Gastronomie
Einkehren im Gasthaus - Käse, Brot und schon wieder Rotwein
Ungeheurer Rhonegletscher und Windweben
Realp, den 12. Nov. Abends
Mit einbrechender Nacht sind wir hier angekommen. Es ist überstanden und der Knoten, der uns den Weg verstrickte, entzwei geschnitten. Eh´ ich Ihnen sage, wo wir eingekehrt sind, eh´ ich Ihnen das Wesen unserer Gastfreunde beschreibe, lassen Sie mich mit Vergnügen den Weg in Gedanken zurück machen, den wir mit Sorgen vor uns liegen sahen und den wir glücklich, doch nicht ohne Beschwerde, zurückgelegt haben.
Um Sieben gingen wir von Münster weg und sahen das beschneite Amphitheater der hohen Gebirge vor uns zugeschlossen, hielten den Berg, der hinten quer vorsteht, für die Furka; allein wir irrten uns, wie wir nachmals erfuhren; sie war durch Berge, die uns links lagen, und durch hohe Wolken bedeckt. Der Morgenwind blies stark und schlug sich mit einigen Schneewolken herum, und jagte abwechselnd leichte Gestöber an den Bergen und durch das Thal. Desto stärker trieben aber die Windweben an dem Boden hin und machten uns etlichemal den Weg verfehlen, ob wir gleich, auf beiden Seiten von Bergen eingeschlossen, Oberwald am Ende doch finden mußten. Nach Neune trafen wir daselbst an und sprachen in einem Wirthshaus ein, wo sich die Leute nicht wenig wunderten, solche Gestalten in dieser Jahrszeit erscheinen zu sehen. Wir fragten, ob der Weg über die Furka noch gangbar wäre? Sie antworteten, dass ihre Leute den größten Theil des Winters drüber gingen; ob wir aber hinüber kommen würden, das wüßten sie nicht. *
Wir schickten sogleich nach solchen Führern; es kam ein untersetzter starker Mann, dessen Gestalt ein gutes Zutrauen gab, dem wir unsern Antrag thaten: Wenn er den Weg für uns noch practicabel hielte, so sollt´ ers sagen, noch einen oder mehr Kameraden zu sich nehmen und mit uns kommen. Nach einigem Bedenken sagte er´s zu, ging weg, um sich fertig zu machen und den andern mitzubringen. Wir zahlten indessen unserm Mauleseltreiber seinen Lohn, den wir mit seinem Thiere nunmehr nicht weiter brauchen konnten, aßen ein weniges Käs und Brot, tranken ein Glas rothen Wein und waren sehr lustig und wohlgemuth, als unser Führer wieder kam und noch einen größer und stärker aussehenden Mann, der die Stärke und Tapferkeit eines Rosses zu haben schien, hinter sich hatte. *
Einer hockte den Mantelsack auf den Rücken, und nun ging der Zug zu Fünfen zum Dorfe hinaus, da wir denn in kurzer Zeit den Fuß des Berges, der uns links lag, erreichten und allmählich in die Höhe zu steigen anfingen. Zuerst hatten wir noch einen betretenen Fußpfad, der von einer benachbarten Alpe herunterging, bald aber verlor sich dieser und wir mußten im Schnee den Berg hinauf steigen. Unsere Führer wanden sich durch die Felsen, um die sich der bekannte Fußpfad schlingt, sehr geschickt herum, obgleich alles überein zugeschneit war. Noch ging der Weg durch einen Fichtenwald, wir hatten die Rhone in einem engen unfruchtbaren Thal unter uns. Nach einer kleinen Weile mußten wir selbst hinab in dieses Thal, kamen über einen kleinen Steg und sahen nunmehr den Rhonegletscher vor uns. Es ist der ungeheuerste, den wir so ganz übersehen haben. Er nimmt den Sattel eines Berges in sehr großer Breite ein, steigt ununterbrochen herunter bis da wo unten im Thal die Rhone aus ihm herausfließt.
An diesem Ausflusse hat er, wie die Leute erzählen, verschiedene Jahre her abgenommen; das will aber gegen die übrige ungeheure Masse gar nichts sagen. Obgleich alles voll Schnee lag, so waren doch die schroffen Eisklippen, wo der Wind so leicht keinen Schnee haften läßt, mit ihren vitriolblauen Spalten sichtbar, und man konnte deutlich sehen, wo der Gletscher aufhört und der beschneite Felsen anhebt.