Villas und Nudelstil
Villas und Nudelstil
Wirklich Sehenswert
Südliches 16. Arr.
Das Bild des 16. Arrondissements wird im nördlichen Teil von gepflegten Avenuen mit mehrstöckigen, repräsentativen Wohnhäusern geprägt. In der Regel bewohnt man eine ganze Etage mit dazu gehöriger Mansarde für die Bonne, heute oft als Studentenzimmer vermietet. Daneben sind stattliche Palais erhalten, die im Inneren teilweise raffinierte, den Bedürfnissen der Singlegesellschaft angepasste Aufteilungen erfahren haben. Soweit der elegante Part, Passy. Dann ist da noch der aus dem Dorf Auteuil herausgewachsene, ländlich-charmante südliche Teil. Üppig begrünten Privatstraßen (Villas) und Weiler (Hameau) künden von einer beschaulichen Vergangenheit. Manchmal verbieten geschlossenen Tore den Zugang, aber diskret gelingt hier und da ein Blick auf die so wenig hauptstädtische Idylle. Entstanden sind diese romantischen Domizile durch die Parzellierung großer Adelssitze.
Von der Metrostation Exelmanns bietet sich zunächst ein Abstecher zum Cimetière d`Auteuil an. Vorbei an monumentalen oder auch rührenden Grabdenkmälern (s. "Freizeit") verlassen wir ihn am Ausgang zur av. de la Frillière. Wir wenden uns zur rue Claude-Lorrain, biegen bei Nr. 25 rechts in die av. Georges-Risler ein und sind im Herzen der 67 einstöckigen Häuser und ihrer gepflegt/wilden Gärten angelangt. Villa Meyer, Villa Cheysson, Villa Dietz-Monin, heißen die Straßen, Hortensien und Efeu wuchern, Kletterrosen und betagte Kirschbäume erblühen im Frühling, über die schmalen, gepflasterten Sträßchen hinweg reichen sich die Bäume die Hände. Dass alles so intakt ist, liegt daran, dass per Denkmalschutz jegliche sichtbaren Veränderungen an Häusern und Gärten untersagt wurden.
Über die rue Claude Terrasse durchstreifen wir weitere Villas (Sommeil, Dufrèsne, Murat, Charles Tellier, du Baigneur), um uns dann nach Norden zum bd. Exelmans zu wenden. Die Privatsträßchen garnieren das 16. Arr. wie Trüffel die Gänseleber, nach wenigen Schritten erreichen wir schon den Hameau Boileau, und die beiden Sackgassen Voltaire und Racine.
Nach dieser Idylle hält das 16. Arr. weitere, eher extravagante architektonische Besonderheiten bereit. Die rue Lafontaine (Metro Michel-Ange-Auteuil) bietet eine Anhäufung von Häusern des Architekten Hector Guimard. Er ist der wichtigste Repräsentant des Jugendstils in Frankreich. Jeder kennt seine Eingänge zu Metrostationen (Porte Dauphine, 16. Arr.; Anvers, 18. Arr.). Bei Nr. 26 rue Lafontaine zweigt die rue Agar ab, hier ist die Lust am Nudelstil mit Guimard durchgegangen: sogar die Regenrinnen der Häusergruppe ist noch schwülstig geschwungen.
Der i-Punkt ist und bleibt aber die Nr. 14, rue Lafontaine: das Castel Béranger (1898). Die Fassade scheint von Traumwelten à la Harry Potter inspiriert. Ziehen an einer Ecke Chimären dem Betrachter Grimassen, so versöhnen gleich daneben sanfte Wellenlinien oder florale Motive das Auge. Sogar die Karikatur Hector Guimards wurde in einem Balkongeländer versteckt. Obwohl das Haus als Sozialbau geplant war, legte Guimard seine ganze Phantasie in die Details. Höchstpersönlich entwarf er die Regenrinnen, Gitter und Geländer, Türknäufe, Möbel und sogar ein Besteck, nur für dieses Gebäude. Es hat sich gelohnt: wie über der Eingangstür zu lesen ist, wurde das Meisterwerk dann auch bei einem Fassadenwettbewerb ausgezeichnet. Die Anwohner tauften das Traumschloß Castel Dérangé, verwirrtes Schloss.
Wer immer noch Lust hat weiter zu entdecken, begibt sich durch die bucklige rue Berton zum Hintereingang des Hauses, in dem Honoré de Balzac einst wohnte (s. "Freizeit"),.