Wetterunbilden

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Wetterunbilden

Andere Länder haben ein Klima, England hat ein Wetter. Und wer wüßte nicht,
dass die Engländer am liebsten darüber reden - über das Wetter eben. Dazu gehört
auch, dass »to weather« übersetzt »ertragen« bedeutet. Verständlich, dass die
wichtigste Herausforderung für einen Engländer »to weather the weather« ist,
nämlich tapfer den dauernden Regen auszuhalten. Sicherlich herrschen oft mildere
Temperaturen als auf dem Kontinent, doch sind das schlechte Wetter und der Regen
nasse Tatsache. Es gehört schon Glück dazu, bei einem Aufenthalt in London mit
einem vorübergehenden Regenguß davonzukommen. »If you can´t beat them, join
them« (wenn sie stärker sind als Du, schließe Dich ihnen an) sagt das Sprichwort
und das gilt nirgends mehr als für die landläufige Einstellung gegenüber dem
Wetter in England: Ein übermächtiger Gegner wird am besten ignoriert, und deshalb
harren Cocktailparty-Gäste im strömenden Regen aus, werden Picknicks unter Regenschirmen
veranstaltet, erfand man die Wellington-Boots, die Mackintosh-Regenmäntel und
den »brolly« (englischer Kosename für umbrella, Schirm), ganz zu schweigen von
unzähligen fröhlichen Liedern über das Wetter, angefangen bei Kinderreimen wie
diesem:

Dr. Foster went to Gloucester

In a shower of rain

He stepped in a puddle

Up to his middle

And never was seen again

Doktor Foster fuhr nach Gloucester,

Unterwegs regnete es immer fester,

Er fiel in eine große Pfütze

Versank darin bis auf die Mütze

Und ward nie mehr gesehen.

Der verbissene Trotz gegen das Wetter, das in London so plötzlich umschlagen
kann, ist zweifellos der Ursprung der typisch englischen, heldenhaften Beharrlichkeit,
mit der feindlichen Eindringlingen ebenso wie Naturkatastrophen begegnet wurde.
Überall finden wir diese Haltung wieder. Zu den jüngsten Beispielen gehört die
Reaktion auf die Verwüstungen, die ein Orkan am 16. Oktober 1987 in Sussex,
Kent und London anrichtete. Dabei waren fünfzehn Millionen Bäume entwurzelt
und der berühmte Londoner Park Kew Gardens zerstört worden. Überall meldeten
sich zahlreiche Freiwillige zu Räumungs- und Instandsetzungsarbeiten auf den
Straßen und öffentlichen Plätzen, in den Parks und den Wäldern.