Komisch

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Das beheizte Klavier

Badefreuden in der Südsee

Komplimente wegen guten Führens des Gästehauses

In der Stadt bekam ich tatsächlich die von den Mädchen gewünschten Videos, gleich drei an der Zahl, wie ich erstaunt bemerkte. Wie soll das gehen, dachte ich, drei Videos an einem einzigen Wochenende, das wird ja ein Marathon? Es ging, und wie! Nicht nur Janna und Alina schauten die Filme an, zu zwölft lümmelten wir in unserem Gästezimmer auf sämtlichen verfügbaren Polstern herum, und wir zogen uns an einem einzigen Wochenende alle drei Folgen des schwülstigen Epos hinein. Zwischendurch kochte ich auch mal Kaffee, richtete belegte Crackers, wir nahmen den strömenden Regen wahr, aber gnadenlos verfolgten wir die Filme, stritten mal miteinander über Sinn oder Unsinn der Geschichte – wir gaben erst auf, als wir nur noch übersättigt „Uff“ sagen konnten. Am Ende schworen wir einander, lange Zeit nicht mehr fernsehen zu können und gingen wie gerädert auseinander. Dennoch habe ich dieses verrückte Wochenende in guter Erinnerung. Noch heute sehe ich wenig fern, aber wenn, dann mit meiner ganzen Person, ich sehe nicht einen Film an, ich lebe in ihm, bin ein Teil davon. Wenn mir gesagt wird, das sei doch nur ein Film, kann ich nur irritiert die Schultern zucken; ich sehe die Gefahr, die Gefühle, lebe sie mit, und denke: keine Ahnung, die haben keine Ahnung.


Zur Weihnachtsfeier der Primary School war Jannas große Stunde gekommen. Michael und ich saßen als stolze Eltern unter den Zuschauern, als Janna in einem Singspiel ihren Auftritt als Schneekönigin hatte. In einem weißen, langen Gewand spann sie, silbern geschmückt, ihre magischen Fäden als Königin der Kälte, während wir Eltern in der Hitze versuchten, uns Kühle zuzufächeln. Danach durfte sie auf Deutsch, Englisch und Japanisch „Stille Nacht“ zu Klavierbegleitung vorsingen, und wir sahen beglückt, wie unser Kind sich den anderen Eltern präsentierte.


Dann kam Weihnachten, ich bereitete mich mit John und Jimmy auf den Ansturm der Gäste vor, die vor allem aus Lae kommen sollten. An Heiligabend blickten wir uns am Nachmittag fragend an: längst hätten die Gäste eingetroffen sein müssen, aber nicht ein einziger zeigte sich. Ich rief in Lae bei einigen der Gäste an, konnte aber niemanden erreichen. Gegen Abend machte ich mich grübelnd und voller schlechtem Gewissen meiner Familie gegenüber auf den Heimweg, und verbrachte diesen Abend ziemlich ratlos. Am nächsten Morgen rief ich wieder bei Ron an, meinem Chef aus Lae, der ebenfalls mit seiner Familie hatte kommen wollen, und hörte fassungslos seiner Schilderung zu: Er war in aller Früh mit seiner Familie in Lae aufgebrochen. Sie hatten anstandslos sämtliche Flüsse durchquert, aber kurz vor Madang war ihnen plötzlich der Weg versperrt. Sie hielten in einiger Entfernung vor einer Brücke, die stand auch noch, nur die Straße davor und dahinter gab es nicht mehr. Sie war offensichtlich vom vielen Regen weggespült worden. So hatten sie sich auf den Rückweg gemacht und unterwegs immer wieder andere Autos vor einer Weiterfahrt gewarnt.


Dieses Weihnachten verbrachte ich nicht mit Kocherei, was mich auf den Gedanken brachte, in Zukunft an Feiertagen kein Essen mehr anzubieten. Ich schrieb meinen Vorgesetzten in Lae, man könne nicht von mir erwarten, für mein Gehalt ohne Freizeit auskommen zu können. Sie schluckten meine Pläne anstandslos. Von nun an gab es nicht nur am Wochenende kein Essen in meinem Gästehaus, auch die Feiertage gehörten mir und meiner Familie. Stattdessen hatten die Gäste die Möglichkeit, in der Küche selbst einen kleinen Snack zuzubereiten. An Silvester war das Haus schon wieder ausgebucht. Ich lud ein paar besonders nette Gäste ein, es mit uns in Amron zu begehen, und so verbrachten wir den Abend mit einer bunten Gruppe von Menschen, die ich zwar auch bekochte, aber eben zu Hause.


Wo es ihnen gefiel, da blieben sie eine Weile, bis es sie weiterzog. Auf Tahiti brachte seine Frau eine Tochter zur Welt, die sie Tiare nannten. Sie segelten weiter, bis sie schließlich nach zwei Jahren in Neuseeland an der Nordhälfte der Insel hängenblieben, und ihr „Bubchen“ geboren wurde. Bald stellte sich heraus, dass der Sohn mit einem Herzfehler zur Welt gekommen war, und er wurde nur vier Jahre alt. Während Uwe über den Tod seines „Bubchens“ kaum hinwegkommen konnte, lernte Renate, die als Ärztin vielleicht die Situation nüchterner eingeschätzt hatte, für seinen Geschmack zu schnell das Lachen wieder. Die Ehe zerbrach, und er hatte sich an seine Wurzeln in Niugini erinnert und arbeitete wieder bei Lutheran Shipping, nur dieses Mal nicht als Kapitän, sondern als Organisator im Büro.


Bei seinen zahlreichen Besuchen im Gästehaus behauptete Uwe mir gegenüber: „Ich bin ein Geschäftstalent, wenn du mich in die Wüste stellst, verkaufe ich dir Sand“. Als ich ihn Jahre später von Deutschland aus einmal anrief, berichtete er mir, er habe gerade ein Postamt in Neuseeland gekauft, seine Tochter Tiare sei Pilotin geworden und fliege immer wieder, die Flügel ihres Flugzeugs schwenkend, über sein Haus hinweg. Aber uns in Madang steckte er nun erst einmal mit seiner abenteuerlichen Segelfreude an, und wir verbrachten so manches „maritime“ Sonntagsfrühstück in seinem Haus, zu dem ich selbstgebacken Brötchen mitbrachte. In seiner Begeisterung steckte er uns derart an, dass wir lange Zeit erwogen, als „Yachties“ die Welt zu umsegeln. Bei einem Besuch von Uwes Exfrau mit Tochter Tiare freundete Janna sich gleich mit dem weltoffenen Mädchen an und sie schrieben sich noch lange Zeit Briefe.