Reisebüro
Erinnerungen an Madang
Mondanhimmelung und Zeit zur Reflexion
Sinub verkaufen - oder besser nach Mallorca?
Was habe ich mich unter Druck gesetzt, möglichst schnell alle Unsicherheiten abzulegen - ich wollte so gerne dazugehören, vor allem das, einfach so: dazugehören. Und zum Dazugehören, dazu gehört eben auch der Nachweis einer "beruflichen Betätigung". Da es aber nun mal niemanden interessiert, was ich bereits an Anpassungsarbeit an die jeweilige Situation geleistet habe, muß eben schnell-schnell ein Job her, der meine Existenzberechtigung in deutschen Landen nachhaltig unter Beweis stellt.
In diesem Reisebüro bin ich, die uralte Gabi, die als Neue-Doofe, die dreißig Mal täglich was nachfragen muß.
Was da alles in meinem Kopf umgeht, was der alles speichern und verarbeiten soll: tausend Urlaubsorte, Computerhandhabung, Codes für Zielgebiete, wie man Preise errechnet, wie man sich keine Unsicherheit anmerken läßt, selbst, wenn jemand nach den Komoren fragt - worauf habe ich mich da nur eingelassen? Dazugehören - wollte ich das nicht?
Eine Freundin, mit der ich in den Jahren in Madang oft den Mond angehimmelt habe und die nun auch nach Boden unter den Füßen strampelt, schrieb mir: "O Gabi ooo, ob sie uns wohl mal auf den Grabstein schreiben werden: sie machte aus Scheiße immer das Beste??? Auf Sinub warst du, und jetzt willst du Sinub im Reisebüro verkaufen."
Habe ich in den Jahren in Neuguinea das Dasein eines Luxusweibchens geführt? Ich hatte Zeit für den Mond, den Mond auf Sinub. Jetzt, bei dem Versuch, Sinub zu verkaufen (wo die doch alle nach Mallorca wollen), merke ich: es bleibt so verdammt wenig übrig von dir, für dich, der Abend ist wie nichts verflogen. So vieles bleibt ungedacht, unreflektiert, nicht nach-gefühlt. Es ist, als ob du lernst, wie man am besten verroht.
Aber, was ist, wenn mir nur die Wahl bleibt zwischen geistig-geistlich-seelisch verrohen oder mich im eigenen Saft zu suhlen, alles überbewerten, jede Fitzelkleinigkeit hin- und herdrehen, und die Zeit in Madang zu verglorifizieren? Ich weiß nicht - werde ich je wissen? - mir ist es nie gelungen, da einen Mittelweg zu finden. Irgendwie scheint alles, was ich tue, exzessiv zu sein, selbst die Sehnsucht nach Ausgewogenheit.
Jetzt bin ich erpicht, die Dominikanische Republik zu verkaufen, oder wie wär´s mit Kuba, na gut, dann wenigstens die Kanarischen Inseln, vielleicht Lanzarote, denn so popelig wollen wir doch nicht sein, wieder nur nach Mallorca zu fliegen?!?
O Sinub ooo, ich kann dich nicht verkaufen und ich will dich nicht verkaufen. Sonderpreis, Ausverkauf, Angebot, last minute - es geht nicht, Mallorca paßt besser dafür. Für dich braucht man Zeit, der Mondaufgang hat seine Zeit, wir hatten unsere Zeit miteinander.
Es wird Zeit, dass ich mich aufmache, etwas Neues anfange.
G. Cavelius
Die Verfasserin war als mitausgereiste Ehefrau eines Mitarbeiters des Evangelisch-lutherischen Missionswerks Bayern von 1982 bis 1988 in Papua-Neuguinea. Von 1984 bis 1986 leitete sie das Lutheran Guest House in Madang.
Über ihre Zeit in Papua-Neuguinea berichtet die Autorin in ihrem Buch "Papua-Neuguinea", erschienen beim Verlag interconnections.
http://interconnections-verlag.de/content/papua-neuguinea-leben-im-dschu...