Stadtführer
Hafenstadt Dublin
Erster Eindruck
Abgasen, Kaminfeuer und Guinness Geruch
»Ich fuhr heute nach Dublin hinein und verfluchte jedes einzelne Haus, an dem ich vorbeikam«. Ähnlich wie der Schriftsteller George Bernard Shaw urteilen viele berühmte Dubliner über ihre Heimatstadt. James Joyce, aus dessen Monumentalpuzzle Ulysses die Stadt dereinst detailgetreu zu rekonstruieren sein wird, nannte Dublin »eine alte Sau, die ihre Ferkel frißt«. Für den großen irischen Dramatiker Brendan Behan dagegen, war »die Stadt der Städte« immer Dublin. Der Dubliner Stan Gebler Davies, der in London lebt, schrieb 1990 nach einem Besuch seiner Heimatstadt in einer englischen Sonntagszeitung: »Dublin ist eine arrogante Stadt. Egozentrisch und selbstsüchtig. Sie hat das meiste dessen, was sie auszeichnet, zerstört und verschlingt gierig die Ressourcen des Landes. Sie baut und unterhält vorstädtische Arbeiterslums, die Leipzig oder Magdeburg beschämen würden. Die Kriminalität in einigen Wohnvierteln überfordert die Polizei. Die Liffey stinkt. Ich liebe diese Stadt.«
Ein Drittel der Iren wohnt im Großraum Dublin. Die Stadt frißt sich immer weiter ins Hinterland vor. Die eigentliche Innenstadt ist jedoch kompakt. Auf einer Quadratmeile ist alles zu finden und bequem zu Fuß erreichbar: die Straßenzüge in der georgianisch-reizvollen Schlichtheit des 18. Jh., die Museen und Galerien, Kaufhäuser, Regierungsgebäude, Buchhandlungen und Restaurants und die »Temple Bar«, jenes Viertel zwischen neuer Zentralbank und der Liffey, das sich seit einigen Jahren zu Dublins »left bank« entwickelt hat. Es ist zweifellos der lebendigste Teil der Stadt, der von morgens früh bis spät in die Nacht etwas zu bieten hat.
Dublin ist eine Hafenstadt. Aber nur manchmal, wenn der Wind günstig steht, merkt man, dass die Stadt am Meer liegt. Meerespromenaden bieten lediglich die kleinen Vororte Bray, Howth oder Dalkey. Erst langsam tut sich auch am Liffey-Ufer in Dublin etwas. Viel wichtiger sind die Pubs und Hotelbars, die »ausgelagerten« Wohnzimmer der Bevölkerung: Nirgendwo in der Welt kommt den »Feuchtbiotopen« eine größere soziale Bedeutung zu. Sie sind Nachrichtenbörse, politisches Forum und Bühne für Geschichtenerzähler. Im Jahr 1672 wurden 1180 »Ale-Houses« in Dublin gezählt; heute gibt es noch immer mehr als 700. Richard Head schrieb um 1600: »Viele Einwohner der Stadt nennen sie Divlin, also Deubels Wirtshaus, ein Name, den sie rechtmäßig verdient, denn es gibt wohl kaum eine andere Stadt auf der Welt, in der so viele Teufelsbraten versammelt sind wie in dieser.«
Dublin stinkt meist nach Abgasen, Kaminfeuer und nach Guinness. Die größte Export-Brauerei der Welt, die das Nationalgetränk herstellt, liegt an der Liffey. Im Ulysses läßt James Joyce seinen Romanhelden Leopold Bloom sagen: »Fässer voller Porter, wunderbar. Da sind auch Ratten drin. Saufen sich voll, bis sie Wasserleichen ähneln. Und so was trinkt man nun. Rotz, Kotz. Na ja, wenn wir alles wüßten.«
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Foto: Fotolia, Dublin, Uhr in der Innenstadt