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Die Zitadelle und andere Sehenswürdigkeiten

Oberstadt und die Zitadelle müssen wir zu Fuß besichtigen: Autos bleibt die Zufahrt gottlob verwehrt. Am frühen Morgen oder spätnachmittags hinaufsteigen; der Bullenhitze im Sommer und besseren Lichtverhältnissen wegen.

  • Place Paoli: ganz am Ende des Cours Paoli; bildet gleichsam den Bindestrich zwischen Unter- und Oberstadt. Ausgangspunkt für unseren Rundgang. Mitten auf dem Platz erinnert eine Bronzestatue mit Zopf und Degen, die Feder in der Hand, an den korsischen Freiheitshelden Pasquale Paoli, »U Babbu di a Patria«, das Väterchen des Vaterlandes.


    Wir schlagen die Rue Scoliscia ein, rechts und links von lauter hohen, alten, dicht am Abhang erbauten Häusern flankiert.
  • Place Gaffori: in der zentralen Oberstadt markiert eine Bronzestatue Gafforis, genannt Le Patriote, die Mitte des Platzes. Auf der Seite erhebt sich die Kirche Mariä Verkündigung von 1450, überragt von einem Glockenturm. Zusammen mit Teilen der Zitadelle ist dies das älteste Baudenkmal in Corte. Der Kirche gegenüber, auf der anderen Seite des Platzes, sind an der Wand des Gaffori-Hauses noch die Einschüsse jener Kugeln zu erkennen, welche die genuesische Garnison im September 1745 abfeuerte.
  • Palais National: läuft man zur Place du Poilu (Eingang zur Zitadelle), so stößt man hinter der Place Gaffori auf jenes eindrucksvolle Gebäude, in dem erst die Genuesen und dann die erste korsische Regierung saßen. Letztere wurde von Pasquale Paoli zwischen 1755 und 1769 geleitet.

    Am 29. April 1755 kehrte Paoli aus dem Neapler Exil, das er mit seinem Vater Giacinto teilte, zurück. Ausgebildet an der Militärakademie in Neapel, wurde er im dortigen Milieu auch Schüler der Philosophen Vico, Genovesi, Muratori und ihrer aufklärerischen Ideen für Politik und Gesellschaft. Von Vertetern der korsischen Freiheitsbewegung in einem Kirchlein der Castagniccia zum General der Nation ausgerufen, zum »Haupt in Wirtschafsdingen und Politik«, macht sich Paoli ans Werk, eher mit überzeugendem Rat als auf Vollmacht pochend. Nun werden jährlich in den Gemeinden gewählte Abgeordnete zur Ratssitzung nach Corte gerufen, wo auch Freiwillige für das Volksheer auf die Fahne mit dem Maurenkopf vereidigt und von Paoli in Person militärisch ausgebildet werden.

    Im bescheidenen, aber nicht armseligen Palazzo della Nazione, unterhalb der Zitadelle, wohnt und wirkt Paoli: von hier »rät« er seinen noch halbbarbarischen und kriegsverwilderten Korsen den Ackerbau, den man nie geliebt hatte auf der Insel, den Anbau von Brotgetreide und einer neuen Nährfrucht, der Kartoffel; er »rät« zur Pflege von Gemüse wie Obstgarten, zur Olivenschur, zum Aufbau einer Fischer- und Handelsflotte; er »rät« nach Salpeter, Blei, Kupfer, Eisen zu schürfen und Ablaufkanäle an der versumpften Ostküste anzulegen.

    Der korsische »Generalissimus« gründete hier auch die erste Universität von Corte mit dreihundert Studenten. In Corte sollte der junge Korse Recht, Theologie und Philosophie studieren, und, sobald es die Staatskasse erlaubt, auch Medizin! Nach nur vierzehn Jahren Lehrbetrieb jedoch wurde sie wieder geschlossen. Gleichheit vor dem Gesetz, Fehlen von Vorrecht und Ausnahme muß Paoli auf der Insel nicht als unerhörte Neuigkeit durchsetzen: er findet ein knecht- und damit herrenloses Volk vor, in dem sich keiner geringer dünkt, weil er arm ist. Gleiche Wahlberechtigung, gleiche Verpflichtung gegenüber dem Staat, gleicher Dienst für alle riechen auf der Insel, wo die Feudalordnung stets als Sache der Fremden empfunden wurde, nicht nach Umsturz.

    Zur Rechtsprechung aber rät er nicht, dazu zwingt er seine Korsen: Schluß mit Eigenjustiz und Blutrache, mit Sippe, Klüngel und Familienfehden! Auf je drei Monate amtierende »Reisende Richter« haben den Fortschritt von Paolis zweiter Großtat – so unbeliebt, wie der Freiheitskampf begeisternd war – zu überwachen. Nun, die Zahl getöteter Rächer und Gegenrächer schrumpft von Jahr zu Jahr, »Rache« für Beleidigung und Mord wird widerwillig an die Gerichte abgetreten, Paoli zuliebe – wird da nicht bald die Republik des Korsenvolkes, samt ihrer erstaunlichen Vorwegnahme von Freiheit und Gleichheit, »arm aber unantastbar, in den Kreis der anderen italienischen Staaten aufgenommen werden«? Nicht als Hitzkopf hofft Paoli, nüchtern denkt er, ja pedantisch und ist doch erleuchtet vom Zeitgeist, dem Illuminismus.

    Es kam anders. Genua trat die Rechte auf Korsika zur Begleichung seiner Schulden an Frankreich ab, das auf seinen Rechten bestand. Von Paolis Volkswehr, die verbissen die endlich aufscheinende Freiheit verteidigte, steckte es Schlappen ein – um doch, am 9. Mai 1769 am Pont Nuovo, der Golo-Brücke, zu siegen. Schwer wog Paolis Vorbild, als Gedanke und Tat, für Rousseau, Voltaire, Friedrich den Großen, Katharina von Rußland, für Washington, Boswell und für Friedrich Hölderlin:

    »Ich lobe mir den Feldherrn. Oft habe ich ihn im Traum gesehen wie er ist, mein Paoli, noch eh er freundlich mich empfing und zärtlich vorzog wie der Vater den Jüngstgeborenen, der seiner mehr bedarf« (Aus: »Emilie vor ihrem Brauttag«).

    Paolis Zimmer im Palais National befand sich im Ostflügel (1. Stock der Südfassade), Büro und Bibliothek im Mitteltrakt, im Westteil schließlich die Kapelle. Das restaurierte Palais, ein symbolträchtiger Ort korsischer Geschichte, beherbergt inzwischen das Forschungszentrum der Universität Corte, womit der ursprünglichen Bestimmung des Gebäudes doch wieder Genüge getan wäre.
    Im öffentlich zugänglichen Erdgeschoß finden das ganze Jahr über Ausstellungen statt.

  • Place du Poilu: winziger Platz vor dem Eingang zur Zitadelle. Als Nr. 1 fällt uns das Geburtshaus des Generals Arrighi de Casanova (1778) auf, besser bekannt als Herzog von Padua. Über seine Mutter, eine Kusine von Letizia Ramolino, war er mit Napoleon verwandt. Unter solchen Voraussetzungen mußte er ganz einfach eine brillante militärische Karriere hinlegen (Ägyptenfeldzug, Einnahme von Jaffa, Austerlitz, Wagram). Napoleon besaß eben Familiensinn!

    In dieser bescheidenen Hütte erblickte 1768 auch Napoleons großer Bruder Joseph das Licht der Welt, den sein kleiner Bruder erst zum König von Neapel, dann von Spanien machte (die Spanier wurden erst gar nicht gefragt). Moral von der Geschicht: man muß nur in die richtige Familie einheiraten ... Wer damals Ramolino oder Bonaparte hieß, konnte sich den tabellarischen Lebenslauf jedenfalls schenken.

  • Zitadelle: Zutritt in der Zeit vom 2. Mai bis Ende Oktober von 9-12 und 14-17h, zwischen dem 1. Juli und 15. September von 10-20h. Die Führungen dauern rund fünfundvierzig Minuten. Von ihrem Felsennest über den Dächern von Corte aus beherrscht die Feste, 1419 von Vincentello d´Istria als Amtssitz und Wahrzeichen errichtet, die ganze Region und beschert einen traumhaften Fernblick auf die Tavignano-Schlucht und das Cortenais-Gebirge. Die Zitadelle aus dem 15. Jh. sah viele Herren kommen und gehen. Sie wurde denn auch immer wieder umgebaut – welcher Altbaubesitzer hätte nicht den Ehrgeiz, diesem seinen architektonischen Senf hinzuzufügen? Bis 1983 beherbergte sie die Fremdenlegion, heute dient sie als Stätte für kulturelle Veranstaltungen und ist Sitz des FRAC (Regionalfonds für zeitgenössische Kunst) und des Korsika-Museums. Sich hier ruhig mal umschauen!
  • Korsika-Museum (Musée de la Corse): was lange währt, wird endlich gut. Eröffnung 1995; die Phonotek mit Aufnahmen korsischer Volksmusik war bereits bei Drucklegung öffentlich zugänglich. T. 95 61 00 61.
  • Aussichtspunkt am Belvedere: die nach Westen hin an der Zitadelle hinaufführende Auffahrt führt an den Rand des Felsvorsprungs, der die Täler mit den Flüssen Restonica und Tavignano überragt. Hier wollten wir gar nicht wieder weg.
  • Rampe Sainte-Croix: zwischen der Rue du Colonel-Feracci und dem Cours Paoli. Gemütliches, unverfälschtes Fleckchen mit Brunnen, stolzen, bejahrten Häusern und malerischen Stufen, die zur Sainte-Croix-Kapelle aus dem 17. Jh. hinaufführen. Deren Inneres birgt italienische Orgeln und einen sehenswerten Barockaltar. Hier beginnt jeden Gründonnerstagabend die berühmte, uralte Granitola-Prozession mit ihren Bußwilligen.