Nelkenrevolution
Ein Land mit Geschichte: Portugal
Die Nelkenrevolution
Als am Morgen des 25. Aprils 1974 der von Spinola und der Bewegung der Offiziere geleitete Militärputsch stattfindet, leistet die politische Polizei keinerlei Widerstand. Der Rest ist bekannt: der allgemeine Freudentaumel, die Verbrüderung der Bevölkerung mit den Soldaten, denen man aus Freude Nelken in die Gewehrläufe steckt - ein grandioses Fest.
Jean-Paul Sartre und verschiedenen, aus dem Exil heimkehrenden Politikern wird ein triumphaler Empfang bereitet.
Portugal durchläuft einen Prozeß der politischen Radikalisierung, der das politische Vakuum nach dem Faschismus füllt. Spinola, erster Präsident der Republik, tritt im September zurück und wird von Costa Gomes ersetzt. Gleichzeitig regiert ein der kommunistischen Partei nahestehender Premierminister namens Vasco Gonçalves das Land. Die Agrarreform und die Verstaatlichungen bilden den Kern der Sozialmaßnahmen der Regierung, begleitet vom Ende des Krieges in Afrika und der Entkolonialisierung. Eine neue Verfassung wird verabschiedet und ein Revolutionsrat eingerichtet, der die Rückkehr des Faschismus´ verhindern soll. Eineinhalb Jahre lang kennen die Portugiesen eine liberale Periode, in der, ohne polizeiliche Unterdrückung und unter den wohlwollenden Augen der linksradikalen Militärs, namentlich Otelo de Carvalhos, alles möglich ist. Überall werden neue Freiräume erobert. Wenn die Bewohner eines Viertels einen Raum für einen Kindergarten brauchen, besetzen sie ein leerstehendes Haus. Unfähige Geschäftsführer werden gefeuert. Autonome Organisationsformen der Bürger und Arbeiter sowie örtliche Kommitees und Arbeiterräte verbreiten sich und manchmal gelingt ihnen der Zusammenschluß auf Stadt- oder Landesebene. Die Spannungen zwischen diesen Organisationsformen an der Basis und den traditionellen politischen Parteien, darunter auch der sozialistischen Partei Mário Soares, verschärfen sich bald. Das Land sieht Riesendemonstrationen von Arbeitern, Bauern und Soldaten während des ganzen Sommers 1975.
Im November desselben Jahres setzt der gemäßigte Flügel des Heeres nach einem Aufstand in einer Kaserne einen Schlußstrich unter das, was die Politiker einen »Zustand der Anarchie« nennen. Der Einschnitt ist hart und bewirkt eine schnelle Demoralisierung und Demobilisierung der Bevölkerung.