Geschichte, Wirtschaft

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Nationalismus

Krieg und Frieden im Baskenland

In einem ganz anderen Zusammenhang äußern sich, vornehmlich seit den letzten fünfzig Jahren, die Forderungen der Basken. Ziel mehrerer Generationen von Nationalisten ist es, die drei Provinzen Vizcaya (Hauptstadt: Bilbao), Guipúzcoa (mit der Hauptstadt San Sebastián, auf Baskisch: Donostia) und Alava (Hauptstadt ist Vitoria, auf Baskisch Gasteiz genannt) zu einem souveränen Staat Euzkadi zusammenzuschließen, dem sich das benachbarte Navarra anschließen soll. Das Schicksal der Provinzen auf der französischen Seite des Baskenlands, Labourd, Soule und Nordnavarra, bleibt dabei offen. Das Baskenland ist überaus dicht besiedelt, wobei Spitzenwerte von bis zu dreihundert Einwohnern pro km² auf einer nur 7261 km² großen Fläche erreicht werden. Die alten Gebräuche sind dort noch nicht vergessen: die hochgelegenen Caseríos werden weiterhin landwirtschaftlich genutzt und in den pittoresken Küstenhäfen ernährt die Fischerei nach wie vor Tausende waghalsiger Seeleute, die sich - sehr zum Ärger ihrer französischen Konkurrenten - in den Gewässern des Golfs von Biscaya wie zu Hause fühlen. Die Industrie dagegen bestimmt das Leben in den Ballungsgebieten der Täler, von denen Bilbao nur das bedeutendste ist: Guipúzcoa und vor allem Vizcaya sind tatsächlich seit einem Jahrhundert Hauptzentren der spanischen Schwerindustrie. Hinzu kommt die Finanzkraft des baskischen Bürgertums und seiner Banken (Banco de Vizcaya, Banco de Bilbao), wodurch sich der beherrschende Einfluß auf das ganze Land ausdehnte. Die schon seit über hundert Jahren ergiebigen Eisengruben sowie Eisenindustrie, Chemie und Papiererzeugung haben ein Heer von Arbeitern angezogen, ein Großteil davon aus Kastilien. Diese hochgelegenen Industrieorte strecken ihre rußigen Mauern einem verdunkelten Himmel entgegen, in einer durch Auswüchse aller Art aus dem Gleichgewicht gebrachten Umwelt: die Flüsse, in denen einstmals die Forellen umhersprangen, sind heutzutage nur noch übelriechende, mit gelblichem Schaum verzierte Abwasserkanäle.

Wie auch andere europäische Gebiete mit veralteter Industrie, bekam das Baskenland die lange Wirtschaftskrise der siebziger Jahre schmerzlich zu spüren. Die Arbeitslosenquote stieg dort zu einer der höchsten Spaniens an. Produktion und Lebensstandard hingegen, einstmals im Baskenland dynamischer als sonstwo auf der Pyrenäenhalbinsel, machten eine Talfahrt durch. Praktisch von einem Tag auf den anderen fand sich das Zugpferd der spanischen Industrie weit abgeschlagen am unteren Ende der regionalen Rangliste wieder, wodurch sich ein unbestimmtes soziales Unbehagen verbreitete, das zu den in der Ära Franco lange Zeit unterdrückten kulturellen und politischen Aspirationen hinzukam. Hierbei nimmt das Sprachproblem natürlich auch eine zentrale Stellung ein. Baskisch ist präindoeuropäischer Herkunft und zugleich eine der ältesten lebenden Sprachen. Es hat sich in ländlicher Umgebung halten können, verlor aber in den Städten an Boden. Im Bereich der geschriebenen Sprache zogen die bedeutendsten Schriftsteller, wie z.B. Miguel de Unamuno und Pío Baroja, die kastilische Sprache vor. Im Unterricht bis vor kurzem völlig außer acht gelassen, hat das Baskische durch die Ikastolas, von militanten Nationalisten eröffnete Privatschulen, neue Impulse erhalten.