Gesprächspartner

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Zurück aus der Südsee

Wiedereinstieg nach dem Leben im Ausland

Gedanken an die Erfahrungen als Ausgewanderter

Es brauchte einige Zeit, bis ich damit umgehen konnte. Manchmal wußte ich nicht, ob ich mich belustigt fühlen oder mich traurig zurückziehen sollte.

Ich lasse nur meine Bemerkung "Ich habe die letzten Jahre im Ausland gelebt" fallen, schon sprudeln die Reaktionen hervor. Reaktionen, die ich noch dazu mit wachsender Übung vorausahnen kann. Bei der ersten Kategorie lasse ich meinen Satz nur behutsam, fast nebenbei - in der geheimen Hoffnung "vielleicht reagiert er doch?" - einfließen. Aber meist ist alle Behutsamkeit vergebens. Über ein flüchtiges "ach ja, wo waren Sie denn?", dem eine meisterhafte Überleitung zu diesem wahnsinnig interessanten Stück folgt, das gerade läuft, komme ich bei der Kategorie "Kulturfreaks" letzten Endes nie heraus. Denn schon geht es weiter mit diesem unwahrscheinlich nahegehenden Film, der kürzlich angelaufen ist, ob ich den schon gesehen habe?, nein?!?, also das ist wirklich einer der wenigen Pflichtfilme! In Neuguinea waren Sie, sagen Sie - da gibt es doch sicherlich wahnsinnige soziale Probleme, nicht?

Hier wittere ich meine Chance, einzusteigen; ich habe auch etwas zu erzählen, mitzuteilen - aber mein Gegenüber ist bereits dabei, über den letzten Urlaub, ja, in Venezuela war das, nachzusinnen, diese Leichtigkeit, mit der diese Menschen ihre Armut tragen, und diese Kultur! Kulturfreaks ...

Bei der Kategorie "Bodenständige" sind die Verhältnisse von vornherein geklärt, da kann die Hoffnung gar nicht erst aufflackern, vielleicht doch ein Stück von mir erzählen zu können. Selbst wenn einmal die Frage auftaucht nach all dem Ungeziefer, das es "da unten ja gibt" - die Grenzen "da könnte ich nicht leben" sind abgesteckt und ich kann sie akzeptieren.

Ich weiß, dass ich es mit einem herzhaften, bodenständigen Menschen zu tun habe, der sich eingebunden weiß in diese seine Welt, der sein Leben mag, so wie es ist. Er hat ein gutartiges Verhältnis zu seinem Umfeld, kann mit aufkommenden Schwierigkeiten umgehen und braucht nichts zu hinterfragen, was ohnehin geregelt und befriedigend abläuft.

Es ist angenehm auszukommen mit den Bodenständigen. Gut, verbringen wir einen netten Abend miteinander, erzählen wir einander, wie das Kommunalwahlergebnis in Bayern uns berührt hat, wie unsere Kinder sich in der Schule entwickeln, wie großartig wir uns nach der letzten Gymnastik gefühlt haben ... Ein netter Abend, die Grenzen sind abgesteckt und werden akzeptiert. Wir bewegen uns im Hier und Jetzt, hier sind wir uns begegnet. Die Vergangenheit ist gelebt, wozu sie aufrühren? Die Bodenständigen ...

Lebhaft wird es mit den "Fast-Auswanderern", mit den "warum seid ihr überhaupt zurückgekommen?" Sie fragen, stellen in Frage, fragen nach. Sie selbst haben sich den Sachzwängen längst ergeben, für sie kommt Auswandern - leider - aus all diesen logischen Gründen nicht mehr in Frage, aber, Mensch, nun wart ihr doch schon mal dort, hattet so ein tolles Leben, so naturverbunden, so urwüchsig - wie konntet ihr nur zurückkommen?!?

Sie hinterfragen mich, die Fast-Auswanderer, aber sie wollen nicht wissen. Schließlich ist das immer ihr Lebenstraum gewesen, wenn nicht dies dazwischen gekommen wäre und jenes es unmöglich gemacht hätte, und wir, die wir so nah dran waren, es wahr zu machen ... - warum sind wir nur zurückgekommen???

Eigentlich gibt es noch eine vierte Kategorie, die Kategorie der "Auch-Wiedereinsteiger". Mit ihnen fühle ich mich in einer geheimen Selbstverständlichkeit verbunden: Wir alle wissen, was es heißt, nach all diesen in einer anderen Kultur gelebten Jahren wieder Fuß fassen zu wollen. Uns verbindet das Wissen um dieses Außenseiter-Dasein, dieses "Du bist weiß und wirst es immer bleiben". Wir können einander erzählen, wie gut wir uns in das Denken, die Sprache der Menschen, mit denen wir zusammen waren, eingelebt hatten; wir können einander übertrumpfen an Einfühlsamkeit, an kultureller Problembewältigung. Niemand hat die sozialen Strukturen klarer erfaßt, als derjenige, der gerade das Wort hat. Wir können Abende und Nächte damit verbringen, Erklärungen zu suchen, Lösungsvorschläge auszuarbeiten - viel differenzierter, weil mit mehr Abstand als in der Zeit unseres direkten Betroffenseins. Die Probleme treffen uns nicht mehr, aber sie bewegen und berühren uns noch ach so sehr; sie haben einen entscheidenden Teil unseres Lebens ausgemacht, sie sind ein Stück von uns.