medici, den der junge Söldner als Kriegsgott verehrt, bis er ihn im Winter 1526 am Mincio fallen sieht.
Treue gilt auf Korsika, nicht auf dem Festland, hat Sampiero gelernt, und wechselt zum Söldnerheer Frundsbergs über, das seit dem Sieg über Franz I. von Frankreich bei Pavia ziel- und herrenlos durch Oberitalien zog, und plündert mit ihm im Mai 1527 Rom, eine Geschichte, die als »Sacco di Roma« in die Geschichte eingeht und vor allem in Kirchenkreisen mit dem Mantel barmherzigen Schweigens bedeckt wird.
Von den Kaiserlichen des schlechten Zahlers und Habsburgers Karl V. durch Bestechung der deutschen Kurfürsten Kaiser geworden wechselte er zu dessen Gegenspieler und Mitbewerber, der weniger hatte aufbieten können, Franz I., der den Sold aber pünktlich auszahlte. Kein Wunder: flossen dessen Einkünfte doch nicht wie die des Kaisers gleich zur Schuldentilgung für die irrsinnige Bestechungssumme und seine zahlreichen Kriege (z.B. in den Niederlanden) in die Tresore der Fugger und Welser. So wanderten die Riesenmengen aus Lateinamerika geraubten Goldes und Silbers Karl herrschte u.a. ja auch über Spanien überwiegend gleich vom Torre d´Oro in Sevilla in die Schatullen der Bankiers.
Sampiero Corso, der »Korse«, wie man ihn kennzeichnend und bald achtungsvoll nennt, macht sich prächtig. Vor Perpignan ist er kein Abenteurer mehr, ist echter Condottiere im Zeitstil, mit Wagemut, Schlauheit, Menschenkenntnis, Skrupellosigkeit, der erste Korse, den das Archaische seiner Insel nicht mehr behindert, dessen Lebensart mit der geschichtlichen Gegenwart zusammenfällt, was Sinucello und Vincentello, zwei Rebellen gegen die genuesische Herrschaft im 13. bzw. 15. Jh., noch versagt war.
Karl und Franz schließen 1544 Frieden, der Condottiere kehrt heim auf die Insel und heiratet im Alter von neunundvierzig Jahren die reiche fünfzehnjährige Erbtochter Südkorsikas.
Genua verfolgt ihn mit alten und neuen Schuldforderungen. Also auf in den Dienst der Krone Frankreichs, trage sie nun Franz, Heinrich II. oder Katharina von Medici! 1553 landet Colonel Sampiero wieder auf Korsika mit Frankreichs Verbündeten, den Türken. Bringt Sampiero Befreiung vom Joch? Frankreichs »Protektion« bringt der Insel Bürgerkrieg, Plünderung, Hunger, Seuchen. Im Frieden von 1559 wird sie wieder Genua zugesprochen. So ist Sampiero wieder Höfling bei Katharina.
Während dieser ganzen Wirren war die Ehe nicht glücklich gewesen. Vannina entschließt sich zum Bittgang nach Genua, damit der Senat ihre und ihrer Kinder korsischen Besitzungen freigebe. Noch vor der französischen Küste wird ihr Schiff aufgehalten, Vannina zu ihrem Gatten zurückgebracht, der sich bedankt und die Verräterin seines Lebensideals erwürgt oder verbrennt über die genaue Todesart sind sich die Quellen nicht einig. Manche munkeln auch von Ehebruch (Corso war ja 34 Jahre älter als sie) oder Eifersucht. Manche behaupten, die Genueser hätten sie absichtlich aufs Festland locken wollen.
»Sampiero, sagt der korsische Geschichtsschreiber, liebte sein Weib leidenschaftlich, aber als Korse, d.h. bis zur allerletzten Vendetta« (Gregorovius). Auf jeden Fall hatte Sampiero mit seiner Tat die Vendetta der Ornanos heraufbeschworen.
1564 landet der Oberst-Generalissimus mit einem waghalsigen Fähnlein korsischer Emigranten und Piraten bei Propriano, und um Hilfe wendet er sich an alle: an Katharina, an den Großtürken in Konstantinopel zu einer Zeit, da sich das christliche Europa auf die Schlacht von Lepanto vorbereitet, wobei die türkische Flotte 1571 vernichtet wird an Herzog Cosimo von der Toskana, an Heinrich von Navarra, an den Sultan von Algier, an den Papst, an Philipp II. von Spanien, »um das arme Vaterland den Tyrannen zu entreißen«.
Und Hilfe schwimmt von da und dort herum, offen oder versteckt, bis Sampiero am 17. Januar 1567 von seinem Schildknappen und Gefährten begleitet die Prunelli-Schlucht hinabreitet und bei Eccica-Suarella in die von den Verwandten Vanninas gestellte Falle tappt. Drei Vettern d´Ornano erwarten ihn im Buschwald. Sein Schildknappe, Vittolo, auf Vorteile von Seiten Genuas bedacht, schießt dem schon Strauchelnden in den Rücken. Seither heißt Verräter »vittolo« auf Korsisch. Sampieros Leiche wurde zerstückelt, sein aufgespießter Kopf in Ajaccio zur Schau gestellt.
Schön anzusehen ist der üppige Buschwald unterhalb von Eccica: die Macchia ist gefleckt, aus verschiedenem Gesträuch, der Maquis ist und bleibt Versteck, Schutz, Hinterhalt.
Vanninas Geburtshaus aus dem 15. Jh. liegt einige Schritte hinter der Kirche. An der nahen Straße nach Vico errichtete Sampiero ein befestigtes Wohnhaus, von dem nur noch Mauerreste übrig sind.