Kindheiten
Kindheiten
Was macht die englische Erziehung aus - und folglich die englische Bildung?
Da sind zunächst die Kinderreime, die jedes englischsprachige Kind hersagen
oder -singen kann und deren geschichtlichen oder politischen Inhalt man erst
später verstehen lernt: die Erinnerung an die Schwarze Pest in »Ring a ring
a roses«1, an den Admiral Nelson in »Humpty Dumpty« usw. Zweitens gehört zur
englischen Erziehung das Aushalten von Widrigkeiten, was als Grundlage des britischen
Wesens bezeichnet werden kann. Die Kinder werden darin geübt, gelassen auf Demütigungen,
Hindernisse und Schwierigkeiten aller Art zu reagieren. Sie lernen die Kunst
der »stiff upper lip« - keine Miene zu verziehen, aber auch das »Fair Play«,
die moralische Überlegenheit des »Einzelnen gegen alle« und die Tugenden des
»underdog«, des Letzten auf der sozialen Rangleiter. Als unverzichtbar gilt
schließlich auch die Wahrung des ironischen Humors. »Tongue in cheek« sagt man
auf Englisch. Ein echter Engländer muß zugleich Anarchist und ordnungsliebend
sein, leidenschaftlicher Individualist und ein Beispiel an Solidarität und Bürgersinn.
Diese Paradoxe sind aus der nationalen Tradition zu erklären.