Lebendige Jahrhunderte
Lebendige Jahrhunderte
Historiker vertreten die Ansicht, die Ebene von Argolis sei bereits lange vor
dem Trojanischen Krieg Schauplatz unablässiger Kämpfe zwischen den achäischen
Städten um die Kontrolle der Meereszufahrten gewesen. Zur Zeit Homers hatten
alle diese Kriege bereits zur Herausbildung unzähliger Mythen, Epen und Legenden
geführt.
Mykene
Hat man jemals ein solches Natterngezücht gesehen wie die Familie der Atriden!
... Wieviel lauernder Haß, jahrelang brütende Rachegelüste, Verbrechen und Morde
an Vätern und Müttern! Alles begann mit Atreus und komplizierte sich mit Agamemnon
- König von Mykene und Anführer der achäischen Koalition gegen Troja - nachdem
dessen Schwägerin namens Helena von Paris geraubt worden war. In seine Heimat
zurückgekehrt, wird Agamemnon dann auch noch von Ägisth, dem Geliebten seiner
Gattin Klytämnestra, ermordet. Letztere büßte ihre Komplizenschaft, indem sie
von der Hand ihres eigenen Sohnes, Orestes, einen gewaltsamen Tod starb. Dahinter
steckte wiederum Elektra, die Schwester Orestes! Was Wunder, dass die Tragödiendichter
hier Stoff für universelle und unvergeßliche Lektionen in Psychologie fanden
...
Die Ankunft der Achäer soll ungefähr auf das Jahr 2000 v.Chr. zurückgehen,
den Beginn der Bronzezeit. Gegen 1300 hatte sich die Macht Mykenes vermutlich
auf ganz Argolis sowie einige Inseln im Ägäischen Meer ausgedehnt. Daher sein
Ruf als »an Gold reicher« Stadt, wie Homer formulierte. In der Folge von Auseinandersetzungen
um die Thronfolge indes, hervorgerufen durch den Tod Agamemnons, begann der
Niedergang. Dorische Besatzer sorgen für Ordung: die Männer »aus dem Norden«
mit ihren Waffen aus Eisen ließen Königspalast und die gesamte Stadt in Flammen
aufgehen. Im klassischen Zeitalter besaß Mykene dann nurmehr den Rang eines
Marktfleckens.
Steht man heute vor den steinernen Überresten der mykenischen Akropolis, vor
dem berühmten Löwentor, der Zyklopenmauer, dem Schatzhaus des Atreus oder dem
Grabmal Agamemnons, so fühlt man sich selbst unbedeutend, vom Gewicht der Jahrhunderte
erdrückt. Menschliche Leidenschaften, von denen diese Steine und Mauern Zeugnis
ablegen, gefiltert durch die Zeit und von Tragödiendichtern analysiert, sind
zu ewigen Prinzipien geworden.
Zahlreiche Busse verbinden Athen ohne Umsteigen in zwei Stunden mit Mykene;
Abfahrt meist in der Kifissou-Straße. Sichere Auskunft unter Telefonnummer 513-45-88.
Die täglich sechs Züge nach Argos gehen am Peloponnes-Bahnhof ab; in Argos Anschluß
per Bus nach Mykene.
Nauplion
Wer mit dem Wagen unterwegs ist, sollte sich einen Abstecher nach Nauplion
gönnen, die erste Hauptstadt Griechenlands nach der Unabhängigkeit. Die kleine
Sommerfrische mit ihren engen, malerischen Gäßchen kann mit einem hübschen Strand,
erstklassigen Fischrestaurants am Hafen, insbesondere einer Zitadelle - die
856 Stufen hinauf zur Palamidi verlangen einige Kondition - und der Festung
Akronafplia aufwarten. Wie einen Ausguck zu Füßen der Palamidi haben die Byzantiner
diesen Ort auf einer in die Bucht von Argolis hineinragenden Landzunge postiert.
Nauplion wurde reihum von Franken, Venetern und ... Sträflingen erobert, denn
es diente auch jahrelang als Strafkolonie.
Argos
Das als älteste Stadt auf dem griechischen Festland geltende Argos dürfte nur
leidenschaftliche Bewunderer mykenischer Geschichte in seinen Bann ziehen. Was
die recht unpersönliche und trübselige Ortschaft auszeichnet, ist die große
sommerliche Hitze - Argos liegt mitten in der Ebene von Argolis. Es ist daher
angebracht, sich schnurstracks zum Theater- und Museumsviertel, vis-à-vis der
agora von Argos, zu begeben. Die Sammlungen im Museum, von der Französischen
Schule zusammengetragen, gewähren einen Einblick in das Alltagsleben vom achten
bis sechsten vorchristlichen Jahrhundert und vermitteln einen Eindruck davon,
wie die Stadt Argos zu Agamemnons Zeiten ausgesehen haben muß.
Sieben Kilometer von Argos lohnen die Zyklopenringmauern von Tiryns einen Kurzbesuch.
Pausanias, griechischer Geograph des 2. Jahrhunderts, verglich sie mit den ägyptischen
Pyramiden. Wer letztere bereits zu Gesicht bekam, wird zu dem Schluß kommen,
dass Pausanias hier ein wenig übertrieben hatte ...
Heilige Stätten
Epidauros
Epidauros, zweiundvierzig Kilometer von Argos und vierundzwanzig von Nauplion
entfernt, wenn man den Weg über Ligourio nimmt, läßt sich in die Rundreise ab
Athen einfügen. Von der »Europe in Five Days«-Methode sollte man Abstand nehmen:
wer nicht mehr als einen Tag erübrigen kann, hockt die ganze Zeit hinter dem
Steuer oder ... braucht schon einen Privathubschrauber. Am besten steuert man
zunächst Mykene an, nimmt kurz ein erfrischendes Bad bei Nauplion, verbringt
dort die Nacht, um am darauffolgenden Morgen nach Epidauros aufzubrechen.
Die von Kiefernwäldern umgebene Stätte zählt zu den meistbesuchten Griechenlands.
Diese Popularität verdankt sie zu gleichen Teilen dem berühmten antiken Theater
wie ihrer landschaftlichen Schönheit: ein Reich des sanften Lichts und der friedvollen
Ruhe. Es ist kein Zufall, dass die Griechen hier die heilige Stätte für den Gott
der Heilkunde, Äskulap, ansiedelten. Dessen Vater, Apollon, hatte ihn kurz nach
Geburt in die Obhut des Zentauren Chiron gegeben, eines namhaften Heilkundigen.
Der brachte seinem jungen Schüler die Eigenschaften der wildwachsenden Pflanzen
bei und weihte ihn in die wichtigsten Geheimnisse seiner Kunst ein.
Die Weisheit des Äskulap (»Asklepius« der Lateiner) ließ Epidauros in der Gunst
des Volkes steigen: bald mauserte es sich zum Kurort, ausgestattet mit Thermalbad
und Sanatorium. Den Kranken zwangen die heilkundigen Priester zunächst zum Fasten,
zur inneren Reinigung - im eigentlichen wie übertragenen Sinne. Sodann führte
ein asclepiade (Heiler) ihn zum abaton, eine Art Schlafsaal, wo er die Nacht
unter dem Einfluß von Heilkräutertees verbrachte - in Erwartung, es möge ihm
Äskulap erscheinen und Heilung bringen. Tags darauf deuteten Kundige die Traumgesichter
des Patienten und stellten ihre Verordnungen aus. Die Behandlung, eine Kombination
aus Pflanzentherapie und Psychoanalyse, konnte auch operative Eingriffe beinhalten,
wie die reiche Sammlung chirurgischer Instrumente im Museum beweist.
Die Gesundheit des Körpers ging aber stets einher mit jener der Seele. Dafür
liefert das Theater von Epidauros, das 14.000 Zuschauern Platz bot, den anschaulichen
Beweis. Das architektonische Meisterwerk entstand im vierten vorchristlichen
Jahrhundert nach Plänen und unter Aufsicht Polyklets des Jüngeren. Der Führer
macht sich einen Spaß daraus, Besuchern die hervorragende Akustik des Theaters
zu demonstrieren. Er läßt dazu mitten auf der Bühne eine Geldmünze fallen: trotz
des fast ununterbrochenen Zikadenkonzerts von den umliegenden Bäumen wird ein
jeder das Klimpern auch von den höchsten Rängen noch hören können.
Baden im Meer stand nicht im Verordnungsbuch der Klientel des Äskulap. Sie
haben aber Gelegenheit, diesen Programmpunkt aufzunehmen: nach Besichtigung
der antiken Stätten dazu die Strände von Palaia Epidavros oder Tolo ansteuern,
etwa zehn Kilomter südlich von Epidauros.
Bassae
Bei einem Besuch des Bassae-Tempels (Vasses auf Neugriechisch) im westlichen
Zentralpeloponnes, im Herzen Arkadiens also, tritt Ihnen die geographische Vielfalt
und historische Vielseitigkeit der »Insel des Pelops« entgegen, wie die Griechen
den Peloponnes nennen.
Auch für sich allein genommen lohnt es sich, dieses Kleinod klassisch-griechischer
Architektur zu erkunden.
Der Apollon Epikourios (dem Hilfreichen) geweihte Tempel erhebt sich 1200 Meter
über dem Meeresspiegel in einer majestätischen Felslandschaft von betörender
Nacktheit. Als Baumeister zeichnet Iktinos, der Architekt des Parthenon, verantwortlich.
Es fällt sofort ins Auge, dass er sich in Bassae von derselben genialen Eingebung
hat leiten lassen, vom selben Sinn für harmonische Ausgewogenheit: ein Parthenon
im Herzen des Peloponnes, besser erhalten und ohne die verschmutze Athener Luft!
1811 machte sich die englische Dilettanti-Gesellschaft an die »Erkundung« des
Bauwerks, die einer ungehemmten Plünderung den Weg bereitete: dreiundzwanzig
Platten des Frieses sowie sämtliche Metopen werden bis auf den heutigen Tag
im Britischen Museum festgehalten - »befinden sich dort in Gewahrsam«, wie die
Museumswärter nicht ohne rot zu werden erklären.
Von Bassae sind es nur vierzehn Kilometer bis Andrisena, ein bildhübscher Ort
mit alten Holzhäusern. Dorthin gelangt man entweder über Tripolis und Megalopolis
oder aber über Pyrgos. Alternative: das Flugzeug bis Calamata, einer alten,
historischen Stadt, von Orangenhainen umgeben, und von dort aus per Bus nach
Andritsena und Megalopolis.
Delphi
Delphi bei einer Griechenlandreise auszulassen hieße, aus Ägypten abzureisen,
ohne die Pyramiden gesehen zu haben. Dem berühmten Heiligtum, als »Nabel der
Welt« betrachtet, wurden die Verehrung, aber auch die Gaben und Geschenke aller
bedeutenden Persönlichkeiten der Antike zuteil. Delphis religiöse und moralische
Ausstrahlungskraft war immens. Nach den Eroberungen Alexanders reichte der Ruf
der Pythia sogar bis nach Zentralasien. Dieses internationale Renommee wußte
sich die Kaste der Priester zunutze zu machen: in den Thissavri (so nannte man
die Gebäude, wo die Gaben jeder Stadt aufbewahrt wurden) häuften sie die unglaublichsten
Reichtümer an. Die Aktivitäten Zentrums dieses mächtigen religiösen Mittelpunkts
ernährten Generationen von Handwerkern, Herstellern von Opfermessern und Stelen,
kleinen Devotionalienhändlern sowie unzählige Gastwirte: der Fremdenverkehr
ist folglich kein Kind unserer Zeit. Von daher versteht man auch den Haß der
delphischen Priester gegen Äsop, der sich über die Bewohner Delphis mokierte,
indem er sie »Raubvögel, Faulenzer und eingebildete Gecken« nannte. Der Bannstrahl
sollte denn auch nicht lange auf sich warten lassen, wenn auch nicht in Gestalt
Zeus´scher Blitze: die hohen Beamten des Heiligtums kamen vielmehr überein,
ihn aus dem Weg zu räumen ...
Auch die zwiespältige Position, welche in unseren Tagen häufig die obersten
Kircheninstanzen bei internationalen Konflikten an den Tag legen, kann sich
auf antike Vorbilder berufen: in dem Augenblick, da die Griechen sich gegen
den drohenden persischen Einfall zu wappnen begannen (490-480 v.Chr.), lieferte
die Pythia höchst zweideutige Orakel. In der Furcht, eine eindeutige Parteinahme
gegen die Perser könne die Rache des Feindes heraufbeschwören und für ihre Schatzkammern
Zerstörung und Plünderung bedeuten, nahmen die Priester dann auch lieber eine
»vorsichtige« Haltung ein, wie man heute sagen würde.
Das Heiligtum liegt eingebettet in eine Landschaft von überwältigender Schönheit.
Auf terrassenförmigem Hang, am Fuß mindestens 250 Meter jäh abfallender Felsen,
ziehen sich die Mauerreste hin. Oberhalb dieser Felsen, wo zuweilen noch Adler
ihre Kreise ziehen, zeichnen sich die majestätischen Gipfel des Parnaß ab. Dessen
schroffe Unmittelbarkeit mildert ein ganzes Meer von Olivenbäumen in der heiligen
Ebene, die sich bis zur Küste hinabzieht.
Im Museum von Delphi, einem der schönsten Griechenlands, lohnt allein der weltberühmte
Bronzene Wagenlenker, ein Meisterwerk klassischer Skulpturkunst, einen Besuch.
Die geläufigste Route nimmt in Athen ihren Anfang und berührt Theben, Livadia
und Arakhova; für die insgesamt 165 Kilometer benötigt der Bus dreieinhalb Stunden
(Auskunft über Abfahrtszeiten unter Tel. 831-70-96).
Wer etwas mehr Muße mitbringt, entscheidet sich für den Hinweg über Athen-Korinth-Patras,
besteigt in Rion die Fähre nach Antirion und erreicht schließlich Delphi, nachdem
er das historische Städtchen Nafpaktos durchquert und die aufregende Berglandschaft
von Lidoriki sowie die Olivenhaine von Amfissa bewundert hat. Zurück nach Athen
geht´s dann über Livadia und Theben.
Delos
Im Kykladenarchipel, etwa nach einer Stunde per Motorboot von Mykonos - je
nach Laune des Windes, der in dieser Region oft besonders heftig bläst - legt
das Boot auf einem wasserarmen, gelblich schimmernden Eiland an: Delos, heilige
Insel der Ägäis, Geburtsort Apollons und dessen Schwester Artemis. Heute halten
sich hier nurmehr Archäologen auf. Der unfruchtbare Inselboden muß im ausgehenden
dritten Jahrtausend jedoch einige Menschen ernährt haben: auf dem Gipfel des
Kynthos beförderte man die Spuren einer kleinen, prähistorischen Siedlung ans
Tageslicht.
In mykenischer Zeit war Delos bereits ein häufig besuchter religiöser Mittelpunkt,
worauf die Überreste des Hafens hinweisen.
Nachdem die Schutzherren der Insel mehrmals gewechselt hatten, faßten die Athener
gegen Ende des 5. Jahrhunderts hier Fuß. Da sie die Erfahrung gemacht hatten,
dass jene Heiligtümer am meisten abwarfen, die von jedermann respektiert und
verehrt werden, siedelten sie auf Delos die Kasse der von ihnen kontrollierten
Inselföderation an. So konnten sie über das Geld ihrer Verbündeten verfügen.
Gar nicht dumm, diese demokratischen Bürger! ...
Die Herren der Insel gaben sich die Klinke in die Hand, und so gerieten die
heiligen Stätten von Delos schließlich unter die Fuchtel der Römer. Die ließen
daraus einen bedeutenden Handelsposten entstehen, eine Art Kontor zwischen Orient,
Griechenland und Italien.
Unbeeindruckt vom Zustrom der Bankiers, Geschäftsleute und Händler - Delos
zählte zur damaligen Zeit über zwanzigtausend Bewohner! - scheint die Insel
bis in byzantinische Zeit kaum an spiritueller Ausstrahlungskraft eingebüßt
zu haben. Der Niedergang sollte erst im 15. Jahrhundert mit den Piratenüberfällen
einsetzen.
Delos bietet keine Unterkunftsmöglichkeiten; die wenigen Quartiere sind den
Archäologen vorbehalten. Es bleibt dem Neugierigen also nichts anderes übrig,
als die Insel tagsüber zu besuchen und sich in aller Herrgottsfrühe mit dem
ersten Motorboot ab Mykonos einzuschiffen. Was aber den Spaziergang zwischen
den Ruinen im Sommer am meisten erschwert, das ist die unerträgliche Sonne.
Da Schatten rar ist - jedenfalls wenn es etwas mehr sein soll als der schmale
Streifen einer ... Säule - empfiehlt es sich, nicht ohne Sonnenhut aufzubrechen.
Dodona, via Metsovon
Einen Abstecher nach Dodona (Dodoni), in Epirus, kann man nur wärmstens empfehlen:
nicht nur wegen des antiken Theaters; schon die Anfahrt durch das rauhe, Epirotische
Gebirge ist landschaftlich reizvoll und bietet Gelegenheit, Menschen kennenzulernen,
die nicht den Gesetzmässigkeiten des Profitdenkens unterliegen, wie es die einfallenden
Touristenschwärme andernorts bewirkten.
Durch großartige, von einem schier unerschöpflichen Abwechslungsreichtum geprägte
Landschaften bahnt sich die Straße zunächst ihren Weg über Volos ins eindrucksvolle
Pelion (Pilio), einen bewaldeten Gebirgsstock zwischen Ägäischem Meer und Pagassitikos-Bucht.
Hat man erst Larissa, die thessalische Hauptstadt, hinter sich gelassen, folgt
Kalambaka, von wo sich ein Abstecher zu den berühmten Meteora-Klöstern anbietet
(s. dazu folgendes Kapitel).
Etwa fünfzig Kilometer hinter Kalambaka, nach unzähligen Kurvenfahrten, rückt
Metsovon näher, wo in 1200 Meter über dem Meeresspiegel, im Herzen des Pindos-Gebirges,
Ruhe und erfrischende Temperaturen zum Rasten einladen. Der Flecken mit seinen
gewundenen Gäßchen und alten, holzbalkonbewehrten Behausungen (arkhontika) hat
rasch unsere Herzen erobert. Der überwiegende Teil wurde von denselben Maurermeistern
(protomastores) errichtet, die den gebirgigen Epirus mit stattlichen Steinbrücken
überzogen haben, hoch über furchterregenden Abgründen.
Ab Ioannina, der epirotischen Provinzmetropole, noch rund zwanzig Kilometer,
dann endlich bietet uns Dodona sein antikes Theater (alljährlich Mitte August
Schauplatz von Festspielen) und die Überreste seines Heiligtums dar. Einst zog
es die Menschen hierher, um nicht etwa der Stimme des Apollon zu lauschen wie
in Delphi, sondern jener des Zeus. Die Konkurrenz zwischen den Orakelstätten
Delphi und Dodona war erbittert! ...
Viele ausländische Besucher steuern die genannten Ziele in umgekehrter Reihenfolge
an (und haben vielleicht nicht einmal unrecht). Wer Griechenland mit der Fähre
erreicht und in Igoumenitsa (Nordwestepirus) von Bord geht, für den liegen Ioannina
und Dodona nur rund hundert Kilometer entfernt, die Meteora-Klöster 230 Kilometer
und Volos rund 370 Kilometer. Anschließend kann man seinen Weg dann nach Athen
fortsetzen.
Olympia - Tal der Freien
Während die Landstriche im Epirus rauh und streng wirken, verströmt Olympia
Milde, Frieden und Harmonie. Dass die Alten nirgendwo anders als hier ihre Olympischen
Spiele feierten, hat seinen Grund: das Tal begünstigte die zwischenmenschlichen
Beziehungen, ließ Differenzen und Streitigkeiten zwischen den Stadtstaaten in
Vergessenheit geraten, lud ein zu Versöhnung und Brüderlichkeit. In der Antike
waren die Spiele noch nicht eine Sache des großen Geldes wie heutzutage; sie
fanden weder in Diktaturen noch in Halb-Demokratien statt; nur »freie Männer«
konnten daran teilnehmen. Gelaufen wurde über die einfache (dromos), doppelte
(dolikhos) oder sechsfache Distanz; oder über jene, für die ein Kriegeraufzug
nötig war (hoplitodromos). Weiter ging es mit Ringkampf, Faustkampf, Pankration
und Pentathlon (Diskuswerfen, Speerwerfen, Laufen, Weitsprung und Ringen). Der
Geist wurde keineswegs vernachlässigt, umfaßte das Programm der Spiele doch
ebenso Konzerte, Rezitationen und Gedichtwettbewerbe. Philosophen oder Sophisten
aus ganz Griechenland hielten Vorträge und trafen sich mit ihresgleichen. Es
heißt, Herodot habe in Olympia Auszüge seiner Geschichte vorgetragen, namhafte
Poeten hätten ihre Verse auf öffentlichen Plätze deklamiert. Daran sieht man,
wieviel Ignoranz und Anmaßung es bedarf, um unsere heutigen Spiele noch als
»Olympisch« zu bezeichnen ...
Olympia erlebte auch intensive diplomatische Bemühungen. Vertreter aus den
verschiedenen Stadtstaaten machten sich den heiligen Waffenstillstand zunutze,
trafen zusammen und nahmen Verhandlungen über beizulegende Konflikte und neu
zu schaffende Handelsbeziehungen auf.
Nur sehr wenig blieb von den dreitausend Bauwerken (Tempel, Statuen, Schatzhäuser,
Unterkünfte für Athleten, usw.). Zu sehen sind aber nach wie vor das ehemalige
Stadion, die Ruinen des Zeustempels - hier erhob sich dessen goldelfenbeinernes
und von der Hand des Phidias geschaffenes Standbild - sowie die Werkstatt des
berühmten Bildhauers.
Ab Athen verläuft die einfachste Route von Patras nach Olympia über Pyrgos;
macht zusammen 370 Kilometer. Wie im Falle Delphis bieten praktisch alle Reisebüros
Rundfahrten an. Nützlich zu wissen, dass auch Linienbusse die Strecke regelmäßig
bedienen (Fahrtdauer etwa sechs Stunden). Aus Delphi kommend, kann man den Bus
in Itea verlassen, auf die Fähre nach Patras umsteigen und die Reststrecke auf
der Straße zurücklegen.