Tuwinische Republik

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Tuwinische Republik

Heimat der Turk-Tataren

Tuwa – die sibirische Mongolei? Die autonome Republik innerhalb der Russischen Föderation ist ein sehr schönes und sehr eigenartiges Fleckchen. Keinesfalls mehr Sibirien, aber noch nicht Mongolei. Auf 170.500 qkm, knapp der halben Fläche Deutschlands, leben im Süden des Transsib-Abschnitts Nowosibirsk – Taischet 310.000 Einwohner weitgehend wie die Nachfahren Dschingis Khans.

Zwei Drittel der Bevölkerung sind Tuwinen (Turk-Tataren). Sie sprechen Tuwinisch, eine Turksprache, und sind nomadische Viehzüchter und Jäger, im Süden auch Ackerbauern. Auf den Sommerweiden finden sich zwischen den Jurten Yaks, Kamele, Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen, im Osten sogar Rentiere.

Tuwinen hängen mehrheitlich dem Gelbmützen-Lamaismus an und erkennen seit dem 18. Jh. im Dalai Lama ihren geistigen Führer. Der jetzige (vierzehnte) Dalai Lama besuchte Tuwa seit 1992 zweimal. Bis 1929 bestanden landesweit 22 lamaistische Klöster mit 10.000 Mönchen. Doch wie bei den Mongolen, mit denen weitgehende kulturelle Gemeinsamkeiten bestehen, hat sich auch der Schamanismus erhalten. Um 1930 waren über 700 Schamanen bekannt, fast die Hälfte davon Frauen.

Tuwinen kommen als kleine Minderheit auch in der Mongolei, namentlich im Aimak Chuwsgul, vor. Gelegentlich wird auf beiden Seiten der Grenze der Wunsch nach »Wiedervereinigung« laut. Doch ist sie angesichts der völligen wirtschaftlichen Abhängigkeit Tuwas von Moskau ebenso utopisch wie seine vollständige Unabhängigkeit.

Neben den Tuwinen leben in der Republik fast 100.000 Russen. Ihre Zahl nimmt seit der immer eigenständigeren Politik Tuwas konstant ab.

Neben dem Bergbau ist die Viehzucht der Halbnomaden der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Tuwa zählt zu den ärmsten Gebieten in der Russischen Föderation.

Geschichte

Tuwa ist seit dem Paläolithikum besiedelt und spätestens seit dem 3. Jh. vor Chr. ein Spielball unterschiedlichster Mächte gewesen. Bis zum 2. Jh. nach Chr. wurde das abgeschiedene Gebiet von den Xiongnu (Hunnen) beherrscht. Im 6. Jh. folgte das alttürkische Großreich, im 8. Jh. die Uighuren, im 9. Jh. die Kirgisen. Nachdem Dschingis Khan das Land 1207 erobert hatte, blieb es bis über fünf Jahrhunderte lang unter mongolischer Herrschaft.

Seit 1757 gehörte Tuwa nominell zum chinesischen Reich, wurde von Peking in seiner Eigenbrödelei aber kaum gestört. Seit dem 19. Jh. hatten sich zwischen den Tuwinen immer mehr russische Kaufleute, Bauern und Goldschürfer niedergelassen. Die Wirren nach der chinesischen Revolution von 1911 nutzten sie 1914 zur Verhängung des russisches »Protektorats« über Tuwa.

1921 entstand auf Geheiß der neuen, sowjetischen Machthaber die Volksrepublik Tannu-Tuwa, die dem Kreml allerdings schnell durch allerlei Mätzchen auffiel. Tuwas Volksregierung setzte sich für die Wiedervereinigung mit der Mongolei ein, machte Mongolisch zur Amtssprache und den Lamaismus zur Staatsreligion. Damit hatte Stalin endgültig die Faxen dicke. 1929 wurde ein zuverlässiger kommunistischer Regierungschef eingesetzt. Er mußte Tuwinisch zur Amtssprache erklären, später auch noch Kyrillisch zur offiziellen Schrift und trotzdem 1944 alle Autonomierechte an Moskau abtreten. Dafür erhielt Tuwa von Stalin die Ehre eines »autonomen Gebiets innerhalb der Russischen Sowjetrepublik«.

Unter Chruschtschow stieg Tuwa 1961 zur Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik auf. Dennoch bleibt die Bilanz der Sowjetherrschaft mager: mißglückte Kollektivierungen, Verfolgung von Lamas und Schamanen, hastige Industrialisierung und starke russische Zuwanderung. Seit 1991 ist Tuwa eine Republik in der Russischen Föderation. Arm aber autonom.

Landeskunde & Vegetation

Tuwa ist das Land der Berge. Es wird umzingelt vom Westlichen und Östlichen Sajan im Norden, vom Altai im Westen, vom Tannu-Gebirge im Süden und einigen zerfledderten Höhenzügen im Osten. Die selten durchbrochenen Ketten der 2000 bis 2972 m hohen Gipfel umschließen das Tuwinische Becken(600 bis 900 m), in dem fast alle Städte zu finden sind. Dem kaum besiedelten Osten entspringen der Große und der Kleine Jenissei (Bolschoi und Mali Jenissej), die sich durch das Tuwinische Becken schlängeln und in Kysyl vereinigen.

Das Klima ist extrem kontinental mit langen, sehr kalten Wintern und kurzen, heißen Sommern.

Tuwa wird vom Übergang von sibirischer Taiga zu mongolischer Steppe geprägt. Im Tuwinischen Becken sind vor allem sanfte, saftiggrüne Hügelketten und Ebenen, aber auch schon Halbwüsten zu sehen. Eingerahmt wird dieses Steppengefühl von endlosen Bergwäldern (vor allem Arven), die etwa die Hälfte der Landesfläche einnehmen.

Die Arven oder Zirbelkiefern werden bis zu 20 m hoch, über 1000 Jahre alt und sind im östlichen Sibirien wie in den Alpen zu finden. In dickschuppigen Fruchtzapfen sitzen eßbare Samen, die Zirbelnüsse. Das weiche Holz der Arve wird besonders für Möbel und Schnitzereien verwendet.

Reisen in Tuwa

Tuwinen zählen zu den gastfreundlichsten Völkern im Vielvölkerverband der Russischen Föderation. Wer auf der Reise durch die russische Seele etliche Aggressionen aufgestaut hat (was durchaus vorkommen soll), wird hier den Glauben an das Gute im Menschen wiederfinden.

Tuwa ist der Moskauer Zeit um vier Stunden voraus. Für einen Besuch benötigt man nur das russische Visum. Allerdings ist es kein Fehler, wenn darin auch Kysyl als Zielort vermerkt wird.

In vielerlei Hinsicht erinnert Tuwa mehr an die Mongolei als an Rußland. Das gilt für Glauben, Gebräuche, Gastfreundschaft und das dreitägige Naadam-Fest im Juli, mit Pferderennen, Ringen und – nein, nicht Bogenschießen sondern Obertongesang. Das gilt aber besonders für das Vorwärtskommen.

Es gibt keine einzige Bahnstrecke und nur wenige Fernstraßen, die nicht als dürftig zu bezeichnen wären. In Tuwa wie in der Mongolei kann Treibstoffknappheit das wichtigste Verkehrsmittel, den Flieger, aus dem Plan werfen. Allerdings sollte in der Hauptstadt mühelos ein Fahrer zu finden sein, der gegen frei zu verhandelnde Bedingungen sein Fahrzeug und seine Dienste für einige Tage zur Verfügung stellt.

Nur zwei Straßen arbeiten sich durch das Tannugebirge in die Mongolei vor. Die Grenzübergänge liegen bei Erzyn, südlich von Kysyl, und bei Chandagayty im Südwesten, sind wie die hinführenden Sraßen auf mongolischen Karten gar nicht verzeichnet, nur für Trucks geöffnet und für Touristen offiziell geschlossen. Wer sein Glück dennoch versuchen möchte und ein mongolisches Visum besitzt, kämpfe besser in Kysyl als an der Grenze um die Ausreiseerlaubnis.