Küche
Französische Küche
Gaumenfreuden an der Loire
Die königlichen Sommerfrischen und die Begeisterung von Rabelais lassen keinen Zweifel zu. Dieser Garten Frankreichs ist das gediegenste unter den Schlaraffenländern. Wie der Südwesten, aber weniger exotisch, französischer, könnte man sagen. Sein Geheimnis ist die sanfte und breite Loire, die ihre Segnungen von Nevers bis Nantes verteilt. Ein Fluß, der von Fischen überquillt, eingerahmt von seinem an Gemüse reichen Tal und von Hängen, auf denen die kleinen, frischen Rebsäfte gedeihen. Das Loire-Tal ist geographische und emotionale Mitte Frankreichs und erhält Verstärkung von den Kornfeldern der Beauce, dem Wildbret der Sologne und den Rinderherden des Berry.
Daraus entsteht eine vielgestalte und leckere Küche, die Fischragout und Lerchenpastete umfaßt, Würstchen und Blätterteig, Kapaun und Mandelkuchen, Käse und Leckereien, und zur Krönung dieser Hochgenüsse das beste Obst der Welt. Eine Küche mit Gefühl und Verstand, die nach kultivierter Ländlichkeit duftet.
Lokale Spezialitäten von A-Z
- Asperge d´Argenteuil: diese kräftige Spargelsorte ist im gesamten Loire-Tal verbreitet. Sie wird als Auflauf und zum Omelette genossen und sogar in weichgekochte Eier eingetunkt.
- Brochet au beurre blanc: ob dieses Gericht nun aus Nantes oder Angers stammt, ist unwichtig, jedenfalls ist es nur eines von vielen Fischrezepten, die an den Ufern der Loire entstanden. Weitere Beispiele sind die gegrillte oder mit Sauerampfer gefüllte Alse, fritierte Gründlinge oder Weißfische, Aalpastete oder -ragout in Rotwein, mit Pilzen, Zwiebeln und Backpflaumen, der Karpfen à la Chambord u.a.
- Champignons de Paris: Champignons de Paris: die Zucht dieser kleinen Pilze stammt ursprünglich aus den Steinbrüchen von Paris, hat aber in der »Unterwelt« der Loire feste Stützpunkte gewonnen, namentlich im Saumurois, wo 75% der französischen Ernte gedeihen.
- Cotignac: Orléans ist Hauptort dieses altehrwürdigen Quittengelees, das in runden Dosen aus Fichtenspänen abgepackt wird.
- Crémet: in Angers und Saumur gibt man zu Frischkäse geschlagenes Eiweiß und steife Sahne und läßt ihn in einer Art Käsekorb abtropfen; serviert wird das Ergebnis mit Crème fraiche, Zucker und Erdbeeren. Kurz gesagt ist der Crémet eine hochgezüchtete Quarkspeise.
- Crottin de Chavignol: dieser delikate Käse ist eine der fünfundzwanzig offiziell geführten »Edelsorten«; er war als Begleitung für die Sancerre-Weine vorgesehen, wird aber in ganz Frankreich geschätzt.
- Farcis à la solognote: eine Füllung aus Speck und Brotkrumen für Kaninchen und Hasen.
- Fouace: briocheartiges Gebäck aus in Wasser aufgerührtem, feinem Mehl, Eigelb, Butter, Safran und Gewürzen.
- Forestine: das erste Bonbon nach modernem Geschmack außen knusprig, innen weich erblickte 1879 in Bourges das Licht der Welt.
- Huile de noix: die kleine Ortschaft »Saint-Aignan« bei Vierzon stellt ein ausgezeichnetes Nußöl aus Nüssen des Pèrigord her. Für einen Liter werden zwei Kilo Nußkerne verarbeitet.
- Lentilles (Linsen) de Berry: der Berry erzeugt auf seinen kargen Böden über zwei Drittel der französischen Linsen. Besondere Erwähnung verdient die grüne Sorte »Anicia« wegen ihres hohen Gehalts an Eisen und Phosphor.
- Miel (Honig) du Gâtinais: nach dem Verschwinden der Esparsette-Blumen haben die Bienen des Gâtinais ihre Sammelwut auf die Raps- und Sonnenblumenfelder verlegt, ohne dass es der Feinheit und Süße ihres Honigs geschadet hätte.
- Nougatine und Négus: zwei Spezialitäten aus Nevers, der Hauptstadt der Leckereien aus dem Berry. Die ursprüngliche Nougatine entsprang 1850 dem Genie eines ansässigen Zuckerbäckers und ist mit Mandelcreme gefüllt und mit Schokolade überzogen. Der »Négus« bekam seinen Namen anläßlich des Besuchs des gleichnamigen äthiopischen Kaisers: ein weicher Karamelkern, umschlossen von knuspriger, durchsichtiger und glitzernder Zuckerkruste.
- Olivet: Käse aus der Umgebung von Orléans, der vom (Edel-)Schimmel bläulich gefärbt oder von einer Kruste aus Weinrebenasche umhüllt sein kann. Sein Geschmack erinnert an einen Rohmilchbrie aus Melun.
- Pâté de biquion: der Blätterteig dieser reichhaltigen Tourainer Pastete wird aus Butter und frischem Valençay-Käse geknetet. Die Füllung besteht aus einer Mischung von Schweine-, Kalbs- und Hammelhackfleisch sowie Zwiebeln und Petersilie.
- Pithiviers: das Blätterteiggebäck aus Pithiviers im Orléanais ist gefüllt mit Mandelcreme oder Marmelade.
- Poire tapée (geschlagene Birne): seit langer Zeit werden im Dorf Rivarenne in der Nähe von Azay-le-Rideau diese getrockneten Birnen hergestellt, die noch nach fünfzehn Jahren genießbar sind, wenn sie in Loire-Wein eingelegt und in Sirup aufgekocht werden.
- Poulet en barbouille: ein Heiligtum des Berry! Das Hühnchen wird im Eisentopf geschmort, mit Rotwein und einer Sauce aus seinem eigenen Blut.
- Pot-au-feu braconnier: nur in der Sologne konnte dieses Gericht entstehen, für das ein Wildkaninchen im Kessel geköchelt wird, zusammen mit Speckstreifen und unter einem Haufen Gemüse; serviert wird es mit seiner pochierten Leber wie das vorige nichts für Tierfreunde.
- Prasline: der Herzog von Praslin, ein Minister Ludwigs XIII., wußte, wie man Hofdamen empfängt. Er bot ihnen eine Leckerei an, die sein Mundschenk erfunden hatte: gebrannte und karamelisierte Mandeln. Eine unwiderstehliche Anmache! Übrigens ist »une praline« auch heute nichts anderes als eine gebrannte Mandel, »un praliné« ein Bonbon aus Schokolade und gestoßenen, gebrannten Mandeln; die deutsche Praline hingegen heißt einfach »chocolat«.
- Pyramide de Valençay: sorgfältig gereifter Ziegenkäse mit langer Tradition, dem gar die Ehre einer kontrollierten Herkunftsbezeichnung (»Appellation contrôlée«) zuteil wurde.
- Repas de cochon: eine Mahlzeit aus der ganzen Sau, zu der nach einer Schlachtung Familie und Freunde eingeladen werden. Schweinskopfsülze, gebratenes Schweinemet, Grieben, Blut- und Schlackwurst, gegrillte Innereien, Braten ... nur der Nachtisch ist nicht schweinisch.
- Rillettes (gebratenes Schweinemet): die berühmteste der Tourainer Wurstwaren muß mager sein und gehört unbedingt zum Loire-Wein wird zumindest behauptet.
- Sablé: ein Bäcker des Fleckens Sablé-sur-Sarthe erfindet im Jahr 1923 den gleichnamigen Keks, Urahn der berühmten »Pâté sablée«.
- Sainte-Maure: der Ort zwischen Indre und Lochois in der Touraine wurde bekannt durch seinen abgestumpft zylindrischen Ziegenkäse, mit weicher, elfenbeinfarbener Käsemasse, feiner Struktur und bläulichem Aschemantel.
- Selles-sur-Cher: wiederum ein Ziegenkäse, diesmal rund und aus der Sologne. Seine Kruste aus Holzkohle wird während der dreiwöchigen Reifezeit vom Blauschimmel des Käses angegriffen, so dass er eine tiefblaue, fast schwärzliche Farbe annimmt.
- Tarte Tatin: Leckermäuler kennen die Geschichte der Demoiselles Tatin und ihres Kuchens, der versehentlich zurückkam und solange gebacken wurde, bis die Äpfel von Butter und Karamel durchtränkt waren. Heute versäumt kein Schlemmer die Wallfahrt nach Lamotte-Beuvron, Heimat des sagenumwobenen Backwerks.
- Viandes à la berrichonne: zur stimmigen Begleitung des Fleischs von Weiden des Berry dienen geschmorter, manchmal gefüllter Grünkohl, pochierte Maronen, kleine Zwiebeln und magere Speckstreifen.
- Vinaigre d´Orléans: da beim Transport auf der Loire immer wieder der Wein verdarb, kam man in Orléans schon während der Renaissance auf den Gedanken, daraus Essig herzustellen, heute die Hälfte des französischen Bedarfs deckend und von vorzüglicher Qualität Loire-Weine als Rohstoff verpflichtet eben!