Stadtgeschichte
Von einer Jurtenstadt zur Industriemetropole
Entwicklung Ulaan Baatars
Historiker gliedern die Entwicklung der Stadt in fünf Perioden: Urga (Prunkzelt) 1639-1706, Ich Churee (Großes Kloster) 1706-1778, Ich Churee Choto (Stadt des Großen Klosters) 1778-1911, Niislet Churee (Residenzkloster) 1911-1924, Ulaan Baatar Choto (Stadt des Roten Helden) seit 1924.
Ulaan Baatar wurde 1639 vom einflußreichen Chalcha-Fürsten Tushet Khan Gombodorsh als Kloster gegründet. Zum ersten buddhistischen Kirchenoberhaupt (Bogdo-Gegeen) ernannte Tushet seinen damals fünfjährigen Sohn Zanabasar. In den ersten 140 Jahren wechselte das Kloster ähnlich den nomadisierenden Araten und den anderen lamaistischen Klöstern oft den Standort. Erst 1778 wurde es am Nordufer des Tuul gegenüber dem Bogd Uul (Götterberg) ortsfest. Nun entwickelte sich daraus die Klosterstadt Urga.
Klöster und temporäre Nomadenlager waren Jahrhunderte hindurch die einzigen Siedlungen der Mongolei. Der einzige Ort, der es in Einwohnerzahl und Umfang vielleicht mit der Hauptstadt aufnehmen konnte, war Karakorum, die seit dem 15. Jh. verfallene Residenz Dschingis-Khans.
Entwicklung zur Grossstadt
Eine erste Modernisierung der vollständig von Lamas, chinesischen und russischen Kaufleuten beherrschten Stadt setzte nach 1924 ein, als Urga in Ulaan Baatar umbenannt wurde. Dieser Name sollte an die kommunistischen Revolutionäre und an den 1923 ermordeten Volkshelden Suchbaatar erinnern, die die Mongolei in eine Volksrepublik sowjetischer Prägung umgeformt hatten.
Zunächst noch sehr bescheiden wurde mit der Errichtung von Regierungs- und öffentlichen Gebäuden begonnen. Es folgten Industriebetriebe, in denen tierische Rohstoffe weiterverarbeitet wurden, und die ersten Wohnhäuser.
Die Entwicklung zur modernen Großstadt setzte jedoch erst zu Beginn der fünfziger Jahre ein und machte besonders ab 1960 rasche Fortschritte. Die Sanierung der alten Stadt schritt vom Stadtkern aus nach den Außenbezirken fort. Die fundamentlosen, durchgehend eingeschossigen Lehmbauten mit ihren palisadenartigen Umfriedungen wurden straßenweise beseitigt. An ihre Stelle traten mehrgeschossige Wohnhäuser, Dienstleistungsgebäude und breite asphaltierte Straßen. Nun wurde die Stadt nach allen Seiten, inbesondere aber in ihrer Ost-West-Erstreckung, beachtlich erweitert.
Von den alten Stadtteilen blieben nur noch im Gandanviertel größere Komplexe erhalten.
Bevölkerungswachstum
Die rasche Entwicklung bewirkte auch eine schnelle Zunahme der Wohnbevölkerung. Während um 1918 in der »Residenzstadt« des Bogdo-Gegeen mit Klöstern, Chaschaas und Jurtensiedlungen knapp 30.000 Menschen wohnten, waren es 1960 schon über 164.000. Im Jahre 1982 wurden rund 461.000, 1990 dann 620.000 gezählt.
Dieser sprunghafte Anstieg in den letzten drei Jahrzehnten ist vor allem durch einen kräftigen Zuzug junger Menschen vom Lande und eine hohe Geburtenrate bedingt. Um das weitere Wachstum annähernd mit den ökonomischen Bedingungen in Einklang zu bringen, wird seit einigen Jahren versucht, den Zuzug staatlich zu regulieren. Der Generalplan zur Stadtentwicklung bis zum Jahre 2000 geht dabei von 600.000 Einwohner aus.
Moderne Zeiten
Während die Jurte aus der Stadtmitte verschwand, trifft man sie am Stadtrand noch häufig an, insbesondere im Sommer, wo sich um die Stadt ein regelrechter Kranz von Jurtenkolonien zieht. Viele Familien verlassen ihre Wohnungen nach den Staubstürmen und Spätfrösten im Frühjahr, um den Sommer von Juni bis Ende August vor der Stadt in der Jurte zu verbringen. Aus der ständigen Wohnstätte der Araten wurde das mongolische »Wochenendhaus«.
Dem Umbau der alten Stadt folgte ab 1956 der Aufbau eines ausgedehnten Wasserleitungs-, Kanalisations- und Fernheizungsnetzes. Infolge des langanhaltenden, strengen Winters müssen alle Systeme tief im Boden verlegt bzw. gut isoliert werden, da der Frost mitunter mehr als drei Meter in den Untergrund eindringt. Die extremen Außentemperaturen erfordern zudem in den Wohngebäuden ein leistungsfähiges Fernheizsystem und gute Wärmedämmung.
Parallel zur technischen Infrastruktur wurde ein asphaltiertes Straßennetz angelegt, das den Ansprüchen eines modernen Großstadtverkehrs auch in der Zukunft gewachsen sein soll. Der Nahverkehr erfolgt seit Mitte der fünfziger Jahre über Autobuslinien, die das Zentrum mit den Außenbezirken verbinden. Im Sommer werden die Buslinien zu den temporären Jurtensiedlungen am Stadtrand verlängert.