Die spanischen Inseln
Die spanischen Inseln
Spanien besteht jedoch nicht nur aus der iberischen Halbinsel, sondern auch
aus den eine Welt für sich bildenden und durchaus eine eigene Anziehungskraft
besitzenden spanischen Archipelen. Die Balearen bleiben allerdings zumindest
geologisch gesehen ein naher Verwandter des Festlandes, denn die Berge dort
verlängern das Betische Gebirge. Auch was die Bewohner betrifft, kann man eine
Beziehung herstellen, denn seit der Wiederbevölkerung durch Siedler aus Katalonien
und Valencia ist der Dialekt auf Mallorca zu einer Variante des Katalanischen
verkümmert. Klima, Landschaften, Kathedrale und die herrschaftlichen Paläste
in Palma de Mallorca kommen demjenigen, der die Festlandküsten bereist hat,
keineswegs fremd vor. Die Mannigfaltigkeit der Inseln entspricht der des Festlandes:
von niedrigen Steinmauern umgebene Weiden, auf denen die Kühe Menorcas grasen;
die zerklüfteten Gipfel der Bergkette, welche die weite bewässerte Ebene auf
Mallorca vor dem Nordwind schützt; von Schluchten durchzogene Kalksteinhügel
im Süden der Insel sowie auf Ibiza, die jedes Jahr im Februar von den Mandelbäumen
mit einer weißen, wie Schnee wirkenden Decke überzogen werden - um nur einige
der verschiedenen Gesichter dieser Inselgruppe zu beschreiben, die zusammen
mit dem einladenden Strand den ungeheuren Ansturm der Touristen seit den sechziger
Jahren verständlich machen.
Die Verbindung zwischen den Kanarischen Inseln und Spanien dagegen ist weniger
der Natur als dem menschlichen Willen zu verdanken. Diese Vulkaninseln vor der
afrikanischen Küste gehören seit Anfang des 15. Jahrhunderts zum kastilischen
Machtbereich, als Folge der waghalsigen Eroberung durch den normannischen Edelmann
Jean de Béthencourt. Dessen Eroberung stellte einen ersten Schritt Kastiliens
in Richtung Atlantik dar, woraus sich für Kolumbus ein wichtiger Anlaufspunkt
bei seiner Fahrt von der alten Welt ins Ungewisse ergab. Der majestätische Kegel
des Teide, eines Vulkans und gleichzeitig mit seinen 3700 Metern höchster Berg
Spaniens, ist in atlantischen Nebel gehüllt und begrüßt den Besucher bei guter
Sicht schon von weitem. Die Fruchtbarkeit der Böden erklärt die verblüffende
Vielfalt der Vegetation, einer Mischung aus europäischen und exotischen Pflanzen,
wie Bananen oder Zuckerrohr. Schier unermüdlich läßt sich das Land dort zwei
bis drei Ernten pro Jahr abringen. Für den Reisenden bleiben diese begünstigten
Inseln, die für die Menschen der Antike das Ende der Welt bildeten, ein paradiesischer
Ort. Aber wie sieht es für die Anwohner aus? Die zahlreichen Hilfsmittel eines
ausgeklügelten Anbausystems erweisen sich heutzutage zur Ernährung einer Bevölkerung,
deren Ziffer explosionsartiger nach oben schnellt als die Lava der Vulkane:
fast 1,5 Millionen Einwohner! Die traditionellen Nebeneinnahmen durch Handel
- und auch durch Schmuggel - sind sicherlich nicht zu unterschätzen: die Kanaren
bilden eine Freizone, in der keine Zölle anfallen, wodurch man dort japanische
Waren zu Traumpreisen erstehen kann. Dennoch ist Auswandern für viele der einzige
Ausweg. Und die sich verschlimmernde wirtschaftliche Lage ruft gleichzeitig
bei der Jugend ein kulturelles Unbehagen hervor: wenn die Bevölkerung sich auch
in weiten Teilen aus spanischen Einwanderern zusammensetzt, so bleiben doch
die ethnischen Spuren der Einheimischen, den geheimnisvollen Guanchen, den Berbern
bzw. Arabern nahestehenden Ureinwohnern, zurück sowie die unruhige Suche nach
einer kanarischen Identität.