Aimak Bajan-Ölgii
Aimak Bajan-Ölgii
Irreführender Name
Bajan-Ölgii heißt »reiches Land«. Diese Provinz ist in mehrfacher Beziehung etwas Besonderes. Sie bildet den äußersten Westen der Mongolei, hat als einzige neben Dornod Grenzen zu Rußland und China, zählt zu den kleinsten Aimaks (46.000 qkm), besteht fast nur aus kargem Hochgebirge, wird fast nur von Kasachen bewohnt und hat mit der höchsten Arbeitslosigkeit und starker Abwanderung zu kämpfen. Reiches Land?
Kasachstan in der Mongolei
Unter den 100.000 Provinzbewohnern bilden Kasachen mit 95% die überwältigende Mehrheit. Daneben gibt es Tuwiner, Chalcha, Durbeten und Urianchai. Die Kasachen kamen erst um 1840 in die Provinz Chandmani, um hier im Sommer ihre Schafe zu weiden. Den Winter dagegen verbrachten sie in Kasachstan oder Xinjiang.
Als nach der mongolischen Revolution von 1921 schwerbewachte Grenzen zwischen der Mongolei, China und Rußland gezogen wurden, blieben viele Kasachen in der Mongolei. 1931 wurde Chandmani in die drei neuen Aimaks Bajan-Ölgii, Chowd und Uws geteilt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Gründung der Republik Kasachstan zogen viele mongolische Kasachen in die Heimat ihrer Vorväter.
Gebirge
Große Teile des Aimak werden vom Mongolischen Altai eingenommen. Viele der über 4000 m hohen Gipfel sind mit ewigem Schnee und Gletschern bedeckt, was der Region den Beinamen »Tibet der Mongolei« eintrug.
Zu den höchsten Gipfeln gehören der Tawan Bogd (4374 m) im Dreiländereck Mongolei-Rußland-China, der Mönch Chairchan (4204 oder 4362 m) im Süden an der Grenze zum Aimak Chowd und der Tsast (4208 m) im Osten. Die Gebirge werden von zahlreichen Tälern mit steil abfallenden Hängen durchschnitten. Daneben gibt es weite Hochflächen mit saftigen Weiden.
Durch zahlreiche Täler schlängeln sich Flüsse und Flüßchen, von denen der Chowd Gol der bedeutendste ist. Im Norden und im Zentrum des Aimaks findet man mehrere Seen mit kristallklarem Wasser.
Flora & Fauna
Trotz spärlichen Baumwuchses ist die Tierwelt in der Provinz mit vielen Arten vertreten. Neben Bären, Schneeleoparden, Wildkatzen, Luchsen, Zobeln, Hermelinen, Wölfen, Füchsen, Murmeltieren, Hasen und Zieseln leben hier Biber, Fischotter, Bergschafe und -ziegen. Die Vogelwelt ist vor allem durch Adler und Habichte, Altaitruthühner, Fasane und Steppenhühner vertreten.
In Flüssen und Seen kommt neben dem Kaulbarsch auch der Altaigelbfisch vor. Die Einheimischen fangen die Fische mit Schleppnetzen.
Wirtschaft
Wie üblich sorgt die Viehzucht fürs Überleben. 1995 wurden rund 1,1 Millionen Ziegen, Schafe, Pferde, Kamele und Yaks gezählt. In einigen Flußtälern wird Getreide angebaut. Einzige Industriebetriebe sind eine Wollwäscherei und ein Wärmekraftwerk in der Hauptstadt Ölgii.
Seit 1991 haben unternehmungslustige Kasachen kleine Betriebe in ihren Wohnungen gegründet, in denen Textilien, Schuhe, Teppiche und Möbel hergestellt werden. Als Hoffnungen gegen die dramatische Arbeitslosenrate gelten der Abbau von Silbervorkommen und der Fremdenverkehr.
Verbindungen
Zwischen Ölgii und Almaty (Kasachstan) bestehen direkte Flug- und Busverbindungen. Neben der Transsibirischen Eisenbahn bietet sich neuerdings die Bahnstrecke Moskau-Almaty als Alternativroute von Europa in die Mongolei und nach China an.
Die Blauäugigen aus dem Westen
Das Leben der kasachischen Mehrheit in der Provinz Bajan-Ölgii war nie ungetrübt daran hat sich auch nach der »Wende« der letzten Jahre nichts geändert. 1992 besuchte der kasachische Premierminister Tereschtschenko seine Landsleute im Aimak Bajan-Ölgii. Mit der Feststellung, Kasachstan sei die Heimat aller Kasachen, bekräftigte er die Politik seines Präsidenten Nasarbajew, der Kasachen in anderen Ländern zu einer Übersiedlung nach Kasachstan auffordert. Seither sind über 20.000 Kasachen ausgewandert (Bajan-Ölgii ist der einzige Aimak mit Bevölkerungsschwund), ebensoviele gingen Arbeitsverträge in Kasachstan ein, viele besuchten ihre Verwandten jenseits der Grenze oder handeln nur in Kasachstan.
Zwischen Bajan-Ölgii und der kasachischen Hauptadt Almaty gibt es inzwischen Direktflüge und Linienbusse. 1993 wurde sogar eine direkte Telefonverbindung eingerichtet, während man nach Ulaan Baatar umständlich mit Hilfe der Telefonvermittlung telefonieren muß.
Andere Sprache: Nur wenige Kasachen sprechen Mongolisch; Kasachisch, dem Türkischen verwandt, ist die zweite Amtssprache der Provinz. In allen Grund- und den meisten Sekundärschulen wird auf kasachisch unterrichtet, in dieser Sprache erscheinen Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, werden Rundfunk- und Fernsehsendungen ausgestrahlt, spielt regelmäßig auch das Theater im Aimakzentrum Ölgii.
Mongolen aus anderen Provinzen kommen sich in Bajan-Ölgii oft wie im Ausland vor. Sie werden kaum verstanden, verstehen ihrerseits die Einheimischen nicht und fallen auch rein äußerlich sofort auf. Kasachen haben oftmals blaue Augen, gelegentlich blonde Haare und eine weniger ausgeprägte Mongolenfalte.
Andere Schrift: Wie die Mongolen benutzen auch Kasachen derzeit noch kyrillische Schriftzeichen. Doch das wird sich in absehbarer Zeit ändern. Während die Mongolen bereits zu ihrer alten Schrift zurückgekehrt sind, wollen die Kasachen ihr traditionelles, auf arabischen Vorbildern fußendes Alphabet mit 42 Buchstaben neu einführen.
Seit einigen Jahren kann man in Bajan-Ölgii bereits Zeitungen und Bücher in der traditionellen Schrift kaufen. In der Regel handelt es sich aber noch um Importe aus Kasachstan.
Andere Religion: Der Islam gewinnt seit 1991 wieder Einfluß unter den Kasachen in der Mongolei. In sozialistischer Zeit waren alle Moscheen der Provinz zerstört worden. Inzwischen sind wieder zahlreiche neue Gotteshäuser entstanden. 1992 unternahmen zahlreiche Kasachen erstmals seit 66 Jahren wieder eine Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch). Der Flug für die zwischen 66 und 86 Jahre alten Pilger wurde von der Moslemischen Weltliga und vom saudi-arabischen Pilgerministerium finanziert.