Die Weite suchen

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Die Weite suchen

Dreitausend Inseln - ein zweites Griechenland - verstreut über die eigenen
Meere, von den Göttern bojengleich in die Wellen gesetzt, auf dass sich ein jeder
Odysseus nahe seines Landes fühlen und seine Heimat niemals aus dem Blick verlieren
möge.

Bevor sie die Küste Kretas erreichten - letzte Etappe unterwegs in den Mittleren
Osten und nach Ägypten - durchquerten griechische Seefahrer die Kykladen, während
die »breitrumpfigen Schiffe« der Achäer das blaue Wasser der Sporaden durchmaßen,
welche den Weg ins Schwarze Meer säumten.

Händler und Siedler mit dem Reiseziel Kleinasien richteten nur wenige Steinwürfe
vor der asiatischen Küste, aber stets an griechischen Gestaden, Handelsniederlassungen
ein: auf Samos, Chios und Mytilene.

Was jene angeht, die Handelsbeziehungen mit den bedeutenden phönizischen Häfen
aufnahmen, so verließen ihre Schiffe fast nie griechische Gewässer, liefen sie
doch Rhodos und dann Zypern an.

Aber die Gottheiten des Olymp hatten nicht damit gerechnet, dass dieses Griechenland
im Meer so mächtig werden würde wie sein festländischer Bruder, dass es Begehrlichkeiten,
Reibereinen und Kriege hervorrufen würde. An kriegerischen Auseinandersetzungen
hat es der Region nie gemangelt. Denken wir nur an die Bündnisse Athen und Sparta,
die sich die Inseln der Ägäis streitig machten, jeweils die Bevölkerung des
Gegners abschlachteten und ihre imperialistische Politik durchzusetzen trachteten.
Nichts unter der Sonne ist wirklich neu.

Dieses Meer, dessen Wellen einst Schiffe auf dem Weg zur Eroberung Trojas durchpflügten,
gilt nach wie vor als eine der weltweit »heißesten« Regionen: die Dardanellen
sind nicht von der Landkarte verschwunden, wo sowjetische und amerikanische
Kriegsschiffe pausenlos patrouillieren; am Meeresboden des Archipels tummeln
sich nukleargetriebene Unterseeboote, und die Türkei wirft den griechischen
Inseln kurz vor ihrer Küste begehrliche Blicke zu ...

Mykonos, Paros

Griechenlandreisende zu einem Besuch der Kykladen überreden zu wollen, hieße,
offene Türen einzurennen. Kein Urlaubsprospekt, der die blendend weißen Gassen
und Mühlen von Mykonos nicht in höchsten Tönen anpriese, die Schönheit seiner
dreihundert Kirchen, seine Tavernen und kosmopolitischen Nachtlokale. Letztere
haben mit Griechenland nurmehr den Boden gemein, auf dem sie errichtet wurden.
Welches Reisebüro schlüge nicht vor, Kurs auf Paros zu nehmen, dessen Namen
eng mit der Erinnerung an die größten Bildhauer der Antike verbunden ist, die
auf der Suche nach reinstem Marmor den Weg hierher fanden?

Milos

Die Werbetrommeln der Fremdenverkehrsbranche werden für Milos schon seltener
gerührt; vielleicht, weil dessen Strände nur vom Boot aus erreichbar sind. Das
mit hübschen Buchten gesegnete Milos erlebte die Geburt der berühmten Aphrodite
(der Venus von Milo), heute im Pariser Louvre zu bewundern. 1820 entführte sie
ein französischer Seefahrer namens Dumont d´Urville dorthin ...

Syros

Das westlich von Mykonos und 83 Seemeilen südöstlich von Piräus gelegene Syros,
Verwaltungssitz für alle Kykladeninseln, zieht zahlreiche griechische Sommerfrischler
an. Sie schätzen Spaziergänge durch die Altstadtquartiere von Ermoupolis, der
Inselhauptstadt, kehren gerne in bodenständigen cafenia und Tavernen ein, wo
das Menü noch nicht verfälscht ist wie auf fast allen anderen Kykladeninseln,
und treten nicht eher wieder die Heimreise an, bis sie die berühmten loukoumia
von Syros probiert haben.

Naxos

Naxos nimmt eine Sonderstellung ein: ausgedehnter als seine Nachbarinseln besitzt
es einen überaus fruchtbaren Boden. Sämtliche Täler werden landwirtschaftlich
genutzt und sind von Obstbäumen bestanden; herrliche Gärten umgeben die Bauernhöfe.
Die Ariadne-Insel ist also nicht auf den Fremdenverkehr angewiesen, um zu überleben;
daher auch die sehr geringe Zahl von Hotels.

Ein Schiff täglich ab Piräus (sieben bis neun Stunden Überfahrt), vier Überfahrten
wöchentlich ab Paros und Ios. Unregelmäßige Verbindungen bestehen auch zwischen
Naxos und Santorin bzw. Syros.

Santorin

Die wilde Schönheit Santorins (auf griechisch Santorini) ist das Ergebnis einer
erdgeschichtlichen Katastrophe, einer gewaltigen, vulkanischen Explosion, die
den Erdboden gespalten und verschoben hat: Lava und Asche begruben die ganze
antike Stadt(2) unter sich. Das Ganze muß sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts
v.Chr. zugetragen haben. Opfer des Erdstoßes wurde eine Kultur, die jener von
Kreta nahestand; zurück blieben diese Felseninsel und unzählige Bruchstücke:
schwarze Eilande, weiße oder rotbraune Klippen, die sich hundertzwanzig Meter
über die Wellen erheben.

Erdbeben und Vulkanausbrüche hörten nie wieder auf. 1570 verschwand die Südküste
der Hauptinsel mit dem Hafen Eleusis; drei Jahre später tauchte ein Eiland,
Mikri Kaimeni (die Kleine Verbrannte) aus den Fluten auf; schließlich noch eine
weitere, Megali Kaimeni (die Große Verbrannte). Zu neuen vulkanischen Eruptionen
kam es 1925-1926, dann 1966, als gewaltige Erdstöße Santorin verwüsteten.

Alles das hat die Santoriner niemals davon abhalten können, ihrer unglaublich
trockenen Heimaterde treu zu bleiben; noch die Reisenden, in Scharen herbeizuströmen.
Wer die Antike in sein Herz geschlossen hat, wird den Überresten des alten Thira,
400 Meter über dem Meeresspiegel im Südosten der Insel, und dem Archäologischen
Museum einen Besuch abstatten. Und jene, die sich schon mal einen Vorgeschmack
auf die ... Hölle wünschen, sollten die Inselchen Palia Kaimeni und Nea Kaimemi
einplanen, wo der Geruch nach Schwefel ständig in der Luft liegt. Wieder zurück
in der Stadt, hilft ein süffig-fruchtiger Wein (santorinio krassi) von der Insel,
sich von den Gefühlsbewegungen wieder zu erholen!

Skiathos

Unter den Sporadeninseln folgt Skiathos - Heimat des größten aller griechischen
Prosadichter im 19. Jahrhundert, Alexandros Papadiamantis - dem mondänen, kosmopolitischen
Los von Mykonos. Die Strände werden von Nachtlokalen gesäumt, die ihre Tanzflächen
fast bis in den Sand hinausschieben. Da bleibt den unglücklichen Einheimischen
kaum etwas anderes übrig, als sich allmählich ins Hinterland zurückzuziehen,
um dort neue Häuser zu errichten, während die alten Behausungen an Touristen
vermietet werden ...

Mangels einer Direktverbindung zwischen Piräus und Skiathos ist es das einfachste,
einen der zwei täglich von Olympic Airways durchgeführten Flüge ab Athen zu
buchen. Oder aber man entscheidet sich für den Bus bis Volos (neun Abfahrten
pro Tag in der Liossion-Straße 260) und schifft sich nach Skiathos ein (zwei-
bis dreistündige Überfahrt).

Skyros

Das Euböa vorgelagerte Skyros ist sicher deshalb weniger überlaufen als alle
übrigen Sporadeninseln, weil sich die Anreise schwieriger gestaltet: an der
Straße von Athen nach Kimi (Euböa) und an der zweistündigen Überfahrt bis Skyros
führt kein Weg vorbei. Schon die inseltypischen Häuser entschädigen uns jedoch
für alle Mühen: weiß, mit abgeflachten Dächern, ziehen sie sich harmonisch bis
zum Meer hinunter. Architektur und Natur respektieren sich gegenseitig, ergänzen
sich; das Kunsthandwerk ist in seiner unverfälschten Form lebendig geblieben.
Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur die Einladung eines Einheimischen
zum Kaffee anzunehmen: Schränke und Truhen bestehen aus massivem, mit Schnitzereien
verziertem Holz, und die Wände bedecken Stickereien, deren traditionelle Motive
seit byzantinischer Zeit überliefert werden.

Elf bis fünfzehn zweistündige Überfahrten wöchentlich ab Kimi (Euböa); es werden
auch Linien zwischen Skyros und Alonissos oder Skopelos befahren.

Alonissos

Auch auf Alonissos, der kleinen Nachbarinsel, haben sich alte Lebensformen
gut erhalten. Menschenleere und äusserst fischreiche Buchten versprechen unvergeßliche
Fußmärsche und Angelausflüge, was das Fehlen von Badestränden wettmacht. Wer
Kurs auf das Eiland Psathoura setzt, erkennt nur wenige Schwimmstöße vom Ufer
Mauerreste einer antiken Stadt, die vom Meer verschlungen wurde (Alonissos war
häufig Epizentrum von Erdbeben).

Zwei Schiffe wöchentlich ab Piräus. Die Insel Alonissos erreicht auch, wer
sich in Volos einschifft (drei bis vier Überfahrten pro Woche, je nach Saison).