Das kaiserliche Spanien

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Spanien und Karl V.

Karl V., Enkel und Nachfolger der Katholischen Könige, lenkt das Schicksal dieser neuen Macht, indem er versucht, sie zur Gallionsfigur Europas zu erheben. Dieser flämische Prinz ist in Spanien ein Fremder. Da er von seinem Vater den burgundischen Staat Karls des Kühnen und die österreichischen Besitztümer der Habsburger erbte, kennt er weder Spanien noch dessen Sprache, als er dort 1517 an Land geht. Zum deutschen Kaiser mit anderer Zählung als Karl I. - erreicht durch Bestechung der Kurfürsten mit dabei einhergehender Verschuldung bei den Fuggern - gewählt, wendet er sich an Spanien, um die Mittel für den europäischen Auftrag zu erhalten, mit dem er sich betraut fühlt.

Dieser große Reisende wird später recht unauffällige Spuren auf spanischem Boden hinterlassen: hier und dort mit dem kaiserlichen Adler stolz verzierte Wappenschilde, unvollendete Paläste, wie der Alcázar in Toledo und der verblüffend italienisch wirkende Alhambra-Palast in Granada. Da lohnt es sich eher, ihn im kleinen Kloster von Yuste zu suchen, im Herzen des bukolischen Vera-Tals, wohin er sich zurückzog, sobald er abgedankt und auf seine umfassende Macht verzichtet hatte.

Dort meditiert er in seinem Sessel, der bewusst so gestaltet ist, dass sich sein nach den vielen Ausritten gichtgeplagtes Bein ausruhen konnte. Wie mag der Blick ausgesehen haben, den er von dort auf sein Reich warf? Ein zunächst störrisches Spanien, das niedergeworfen werden musste, als sich die Städte in Kastilien und Valencia erhoben hatten, dem Aufruf der Comunidades und der Germanías (Zunftbruderschaften) folgend. Als die Krise überwunden war, hatte das unterworfene Land ohne Murren Intendantur und Truppen für die meisten kaiserlichen Unternehmungen geliefert: wie sollte man auch auf amerikanisches Gold und Silber und auf die in den Städten und Dörfern Kastiliens eingezogenen Steuern verzichten? Und hatte sich der spanische Soldat, Anstrengungen gewöhnt, nicht auf allen Schlachtfeldern von Italien bis Flandern durchgesetzt? Spanien hatte entschieden, zum kaiserlichen Traum eines einmütigen Europas beizutragen, einem Traum, der in Reichweite des triumphierenden Herrschers schien, den Tizian am Abend der Schlacht bei Mühlberg malte.

Golsströme aus Amerika und Verschleuderung

Spanien hat aber auch etwas als Gegenleistung erhalten: Der Prunk des flämischen Hoflebens hat das aristokratische Spanien erreicht, während im Klerus, unter den Intellektuellen und bis hinauf in die Umgebung des Monarchen der Humanismus von Erasmus die europäische Stunde einläutet. Aber die glänzende Fassade hat auch eine Kehrseite. Mangels eines genügend zahlungskräftigen, nationalen Bürgertums ist die Verschuldung der Staatskasse der Grund für die systematische Ausbeutung Spaniens durch das ausländische Großkapital - zuerst durch das deutsche der Fugger und Welser, dann durch das genuesische. Man glaubt sich in einer Szene der Commedia dell´arte: der stolze Herr des europäischen Schauplatzes läßt sich von seinen betrügerischen, aber eben unverzichtbaren Verwaltern ausnehmen! Und schon setzen sich neue Haltungen durch. In diesem Land, das mit mehr Gold in Berührung kommt, als jedes andere, neigt das Wertesystem dazu, die Eleganz beim Ausgeben dieses Goldes der Fertigkeit, Gewinn aus ihm herauszuholen, vorzuziehen, so wie dort die Taten auf dem Schlachtfeld mehr zählen als Erfolge im Geschäftsleben und aristokratische Ehre höher bewertet wird als Unternehmergeist.