Im Norden
Unbedingt Ansehen in Lissabon
Den Norden der Stadt
Im beschaulichen Palhava-Park, für den man sich ruhig etwas Zeit lassen sollte, liegt eines der beeindruckendsten Kulturzentren Europas: die Gulbenkianstiftung. Das Schicksal des 1955 verstorbenen Calouste Gulbenkians ist hochinteressant. Im Alter von vierzehn Jahren begann er mit dem Belohnungsgeld für seine Schulerfolge alte Münzen im Basar von Istanbul zu kaufen. Später erwarb er die Förderrechte für unterirdische Erdöllagerstätten, als noch kein Mensch daran glauben wollte. Als er seine Eigentümerrechte schließlich an die Iraq Petroleum Company verkaufte, sicherte er sich eine Beteiligung von fünf Prozent, was ihm den Spitznamen »Mister 5%« eintrug. Nachdem er sein Vermögen im Erdölgeschäft gemacht hatte, lockte ihn die Stabilität des Salazarregimes nach Lissabon, wo er sich dann auch niederließ. Als großer Kunstliebhaber gab er einen Teil seines Vermögens zum Kauf der wertvollsten Kunstschätze der Welt aus. Die bedeutendsten kamen aus den sowjetischen Museen. Bekannterweise kämpfte das Sowjetregime bei seiner Etablierung mit einer schlimmen Wirtschaftskrise, so dass Lenin nicht lange zögerte, sogar einmalige Werke aus der Eremitage zu verkaufen.
Vor seinem Tode hatte Gulbenkian den lobenswerten Gedanken, diese Schätze dem portugiesischen Staat zu vermachen. Das Ergebnis ist eine Stiftung nach amerikanischem Vorbild, die zwölfhundert Menschen beschäftigt und von allen Ländern nicht ohne Neid bewundert wird.
Die großzügig dimensionierten Ausstellungsräume sind durch weite Fensteröffnungen zum Park hin offen. In den einzelnen Abteilungen sind nur wenige Gegenstände ausgestellt, von denen aber jeder etwas Besonderes darstellt.
Aufs Geratewohl nennen wir das Relief der ägyptischen Prinzessin Merytetes aus buntem Kalkstein, den wunderbaren griechisch-römischen Goldschmuck, assyrische Reliefs, persisches Steingut aus dem 13. Jh., syrische Vasen, persische Buchmalereien, alte Teppiche usw. In der asiatischen Abteilung: märchenhafte japanische Kästchen aus Schildplatt, Krüge und Porzellan aus China, bemerkenswert vor allem jenes mit Szenen aus dem Familienleben.
Die europäische Kunst ist ebenfalls gut vertreten: geschnitztes Elfenbein und mittelalterliche Buchmalereien. Herrlich auch die »Verkündigung« von Bouts Dierik sowie die »Jungfrau mit dem Kind« von Jan Gossaert. Da es unmöglich ist, alles aufzuzählen, hier nur unsere Lieblinge: das mit sensiblem Pinselstrich ausgeführte »Portrait eines jungen Mädchens« von Ghirlandio, die »Centauren« von Rubens, außerdem Gemälde von Franz Hals und van Dyck sowie andere Rubensgemälde. Unbedingt Beachtung verdient das »Portrait eines alten Mannes« von Rembrandt, das nur auf Gesicht und Hände Licht fallen läßt, um die Bürde des Alters zu betonen. Ist es echt? Wir wissen´s nicht mehr nachdem doch Untersuchungen der letzten Zeit viele berühmte Gemälde seinen Schülern zugewiesen wurden.
Bemerkenswerte Wandteppiche und seltene Bücher.
Außerdem sehenswert die »Mademoiselle Salé« von Quentin de la Tour, »Mrs. Lowndes-Stone« von Gainsborough, wunderbare Constables, die berühmten Venediggemälde von Guardi. Von Turner der gewaltig-schöne »Schiffbruch des Minotaurus« und der hervorragende »Quillebeuf«. Schließlich eine Unzahl von Gemälden von Corot, Degas, Monet und Renoir sowie Büsten der besten französischen Bildhauer. Rodin ist mit zwei Engeln von beeindruckender Grazie vertreten.
Die Stiftung veranstaltet auch bedeutende Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, Konzerte und Balletaufführungen.