Emanzipation
Die drei K
Ehe und gewollte Mutterschaft
Wenn Ehe und Familie auch nicht vom großen Erwachen der Frauen hinweggefegt
wurden, so waren sie doch beträchtliche Veränderungen unterworfen. Die rechtlichen
Umwandlungen können dafür als Beispiel dienen: eine der augenscheinlichsten
Errungenschaften aus der Regierungszeit von Zentrumspartei und Sozialisten liegt
in den neuen Gesetzen, welche die Scheidung und das Recht auf Abtreibung regeln.
In beiden Fällen mußte zäh verhandelt werden, um die lautstarke Opposition der
katholischen Kirche zu überwinden, angestiftet von der parlamentarischen Rechten,
sowie den Widerstand bedeutender gesellschaftlicher Kräfte. Die neue Gesetzgebung
fällt also, um einen genügend großen Konsens erzielen zu können, weniger radikal
aus, als es die Feministinnen und die unnachgiebigsten Verfechter des Laizismus
forderten. Ihre Anwendung hat es erlaubt, Zuständen ein Ende zu bereiten, die
unentwirrbar geworden waren, in einer Zeit, in der das Gesetz nur die kirchliche
Heirat kannte; aber nach einigen Jahren stellte sich heraus, dass die Institution
Ehe widerstandsfähig genug war, um die Zahl der jährlich ausgesprochenen Scheidungen
die Zwanzigtausendergrenze nicht überschreiten zu lassen. Wenigstens hat die
Ehe aufgehört, ein abgeriegeltes Gefängnis zu sein. Ganz Spanien konnte sich
davon überzeugen an jenem Tag, da Francos eigene Enkelin ihr entkam! Man muß
dazu sagen, dass deren Ehestreitigkeiten und Seitensprünge erhebliches Aufsehen
erregten, genauso wie zu Lebzeiten ihres Großvaters ihre aristokratische Ehe
mit dem Cousin ersten Grades des Königs, Don Alfonso de Bourbon. Als Oberhaupt
des älteren Zweigs wurde er in den Stand eines Herzogs von Cádiz erhoben (aus
dem, das sei hier nebenbei erwähnt, irgendein windiger Schreiberling einen Anwärter
auf den Thron Frankreichs machen möchte). Auf die Gefahr hin, dass sich ihr Großvater,
der Caudillo, im Grabe herumdrehen würde, da er davon geträumt hatte, auf diese
Weise die Linie der Bourbonen-Franco zu gründen, hat Carmen Martínez Bordiú
so gründlicher als jede andere ein unverrückbares Tabu beseitigt; und zwar dadurch,
dass sie eine legitime - zweite - Ehe mit einem französischen Antiquitätenhändler
einging! Man wird immer nur von seinen eigenen Leuten verraten ...
Stärker noch als durch die Scheidung erschütterte zweifellos die Verbreitung
der Geburtenkontrolle weibliches Selbstverständnis und Eheleben. Es versteht
sich von selbst, dass gerade die Abtreibung, berechtigterweise, die schlimmsten
Gewissenskonflikte hervorrief. Die Warnungen der Kirche stoßen auf ein breites
Echo in einer Bevölkerung, für die das Neugeborene ein Geschenk des Himmels
ist. Der heimliche oder erklärte Widerstand zahlreicher Ärzte erklärt das Zögern
oder sogar die Hemmungen, die der vollen Anwendung des Gesetzes von 1983 entgegengebracht
werden, was verzweifelte Frauen noch heute dazu zwingt, sich an Kliniken in
London oder Casablanca zu wenden. Zum Glück liegt es im wesentlichen am Fortschritt
bei den Verhütungsmethoden, dass die ungewollten Schwangerschaften zahlenmäßig
sanken. In diesem katholisch geprägten Land waren die Strafreden der Bischöfe,
selbst durch die scharfen Verweise von Johannes Paul II. noch verstärkt, nicht
in der Lage, diesen Rückgang aufzuhalten. Es genügt, die fieberhafte Tätigkeit
in den modernen centros de salud zu beobachten, mit denen sich alle einigermaßen
großen Städte ausstatteten, und wo jede Frau aus der ganzen Palette von Verhütungsmitteln,
wie Pille, Pessar, Spirale, usw. wählen kann. Darin liegt nichts, was uns befremden
könnte, es sei denn vielleicht eine kaum verborgene Vorliebe für die Verhütung
durch den Mann. Die Reihe ist nun endlich einmal an ihn gekommen, sich vorsorgend
zu zeigen! Sind nicht schon Volksfeste, wie die Sanfermines von Pamplona, zum
Anlaß genommen worden, im Namen der Aids-Vorsorge eine spektakuläre Verteilung
von Kondomen an alle Teilnehmer vorzunehmen, zum großen Ärger des Bischofs der
navarresischen Hauptstadt? Aber eine Methode überrascht uns vor allem: einmal
durch die Reklame, die dafür gemacht wird, und zum anderen durch den Erfolg,
den sie verbuchen konnte, und das ist die Vasektomie, die Sterilisation beim
Mann. Auch wer über die Entwicklung der spanischen Sitten genau unterrichtet
ist, wird doch nicht umhinkommen aufzuschrecken, wenn er die Anzeige eines spezialisierten
Zentrums entdeckt, das diesen Eingriff zu einem niedrigen Preis durchführt,
und das ganze in den Spalten einer so ehrwürdigen Zeitung wie El Norte de Castilla!
Man könnte glauben, dass im Land der machos die Männer bereit sind, ihre männliche
Unversehrtheit für den unaufhaltsamen Aufstieg der Frau zu opfern!
Nichts ist so aussagekräftig wie nackte Zahlen, um die massiven und plötzlichen
Folgen der freiwilligen Geburtenkontrolle zu ermessen, denn in gerade mal zehn
Jahren sank die spanische Geburtenrate drastisch, früher eine der höchsten in
Europa, und mittlerweile eine der niedrigsten, wobei im Jahr auf tausend Einwohner
weniger als zwölf Geburten kommen - fast so wie in Deutschland. Im übrigen genügt
es, die Feste oder die öffentlichen Parks, die Strände und die sonntäglichen
Ausflugsziele aufzusuchen, um sich bestätigen zu lassen, dass die Großfamilie
eine aussterbende Gattung ist. Vorbei die Zeiten als sich die Spanier noch über
das Einzelkindphänomen mokierten!