Richelieu bis Lurçat

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Berühmtheiten von der Loire

Persönlichkeiten und ihre Geschichte

Von Richelieu bis Jean Lurçat

– Richelieu: in Richelieu, unweit von Chinon, ließ der große Kardinal seine Idealstadt errichten. Ideal hieß: symmetrisch, regelmäßig und, selbstverständlich, prunkvoll. Trotzdem wurde sie von den Höflingen links liegengelassen. Eine überraschende Geisterstadt.

– Philippe de Duplessis-Mornay: nachdem Saumur den Protestanten zugesprochen worden war, wurde Duplessis-Mornay dort Gouverneur und gründete eine protestantische Akademie, berühmt für Toleranz und intellektuelle Offenheit. Er trug den Spitznamen »Papst der Hugenotten«.

– Descartes: verbrachte seine Kindheit im Dorf La Haye, in der Nähe von Grand-Pressigny. Heute heißt La Haye Descartes, was den Umsatz fördert.

– Denis Papin: der Hugenotte wurde bei Blois geboren und sah sich bald gezwungen, nach Deutschland und England auszuwandern. Er muß wohl ständig unter Dampf gestanden haben, denn er entdeckte um das Jahr 1700 dessen Antriebskraft – nein, nicht den des Jahres: des Dampfes, natürlich – und erfand den ersten Raddampfer.

– Lavoisier: der Begründer der modernen Chemie war auch Grundbesitzer im Blésois, wo er seine unzähligen landwirtschaftlichen Experimente durchführte: Getreidezucht durch Auslese, Verbreitung der Kartoffel u.ä.

– Gracchus Babeuf: ein von der totalen Revolution besessener Volkstribun, der eine »Gesellschaft von Gleichen« predigte. Konsequenterweise arbeitete er am Sturz des Direktoriums und stirbt 1797 in Vendôme unter dem Fallbeil, nach einem acht Monate dauernden Mammutprozeß. Das kommt davon ...

– Vigny: nach langem Militärdienst mutierte er zum affektierten, schnöseligen Romantiker und zum Montherlant des beginnenden 19. Jhs. Zur Erinnerung: Henry de Montherlant galt als großer Zyniker, verachtete er doch jede Mittelmäßigkeit und gab sich einem heroischen Ichkult hin. Aber zurück zu Alfred Vigny: er erblickt in Loches das Licht der Welt, verbrachte dort zwei Monate seines Lebens und kehrte nie mehr zurück, was ihn allerdings nicht hinderte, folgende Zeilen zu verfassen: »Kennt ihr jene Gefilde, die man den Garten Frankreichs nennt, dieses Land, wo man reine, weiche Luft atmet?«

– Balzac: der Sohn eines Freimaurers und künftige Schöpfer der »Menschlichen Komödie« erblickt 1799 in Tours das Licht der Welt. Er geht bei den Ordensbrüdern in Vendôme zur Schule und nimmt in der Touraine seine ersten menschlichen Komödianten unter die Lupe, woraus später die »Lilien im Tal« entstehen, eines seiner schönsten Werke, dessen Handlung an den Ufern der Indre spielt.

– Anatole Bailly: schuf ein erstklassiges Mitbringsel: den »Bailly«, ein gewaltiges griechisch-französisches Wörterbuch voller Zitate. Das seit 1894 unerreichte Werk ist das Geschöpf eines Geschöpfs von Orléans, wo Bailly am Collège unterrichtete.

– Marguertite Audoux: eine Trägerin des Prix Femina (Literaturpreis) aus dem Armenhaus! Ihr Leben ergäbe einen ganzen Roman, weshalb sie prompt einen geschrieben hat: »Marie-Claire« erzielte zu Anfang des Jahrhunderts einen beachtlichen Erfolg.

– Péguy: der Barde französischer Heimatscholle stammt aus einem Orléaner Waisenhaus und starb 1914 an der Front. Er absolvierte die École Polytechnique, eine der französischen Eliteschulen, und wurde zunächst Sozialist, dann Ultranationalist.

– Aristide Bruant: der unsterbliche Chansonnier des Montmartre – wer kennt nicht die Plakate von Toulouse-Lautrec? – entstammte dem Gâtinais.

– Alain-Fournier: »le Grand Meaulnes«, die Geschichte einer Jugend und ihrer ersten Liebesabenteuer, ist die kaum verfremdete Wiedergabe der frühen Jahre des Schriftstellers in der Sologne. Er verschwand im Alter von achtundzwanzig Jahren spurlos, und sein Werk ist einzigartig!

– Maurice Genevoix: Romancier und Mitglied der Académie Française. Nie war er besser als bei der einfühlsamen Beschreibung der Wälder in der Sologne. Verfaßte Hymnen auf die Jagd (»La Dernière Harde«) oder die Wilderei (»Raboliot«, Prix Goncourt 1925), die sich durch einen feinen Sinn für die Natur auszeichnen.

– Jean Zay: Bürger der Stadt Orléans; hatte unter der Volksfrontregierung von Kommunisten und Sozialisten das Amt des Bildungsministers inne und reformierte das Bildungssystem. Für das Vichy-Régime, die von Deutschland kontrollierte Marionettenregierung des unbesetzten Restfrankreichs im Zweiten Weltkrieg, war er der Schwarze Mann; 1944 erschoß ihn die französische Miliz.

– Alfred Stanke: die Figur aus dem »Franziskaner von Bourges« von Autant-Lata war in Wahrheit ein Sanitäts-Korporal der Deutschen Wehrmacht, der französischen Gefangenen Rettung brachte. Stanke ist in Bourges begraben.

– Julien Gracq: (eigentlich: Louis Poirier): stammt aus der Gegend um Nantes und veröffentlichte seine Werke unter dem Pseudonym Gracq. Seine »Rivage des Syrtes« bringt ihm den Prix Goncourt ein, dessen Annahme er aber ablehnt. Um das in seiner ganzen Pracht würdigen zu können: der Prix Goncourt gilt als eine der höchsten literarischen Auszeichnungen Frankreichs!

– Benjamin Rabier: wer in einem französischen Supermarkt vor dem Käseregal steht, wird unweigerlich von einer roten Kuh angegrinst: »La Vache qui rit«, die lachende Kuh, ist ein schmelzkäseartiger Frühstücksklassiker – vor allem bei Kindern – beliebter und bekannter als bei uns die lila Milkakuh. Rabier, ihr Schöpfer, war Landsmann eines weiteren namhaften Käses: des Valençay.

– Georges Bataille: der mystische Erotomane und Freund der Surrealisten starb 1962 in Orléans.

– Hervé Bazin: verewigte in seinem Kultbuch »Vipère au poing« die Umgebung von Segré im Anjou.

– Alexandre Calder: das Atelier des großen amerikanischen Bildhauers stand dreiundzwanzig Jahre lang in der kleinen Stadt Saché in der Touraine. Haben ihn etwa die Mühlen der Gegend zu seinen Mobiles inspiriert?

– Jean Lurçat: die »Apokalypse« von Angers brachte den Lithographen zur Gobelinkunst, die zu seiner einzigen Leidenschaft ward und die er seither verfeinert, erneuert und bereichert hat.