Auf dem Weg zum Heiligen Jakob

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Auf dem Weg zum Heiligen Jakob

Die wahren Pilger legten diesen Weg zu Fuß zurück. Da dies heute nicht länger der Fall ist, sollte man wenigstens auf der Fahrt einige Umwege machen, um mit Land und Leuten sowie den Bauwerken der Gegend Bekanntschaft zu schließen.

Der Somport-Paß, zu dem man über Pau und Oloron gelangt, ist der am häufigsten gewählte Weg. Er führt geradewegs nach Jaca, der ersten größeren Stadt in Aragonien, und ihrer romanischen, reich mit Skulpturen verzierten Kathedrale, übrigens die älteste des Landes. Machen wir von dort aus einen Abstecher zum schloßartigen Kloster von Loarre, der gewaltigsten Festung auf der Iberischen Halbinsel. In der Nähe von Jaca, aber recht versteckt im Tal, liegt die Abtei San Juan de la Peña mit ihrer an den Felsen geklebten Kirche. Besonders erwähnenswert das Seitenschiff: es es handelt sich um jene Grotte, in der die ersten Einsiedler hausten.

Von Jaca führt der Weg nach Navarra unterhalb des Klosters von Leyre vorbei, dessen sehr tiefgelegene Krypta besondere Aufmerksamkeit verdient. Bei Puente la Reina stoßen wir auf die von Roncevaux herabführende Abzweigung, und auf diesem Weg erreichen wir Estella, ehemalige Hauptstadt Navarras und des karlistischen Thronanwärters im 19. Jahrhundert. Dort erwarten den Pilger romanische Kirchen und hochherrschaftliche Häuser, die im Gegensatz zu der nüchternen Bauweise des nahegelegenen Zisterzienserklosters von Irache stehen.

Bei Logroño überqueren wir den Ebro, wobei wir uns dort eine Erholungspause gönnen, alleine schon, um den Wein und das gute Essen von La Rioja zu kosten. Mit frischen Kräften geht´s weiter nach Nájera, wo wir auf ein im spätgotischen Stil gehaltenes Kloster mit dem Grabmal der Könige von Navarra und einem prachtvoll-plateresken Glockenturm treffen. Nächster Halt ist Santo Domingo de la Calzada, nach dem heiligen Einsiedler benannt, der dort für die Pilger eine später zur Kathedrale ausgebaute Kirche und ein Krankenhaus errichtete, heutzutage zu einem staatlichen Hotel, einem sogenannten »Parador«, umgewandelt.

Nach einem mühevollen Aufstieg ist das Hochplateau mit der Stadt Burgos erreicht, die sich selbst als »Kopf Kastiliens« bezeichnet. Die Stadt des Cid ist neben den schmucken Palästen besonders stolz auf ihre eindrucksvolle spätgotische, im üppigen Flamboyantstil gehaltene, Kathedrale mit der bildschönen Kapelle des Kronfeldherrn. Nicht auslassen sollte man das einige Kilometer von Burgos entfernte Nonnenkloster von Las Huelgas und das Kartäuserkloster von Miraflores, in denen jeweils unermeßliche Schätze angehäuft sind.

Der Weg führt weiter an ausgedehnten Weizenfeldern vorbei, bis am Horizont dann die romanische Kirche von Frómista auftaucht. Anschließend gelangt man in jenes Tal, wo ganz versteckt Carrión de los Condes liegt mit dem meisterhaften Fries, einer Darstellung des thronenden Christus.

Kurz vor León schieben wir noch die Besichtigung der mozarabischen Kirche San Miguel de Escalada ein, deren Hufeisenbögen so weit von Andalusien entfernt richtig bewegend wirken. Für León mit seinen vielen Wahrzeichen sollte man unbedingt einen etwas längeren Aufenthalt einplanen. Da gibt es zum einen die hochaufragende gotische Kathedrale mit ihren kunstvollen Fenstern, ferner die romanische Basilika San Isidoro mit dem Grabmal der Könige von León, mit bestechend neu wirkenden Fresken verkleidet. Darüberhinaus lohnte sich ein Besuch des im plateresken Stil gehaltenen Klosters San Marcos, dessen atemberaubender Reichtum ergänzt wird durch die Werke des dazugehörigen Museums und den Komfort eines geschmackvollen Paradors.

Hinter Astorga und seiner Kathedrale mit der rosa Sandsteinfassade - ihr reich verzierter Stil verweist schon auf das Barock - und seinem der eindrucksvollen Fantasie eines Gaudí entsprungenen Bischofspalast, verläuft der Jakobsweg durch das Bierzotal, bevor er Galicien erreicht. Auf einer Anhöhe empfing man an der Wallfahrtstätte El Cebrero die Pilger in einem Gasthof, wo der Reisende bis heute bestens versorgt wird. Nebenan gibt es noch ein paar Pallozas - primitive Rundhütten aus Stein mit Strohdächern.

Im grünen Galicien wird der sich zunehmend durch die Landschaft windende Weg von Darstellungen der Passion Christi begleitet und vor allem auch von Hórreos, den auf Steinsäulen ruhenden Maisspeichern. Ein Nebenweg führt nach Lugo mit seiner schmucklosen romanischen Kathedrale und der teilweise noch erhaltenen Stadtmauer aus der Römerzeit.

Unser Ziel ist nun ganz nahe herangerückt, denn die heilige Stadt Santiago de Compostela öffnet sich dem von soviel Reichtum schier geblendeten Pilger. Hinter der Barockfassade des »Obradoiro« (wörtlich: Werk aus Gold) verbergen sich der ungewöhnliche »Kreuzgang des Ruhms«, Meisterwerk des Künstlers Mateo, und das romanische Schiff der Kathedrale. Rund um den grandiosen Platz das Krankenhaus (Hostal de los Reyes Católicos) und der Rajoypalast, dessen Giebelseite ein Reiterbild des heiligen Jakobs Matamoros (Maurentöter) ziert. Die ganze Stadt, bewundernswertes Beispiel barocken Städtebaus, ist ein einziges Meisterwerk aus Stein.