Alfama
Bekanntestes Viertel der Hauptstadt
Die Alfama
Das bekannteste Viertel der portugiesischen Hauptstadt ächzt schwer unter der Last romantischer Verklärung, skrupelloser Verkitschung oder gar folkloristischer Vermarktung durch geschäftssüchtige Tourismus-Strategen und selbsternannte Portugal-Kenner, in deren Auslassungen sich Lissabon seit Jahrzehnten auf Alfama, Fado und Saudade reimt. Um so erstaunlicher, wie wenig der Folkloreschmalz dem Symbol des volkstümlichen Lissabon bisher anhaben konnte, sobald man sich nur ein wenig von den touristischen Brennpunkten entfernt. Die Alfama ist aber nicht nur das bekannteste, sondern auch das älteste Viertel: die Westgoten bewohnten es vor den Arabern, die dem Quartier seinen Namen gaben. »Alfama« ist eine Ableitung von arabisch »alhama«, ein Wort, das an die alten Brunnen auf dem Hügel erinnert. Sie stellt ein unüberschaubares Netz verwinkelter Gassen, Treppenfluchten, Sackgassen, Innenhöfen, bepflanzter Atrien und ins Nichts führender Gäßchen dar, die man becos nennt. Hunderte ineinander verschachtelter Häuser in genausovielen Stilrichtungen begrenzen die Gassen. Schöne vorspringende, regenverwaschene Fassaden, schmiedeeiserne oder in Stein gehauene Balkons, verdeckt von im Wind flatternder Wäsche, Giebeldächern und Mansardenfenstern.
Abends stellt sich hier eine fast orientalische Atmosphäre ein, was noch von der arabischen Zeit des Viertels und vom stetigen Straßenspektakel rührt. Hier schlägt das wahre Herz Lissabons.
Das lange Zeit von Fischern bewohnte Viertel hat bis heute seinen volkstümlichen Charakter bewahrt und ist von seinen markanten Originalen geprägt: den üppigen Matronen, den Handwerkern und fahrenden Händlern, den aufmüpfigen Jungs und den bärbeißigen Greisen, die nur mal eben frische Luft schnappen. Dazwischen tummeln sich die omnipräsenten Katzen. Das Ganze ist eingetaucht in einen ständigen Lärmpegel von plärrenden Transistorradios und Fernsehgeräten, in ein seltsames Wirrwarr aus traurigen Fados, gewöhnlichem Funky-Sound, Gesprächsfetzen aller Art, Geschrei und Lachen. Gleichsam ein portugiesisches Klein-Neapel ohne Mafia.
Im Juni feiert man in der Alfama das Fest des heiligen Antonius Jede Straße bemüht sich, von fieberhaftem Wettbewerbsgeist erfaßt, bunter und strahlender als alle anderen zu wirken. Tische und Stühle werden auf die Straße geschleppt, der Vinho Verde fließt in Strömen. Überall eine unbeschreibliche Jahrmarktsatmosphäre. Den heiligen Antonius sieht man übrigens immer mit einem Schwein abgebildet. Der nach ihm benannte Antoniterorden hielt im Mittelalter das Privileg der Schweinezucht und bekam ein Schwein als Sinnbild. Antonius ist Schutzheiliger aller Haustiere. Noch was? Nun der Kerl rühmte sich, sich zeitlebens nie gebadet zu haben, ja nicht mal die Füße wusch er sich.
Es wäre vergebliche Liebesmüh, einen Rundweg durch die Alfama angeben zu wollen. Den stellt sich jeder auf seine Art am besten selbst zusammen, ohne natürlich im Vorübergehen die unzähligen architektonischen Einzelheiten dieses fantastischen Labyrinths zu übersehen: Hintertürchen, Wappen, Steinskulpturen, Mauerreste, verzierte Fenster, Bogengänge. Es seien hier dennoch einige besonders sehenswerte Details genannt: das gotische Doppelfenster in der Rua Judiária 2, der verwinkelte Beco de Cardosa und die Rua de Loureiro, zu den malerischsten Straßen der Alfama zählend.
In die Alfama gelangt man mit der Straßenbahnlinie 28, die in der Rua da Conceiçao in der Baixa abfährt oder mit dem Bus 37 vom Rossio. Für die eingefleischten Fußgänger führen wir nun die wichtigsten, am Weg liegenden Sehenswürdigkeiten, von der Praça de Comércio ausgehend, an.