Geschichte
Geschichte Griechenlands
Besonderheiten der griechischen Geschichte
Die Geschichte des modernen Griechenlands ist kaum zu verstehen, ohne auf gewisse Eigenheiten näher einzugehen, die über Jahrhunderte einen bestimmenden Einfluß auf die gesellschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung des Landes ausübten.
Griechenland ist das einzige europäische Land mit einer über dreitausend Jahre alten Kultur, zugleich aber mit einer staatlichen Vergangenheit, die nur anderhalb Jahrhunderte umfaßt. Hier handelt es sich um ein Faktum, das nicht aus den Augen verlieren sollte, wer die Tragweite politischer Erschütterungen und das Gewicht soziokultureller Konflikte im Land der Hellenen zu verstehen oder zu erklären versucht. Von Anbeginn seiner Unabhängigkeit (1827) bis 1981 wurde Griechenland - ohne nennenswerte Ausnahme - von konservativen, in Abhängigkeit der Großmächte befindlichen Parteien regiert, die mehr oder weniger treu deren Politik verfolgten. Eine Reihe bedeutsamer Reformen, in fast allen westlichen Staaten längst durchgeführt (Trennung von Kirche und Staat, Schulgeldfreiheit, Demokratisierung der Universitäten, allgemeine Einführung des bezahlten Urlaubs, Einrichtung einer Bauernrente, Sozialversicherung, usf.), konnten in Griechenland erst 1981 in Angriff genommen werden, als die sozialistische Regierung unter Andreas Papandreou die Macht übernahm.
Vier Jahrhunderte osmanischer Besatzung verhinderten, dass Griechenland an jenen Geistesströmungen teilhaben konnte, die von der Renaissance bis zum Beginn des industriellen Zeitalters das Abendland beherrschten. Vierhundert Jahre lang hatte das Volk der Griechen den Kontakt zu Denkern verloren, die es selbst hervorgebracht hatte. Während man in den westlichen Universitäten Aristoteles, Platon, Herodot und Thukydides studierte, kämpften die Griechen um den Erhalt ihrer Sprache, ihrer Identität und der Erinnerung an ihre Geschichte.
Als dann die türkischen Besatzer das Feld geräumt hatten, wurde Griechenland zum Spielball der Großmächte (England, Österreich, Frankreich, Rußland), denen an einer Kontrolle über die Dardanellen und das Ägäische Meer gelegen war und die ihre Interessen im östlichen Mittelmeerraum zu wahren trachteten. So befand sich das Land nach seiner Unabhängigkeit in den Klauen Österreichs, dann Englands und schließlich der der Vereinigten Staaten.
Erst seit 1967 (Rückgabe des Dodekanes durch Italien) besitzt Griechenland seine derzeitigen Grenzen! ... Während alle europäischen Staaten darangingen, die Trümmer des Zweiten Weltkriegs zu beseitigen, kämpften die Griechen noch für die Vollendung der territorialen Einheit in ihrer Heimat.
Anmerkungen zur politischen Ordnung
1974 beseitigte ein Plebiszit die Monarchie in Griechenland. Erster Ministerpräsident der neuen Republik wurde Konstantin Karamanlis, 1985 gefolgt von Christos Sartzetakis, dem Untersuchungsrichter in der Affäre Lambrakis (1963). Diese war durch den Film »Z« von Costa-Gavras bekannt geworden. Gemäß der Verfassung von 1975 wird der Staatspräsident für die Dauer von sieben Jahren vom Parlament gewählt, dem seinerseits die Regierung durch ein bestimmtes Abstimmungssystem verantwortlich ist.
Auf der Rechten beherrscht die Nea Dimokratia (Neue Demokratie) die politische Szenerie. Konstantin Karamanlis hatte diese Partei kurz nach dem Sturz der Obristen-Diktatur im Jahre 1974 gegründet.
Der Linken, genauer der PASOK (Panhellenischen Sozialistischen Bewegung), gelang 1981 die Übernahme der Regierungsverantwortung. Dominiert wird sie von der charismatischen Gestalt ihres Vorsitzenden Andreas Papandreou, dem es gelang, alle griechischen Sozialisten um ein Programm zu scharen, das sich soziale Gerechtigkeit und nationale Unabhängigkeit auf die Fahnen geschrieben hatte.
Die Kommunistische Partei zerfiel 1968, nach der sowjetischen Intervention in der Tschechoslowakei, in zwei Lager: die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) - sie verfolgt weiter einen orthodoxen Marxismus und erreichte bei den Wahlen 1985 elf Prozent der Stimmen - und die Kommunistische Partei »des Inneren« (mit einem Stimmenanteil von rund zwei Prozent), wo sich in erster Linie dem Eurokommunismus nahestehende Intellektuelle engagieren. 1987 fanden sich unter dem Dach dieser Partei mehrere linke Splittergruppierungen zusammen, um die Griechische Linke (Elliniki Aristera, EA) ins Leben zu rufen.