Widerstand des Dionysos
Der Widerstand des Dionysos
Ein Kaiserstühler oder Rheinhesse, der zum ersten Mal griechischen Rebflächen
gegenübersteht, hat allen Grund zu glauben, diese lägen brach: die Erdoberfläche
verläuft unregelmäßig, ist nur selten von Steinen und Unkräutern befreit; bisweilen
sieht man sogar Disteln und Brombeerhecken, wilde Margeriten und, im Frühling,
kleine Ansammlungen von Kamille. Diesem ungewöhnlichen Bild brauchen wir nur
noch Ölbäume, Feigen, wilde Birn und Mandelbäume hinzuzufügen, die nach Lust
und Laune aus der Erde sprießen.
Dieses Miteinander bewährt sich nun schon seit der Antike. Der griechische
Bauer respektiert es, begünstigt es, ja ruft es sogar hervor: es entspricht
nicht seiner Natur, die pflanzliche Umgebung umzugestalten, zu verändern; er
möchte die Jahrhunderte alte Ordnung der Dinge nicht umstoßen. Hesiod, der die
Bauern seines Landes als »friedliche Kinder ihrer Scholle« bezeichnete, hat
recht behalten.
Friedlich aber gewitzt.
Sie wissen die Anwesenheit aller genannten Bäume in ihren Weingärten nämlich
zu nutzen: als Schattenspender während der Pausen und der nachmittäglichen Siesta;
ihre Früchte, wenn sie sich im Morgengrauen an die Arbeit machen (nichts Köstlicheres
als eine Feige, auf der noch der nächtliche Tau glitzert); ihr Astwerk, um daraus
Unterstände zu bauen und als Futter für die Esel. Agaven halten häufig als Grenzmarkierungen
her; Zypressen begrenzen die Wege zu den Feldern. Und was die grünen Eichen
und Olivenbäume rund um die Ächer angeht, so finden hier Schafe, Ziegen und
Maultiere Zuflucht.
Der Rebstock bildet die Erwerbsgrundlage für mehrere Gegenden des Landes. Zwischen
Korinth und Argos ziehen sich Anbauflächen für Rosinen hin; unter der Sonne
von Patras und Nemea reifen die Trauben, aus denen der beste Rotwein des Peloponnes
gekeltert wird. Auf Samos und Santorin profitieren die Weingärten zugleich von
Sonne, Meer und vulkanischer Erde, was dem Wein einen besonderen Geschmack verleiht.
Die kretischen Rosinen gehen ebenso wie jene aus Korinth in die ganze Welt hinaus,
ausgenommen vielleicht einige westeuropäische Staaten, wo man eher auf ... australische
Ware stößt - eines jener unergründlichen Geheimnisse des gemeinsamen europäischen
Marktes.
Die Dörfer der Messoghia nordöstlich von Athen sind eingebettet in Weinberge.
Wenngleich die monströse Gigantomanie der Hauptstadt hier eine Spur der Zerstörung
hinterlassen hat, wenn auch tausende Hektar Rebfläche zum Bau eines Flughafen
vernichtet wurden - der Plan wurde schließlich fallengelassen, aber das nicht
wieder Gutzumachende war geschehen - unweit des Städtchens Spata, so steht die
Region Messoghia auch weiterhin an der Spitze der größten savatianoErzeuger,
woraus der berühmte geharzte Wein Attikas entsteht: der retsina, ideal zu Lammbraten
oder Lamm am Spieß, zu fritierten Kalamares und fast allen traditionellen Gerichten
Griechenlands. Sein ganz eigener Geschmack - während der Gärung wird Kiefernharz
beigesetzt - ist anfangs etwas überraschend, überzeugt am Ende aber auch den
Gaumen des ausländischen Besuchers.
Der besonders seit den sechziger Jahren aufgeflammten Begeisterung für das
Bier zum Trotz, hält sich der göttliche Trunk des Dionysos in der Regel recht
tapfer, besonders in bodenständigen Restaurants und den unzähligen Tavernen,
wo der Wein stets das Zepter führt. Gewiß begünstigen die heißen Sommermonate
den Verbrauch von Fruchtsäften und kohlesäurehaltigen Getränken; die Härten
des Winter indes lassen sich besser mit einem Glas retsina und einem mezesTellerchen
überstehen (Appetithäppchen).
Tabakdunst
Der Tabakanbau, eine Kultur, die dem Kleinbauern auf den Leib geschnitten ist,
denn hier lassen sich die höchsten Einkommen pro Flächeneinheit erwirtschaften,
stand bei den Landwirten in Makedonien und Thrakien mit ihrem ausgeprägten Individualismus
lange Zeit hoch im Kurs. Sie verspürten nur wenig Neigung, sich zu größeren
Produktionseinheiten zusammenzutun, und bringen einen der weltweit besten Tabake
hervor: in der Sonne getrocknet, nur schwach mit natürlichen Stoffen parfümiert,
kann er leicht auf Geschmacksverstärker und sonstige chemische Zusätze verzichten.
Dennoch verzeichnet die Produktion seit 1960 einen kontinuierlichen Rückgang.
Schuld daran ist die Konkurrenz amerikanischer VirginiaTabake.