Zauberei & Medizin

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Empfang der Medizinmänner

Kein Platz für Förmlichkeiten

Tagung der Medizinmänner in Konogul

Aber so einsam wurde es dann gar nicht. Kurz nach unserer Rückkehr sagte sich eine Gruppe von australischen Ärzten an, die im Auftrag der Regierung Kontakte zu Medizinmännern aufnehmen sollten. Man wollte herausfinden, welche Art von natürlichen Medikamenten sie im Busch gewannen, um diese dann auf ihre mögliche Verwertbarkeit in der Pharmazie zu untersuchen. Michael nahm die Gruppe, bestehend aus vier relativ jungen Ärzten zusammen mit meiner standing order in Empfang, und übernahm gleich die Bezahlung der Lastträger, damit ich für unsere Gäste kochen konnte. Wie bei Australiern üblich, stellten sie sich mit Vornamen vor, für Förmlichkeiten gab es bei diesen Menschen keinen Platz. Für die jungen Ärzte war es keine Frage, wie sie mit einer Außenstationsfrau umgehen sollten. John erzählte von seiner Tante Linda in Australien, die eine Schaffarm im outback, im Busch, führte, für ihn waren Außenstationsfrauen etwas ganz Natürliches, er wusste, was sie leisteten. Die Männer standen bei mir in der Küche, während ich herumhantierte; sie schälten und schnippelten mit mir Gemüse und berichteten gleichzeitig von ihrem Projekt. „Existiert hier bei euch im Busch so etwas wie einen Medizinmann?“ fragte mich John. „Ich weiß nicht recht“, antwortete ich, „tut es vielleicht auch ein Zauberer? So einen gibt es nämlich gleich da drüben im Dorf hinter dem Fluss“. Die Männer berieten sich und kamen zu dem Schluss, sich diesen Zauberer einmal anzusehen und ihn auf seine Kenntnisse über Buschmedizin zu befragen.

Ich erwähnte mein sonderbares Verhältnis zu Orkap, an den sich meines Wissens nicht nur Kranke um Hilfe wandten, sondern auch Menschen, die jemanden zu Tode zaubern lassen wollten. Beim Abendessen sagte Michael, nach der Meinung von Pastor Aisaip sei Orkap kein böser Zauberer, man müsse unterscheiden zwischen Zauberern, die ihre Kenntnisse zum Guten, und solchen, die sie zum Schlechten verwandten. „Dann müsst ihr mir aber auch ein paar Geheimnisse verraten, wenn ihr mit Orkap gesprochen habt“, bat ich. „Ich frage mich nämlich schon lange, welche Methoden er anwendet“.


Am nächsten Tag stellte Michael die Ärzte Orkap vor, und sie verbrachten mehrere Tage mit ihm im Dorf Konogul. Wenn ich dann am Abend neugierig nachfragte, mit welchen Medikamenten denn nun mein Freundfeind arbeite, stieß ich auf eine merkwürdige Verhaltenheit. Die Einheimischen setzen im Falle von Krankheit meist voraus, dass diese durch das Einwirken eines bösen Geistes entstanden sei. Na toll, dachte ich, da wäre ich jetzt nicht darauf gekommen. Somit sei es die Aufgabe eines Zauberers, diesen Geist durch Zauberei und Beschwörung zu veranlassen, aus dem Körper „auszufahren“. Mehr als die üblicherweise von Zauberern angewandten Mittel wie Ingwer, Chilipfeffer, Limonen und Betelnüsse sowie scharfe Flüssigkeiten wie Urin, waren unseren Gästen nicht zu entlocken. Nur, dass Orkap ihnen die Rinde eines „bestimmten“ Baumes gezeigt hatte, die erheblich zur Wundheilung beitrug, konnte ich noch erfahren. Somit befand ich mich auf einem ähnlichen Wissensstand, auf dem ich vorher war.