Churchill
Churchill (Vorwahl: 204)
Die zivilisatorische Enklave an der Hudson Bay möchten wir nur Liebhabern der Wildnis und Ruhebedürftigen ans Herz legen. Letzteres natürlich nur, falls nicht gerade der (Eis)-Bär los sein sollte ... Dann herrscht nämlich Polar bear alert ("Eisbäralarm"), und mir Betäubungsgewehren bewaffnete Ranger stehen bereit, das größte aller Landraubtiere zumindest vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen. Warum die mächtigen Tiere im arktischen Frühsommer (Juni/Juli) gerade in Churchill an Land kommen, nachdem sie den Winter im Norden mit Seehundjagd zugebracht haben, wissen wir auch nicht so genau: ob sie wohl von der Müllhalde angezogen werden, von der aus sie sich stadteinwärts trollen? Jedenfalls ist mit den Polar bears nicht zu spaßen, weshalb man sein schützendes Blech besser nicht verläßt. Füttern strikt verboten! Das tun auch die Einheimischen nicht, die im übrigen zumeist einen großkalibrigen Schießprügel zu Hause verwahren, für alle Fälle ...
Die 1.300 Seelen des Hafenstädtchens, nur wenige Monate im Jahr eisfrei, leben am Ende der Welt. Es handelt sich um die letzte Indianersiedlung (des Cree-Stammes) vor den Eskimos. Für uns eine einmalige Gelegenheit, den Hohen Norden kennenzulernen.
Anreise
Da keine Straße nach Churchill führt, bleiben nur die Eisenbahn und das Flugzeug. Spannender ist auf jeden Fall die Bahnfahrt. Abfahrt dreimal die Woche ab Winnipeg, Fahrtzeit siebzig Stunden hin und zurück für 3.200 km. In Anbetracht der Entfernung und der zu erwartenden Abenteuer erfreulich preiswert. Für den gesamten Ausflug sollte man fünf Tage und sechs Nächte einplanen, davon drei Tage in Churchill.
Während der fünfunddreißig Stunden hat man allerhand Zeit, sich mit seinen Nachbarn bekannt zu machen, die immer dünner werdenden Wälder und die Tiere von Tundra und Taiga (Elche, Füchse usw.) zu beobachten: der Zug kommt nur langsam voran. In den Bergbauorten unterwegs kann man aussteigen: The Pas, Thompson ... und wie die Stationen alle heißen. Bisweilen hält der Zug auf freier Strecke, ein paar Indianer tauchen auf und tauschen Fisch gegen Bierkästen (kein Witz!).
Hotels
Die beiden billigsten sind das kleine Kelsey Lounge, Tel. 675-88 01, und das Beluga Motel, Tel. 675-21 50.
Sehenswürdigkeiten in Churchill und Umgebung
Hier oben sieht man Sachen, die man sonst wohl kaum zu Gesicht bekommt. Manitobas einziger Seehafen ist ein außergewöhnlicher Ort.
Thompson: Hauptstätte der nordamerikanischen Nickelproduktion; alle Verarbeitungsschritte können hier vorgenommen werden. Im Untergrund des Kanadischen Schildes lagern übrigens reiche Kupfer-, Nickel- und Zinkvorkommen, ohne die der Finanzminister Manitobas kräftig ins Schleudern käme.
Tundra: kalte Subpolarregion jenseits der Baumgrenze; soweit das Auge blickt - und das sind bei der tellerebenen Landschaft Dutzende Kilometer - nur Moose und Flechten, bestenfalls ein paar Zergsträucher.
Eskimos (Inuit): Churchill ist, wie gesagt, noch Indianerland, aber die Eskimos finden wegen sozialer Einrichtungen wie Krankenhaus und dergleichen den Weg hierher. Alle Wegweiser sind auch in Eskimosprache beschrieben. Bescheidenes Eskimomuseum; nicht übel.
Polarbären (Polar Bears): ab Anfang Oktober warten sie darauf, dass die Bucht zufriert, um den Winter über auf Seehundjagd zu gehen. Die mächtigen Tiere hausen rings um Churchill und fürchten sich im allgemeinen vor nichts. Ein Toter alle zwei bis drei Jahre ~ unter den Zweibeinern, wohlgemerkt.
Northern Expeditions: Box 614. Tel. 675-27 93. Führt verschiedene Exkursionen in die Umgebung durch: um Bären zu beobachten oder Weißwale zu fotografieren. Diese Gründelwale gehören zur Familie der Zahnwale und werden auch Belugas genannt. Für die Sportlichen (und Kältefesten) unter uns auch mehrtägige Touren durch die Tundra.
Nord- oder Polarlicht: in Churchill ideal zu beobachten. Man müßte schon mit Blindheit geschlagen sein ... In Englisch heißt die Leuchterscheinung in der Erdatmosphäre, mindestens 70-100 km über der Erdoberfläche, übrigens Northern lights. Mal handelt es sich um Bögen, mal um Bänder, Strahlenbündel oder Lichtkronen. Die Farbe kann vom grünlichen über blau-weiß bis ins Rote spielen. In aller Kürze wie´s funtioniert: von der Sonne ausgeschleuderte elektrische Teilchen werden im Magnetfeld der Erde zu den Polen hin abgelenkt und regen beim Eintritt in die Atmosphäre ionisierte Gase zum Leuchten an.
Getreideterminal: die Eisenbahnstrecke nach Churchill wurde eigens dafür angelegt (an den Eisbärtourismus dachte damals noch niemand). Auf dem Sekretariat einfach nach Victor fragen. Er setzt jedem einen Helm auf den Kopf und zeigt Besuchern das ganze Gelände: die siebzig Meter hohen Silos, die Getreideverarbeitung usw. Ein netter Bursche.
Um ein Eskimodorf zu Gesicht zu bekommen, muß man sich schon nach Eskimo Point bequemen: entweder mit dem Flugzeug oder zu Fuß. Bloß schlappe 300 km! Der ein oder andere Fußgänger soll angeblich nicht zurückgekehrt sein ... Wahrscheinlich hat´s ihm da oben so gut gefallen, dass er gar nicht wieder wegwollte.
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