Umschwung

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Korrekte Buchführung

Umgestaltung des Gästehauses

Die Mund-Propaganda kam ins Rollen

Endlich kam der Tag, an dem ich Shirley im Gästehausauto zum Flugplatz bringen konnte, und nach ihrem Abflug machte ich innerlich drei Kreuze. Das von ihr bewohnte Appartement würde von nun an dem Gästehaus fünf Betten mehr bescheren, somit standen nun statt achtzehn dreiundzwanzig Betten zur Verfügung. Gleich in der darauf folgenden Woche schickte mir die Kirchenleitung aus Lae einen Buchhalter, der mir beibringen sollte, wie die Abrechnungsbücher zu führen seien. Drei Tage lang schimpfte und fluchte dieser Amerikaner über die Buchführung meiner Vorgängerin, dann war er soweit, mich in die Geheimnisse einer korrekten Buchführung einweihen zu können.


Im Verlauf dieser Einweisung lernte ich eine völlig unerwartete Seite an mir kennen. Durch einen Mathematiklehrer im Gymnasium, der es genossen hatte, mich vor der Klasse „vorzuführen“, hatte ich geglaubt, neben meinen musischen Fähigkeiten nichts an Können zur Verfügung zu haben. Von nun an machte mir „die Welt der Zahlen“ richtiggehend Spaß, und mein Buchhaltungsbuch war, während mir John so manche Tasse Kaffee servierte, immer korrekt geführt.


Ich suchte die Großhandlungen der drei Supermärkte auf, die Madang zu bieten hatte, und stellte mich den Geschäftsführern als manageress des Gästehauses vor. Zu meinem Glück kannte „man“ sich in einer kleinen Hafenstadt wie Madang. Zwei der Geschäftsführer hatten ebenfalls Kinder in der Primary School, und so traf ich auf offene Ohren, als ich schilderte, wie ich das Gästehaus aus den roten Zahlen bringen wollte. Sie hörten mir aufmerksam zu, und ich wurde als kreditwürdig eingestuft. Ich erstand Bettwäsche, Handtücher und Stoffe und krempelte das ganze alte, verstaubte Gästehaus um. In Nagada bestellte ich bei Kristen Pres, der kirchlichen Druckerei, ein Dutzend Plakatfolien mit dem Aufdruck: „Lutheran Guest House, Übernachtung und Frühstück 10,- Kina, Preiswerte delikate Mahlzeiten, Telefonnummer … “. Dann machte ich mich ans Nähen. Die braungesprenkelten Vorhänge wichen solchen in Blautönen des Meeres, die tristen Polsterbezüge in der lounge, im Aufenthaltsraum, in dem die Gäste sich zu treffen pflegten, bekamen Bezüge in Pastelltönen. Mit Gert, dem deutschen Metzger, traf ich ein Abkommen, nach dem ich ein halbes Rind zerlegt zu einem Sonderpreis, da regelmäßig bestellt, bekam. Als die Plakatfolien fertig waren, klebte ich sie überall in Madang an, wo man es mir erlaubte. Zuallererst im Flughafen, dann an anderen auffälligen Orten, zu guter Letzt noch auf der Heckscheibe des Gästehausautos.

Nun war die Zeit des Wartens gekommen. Im ersten Monat war ich am Verzagen, denn die bereits eingetragenen Buchungen wollten sich partout nicht vermehren, noch immer schrieb das Gästehaus rote Zahlen. Im zweiten Monat kam ein Anruf des Landfrauenverbandes, die ein Ferienhäuschen in Madang führten, mit der Anfrage, ob ich einige ihrer überzähligen Buchungen übernehmen könne. Bitter dachte ich, die können sich vor Buchungen kaum retten, und ich darf hier von den Brosamen essen, die von der Reichen Tische fallen. Genau diese Gäste aber waren es, die durch Mund-zu-Mund-Propaganda eine Welle ins Rollen brachten.


Bald traute ich mich kaum mehr, das Gästehaus nach der Ankunft eines Flugzeugs aus Port Moresby zu verlassen. Ich legte mir die Flugpläne auf den Schreibtisch in der Gewissheit, dass kurz nach Eintreffen eines Flugzeugs das Telefon klingeln werde. Mit John und Jimmy traf ich eine Abmachung, dass jeder „Diensthabende“ Anrufern am Nachmittag meine private Telefonnummer weiterzugeben hätte. Nachmittags nahm ich das Buchungsbuch mit nach Hause und von nun an stand unser Telefon in Amron kaum noch still. Die Trockenzeit neigte sich dem Ende zu, und als die Regenzeit voll einsetzte, war das Gästehaus zu Weihnachten und Neujahr bereits ausgebucht. In Amron begannen die Gurken, Tomaten und Bohnen zu reifen, im Gästehaus begannen meine Berechnungen Früchte zu tragen. Es kamen Gäste an, die erzählten, bereits in Port Moresby gehört zu haben, sie müssten unbedingt zu Gabi nach Madang, denn in ihrem Gästehaus gebe es die besten Gerichte, die man sich denken könne.