Film, Funk & Theater

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Film, Funk und Fernsehen

Popkultur im Land der Nomaden

Musik

Die Musikkultur der Mongolen ist auf ihr Hirtenbrauchtum gegründet. Auf Steppenwanderungen und in fürstlichen Jurten, zu Trinkgelagen und zu Thronbesteigungen sangen und spielten Reiter-Musikanten, wie die »Geheime Geschichte« berichtet. Zu Traueropfern und zur Begleitung epischer Gesänge wurde die Geige »morin chur« verwendet. Berufssänger traten vor Kriegshandlungen auf. In Schlachten benutzten Heerführer mit dem Leder schwarzer Stiere bespannte Kesselpauken, um Befehle weiterzuleiten.

Mit den Reiterheeren Dschingis Khans gelangten einheimische Melodien in die entferntesten Gegenden. Die meisten Khane liebten die Musik. Dschingis Khan bevorzugte tangutische Musiker an seinem Hof. Seine Nachkommen übernahmen in eroberten Kulturzentren wie Choresmien, Buchara und Samarkand deren Musiker und Instrumente in ihre Dienste. So verfügte Mankubarti von Choresmien über eine Militärkapelle, die 27 Trommeln aus Gold mit eingelegten Edelsteinen zählte. Als der Ilchan Hülägü 1258 Bagdad zerstörte, konnte der muslimische Musiker Safi ad-Din entkommen. Hülägü schonte sein Leben und nahm ihn unter seine Hofmusiker auf.

Rhapsoden

Träger der einheimischen Musikkultur waren immer die Epensänger (Rhapsoden). Sie kamen aus dem Volke, aus lamaistischen Klöstern oder aus dem Steppenadel, trugen ihre langgezogenen, reich ornamentierten Gesänge in Heerlagern und bei Volksfesten vor. Der stets einstimmige Gesang weist wie die chinesische Musik eine fünfstufige (pentatonische) Struktur auf.

Lamaistische Kultmusik

Die anfangs schamanistischen Gesänge wurden seit dem 16. Jh. zunehmend vom Lamaismus beeinflußt, dessen Kultmusik tibetische Mönche pflegten. Im Kloster Erdene Zuu dienten Rasseltrommel, Becken, Oboe, lange Trompete und Bügelmaultrommel lamaistischer Kultmusik. Ansonsten sind alle mongolischen Musikinstrumente auf das Nomadenleben abgestimmt – handlich, einfach zu bauen und leicht zu transportieren.

Moderne Musik

Nach Gründung der Volksrepublik kam es seit den zwanziger und dreißiger Jahren zu einer Neugestaltung des Musiklebens. Die staatliche Förderung galt nun auch der Oper, dem Ballett, der Sinfonie und anderen abendländischen Musikgattungen. Nach europäischem Vorbild wurden Volksmusikensembles, Chöre und Musikschulen geschaffen. Der für die Mongolen typische einstimmige Gesang wurde durch einen mehrstimmigen Chorstil ersetzt, die Pentatonik mit der westlichen Dur-Moll-Tonalität vermengt. Ulaan Baatar besitzt Oper und Ballett; in etlichen Städten gibt es Musiktheater und Sinfonieorchester.

In den letzten Jahren werden Rock- und Popmusik immer beliebter bei der Jugend. Die bekanntesten Rockgruppen sind Soyol Erdene (errang 1991 den siebten Platz beim World Pop Festival in Tokyo), Chono (Schwarzer Wolf) und Choch Tenger (Blauer Himmel).

Ironie des Show-Biz: von der deutschen Zappel-Band Dschingis Khan (»He Reiter ho Reiter immer weiter«) hat in der Heimat des Khans niemand etwas gehört. Möge es dabei bleiben.

Theater

Ein Theater im europäischen Sinn gibt es erst seit der Gründung der Volksrepublik. Als eine Vorstufe gelten aber die von fahrenden Spielleuten vorgetragenen Märchen, etwa die von zwei Personen in den Jurten aufgeführten Wechselgesänge, eine Art »improvisierte Singspiele« (Heissig).

Die Voraussetzungen für die Entwicklung eines modernen Theaters wurden 1930 mit der Einrichtung einer Theaterschule geschaffen, die auf Laienzirkel der zwanziger Jahre zurückgriff, und mit der Eröffnung des Opern- und Schauspielhauses im Jahre 1931. Zu seinem ständigen Repertoire gehört die 1934 uraufgeführte Nationaloper »Die drei bedeutsamen Hügel«, deren Libretto von Natsagdorsh (1906-1937) stammt und später von Damdinsüren bearbeitet wurde.

Neben der Bearbeitung historischer Stoffe durfte nach 1945 viel gelacht werden. Mehrere Autoren versuchten sich darin, im Sinne der Partei den »neuen Menschen«, das Kollektiv, die sozialistische Arbeit zu schildern. Einige Stücke widmeten sich sogar den sozialistischen Veränderungen in der Landwirtschaft. Kein Wunder, dass danach mit »Dalan chudaltsch« (Der siebzigfache Lügner, 1950) die erste mongolische Komödie um die Eulenspiegeleien des volkstümlichen Balansengee entstand.

Heute gibt es auch eine Puppenbühne (1948) und ein Jugendtheater (1951) in der Hauptstadt sowie mehrere Bühnen in der Provinz.

Tanz und Ballett

Der bekannteste mongolische Tanz ist seit dem 8. Jh. der »Tsam«. Ursprünglich zu indischen Weisheiten entstanden, kam seit dem 18. Jh. nur noch Mystik aus Tibet aufs Parkett. Der Tsam, letztmals 1937 aufgeführt, übernahm außer religiösen auch die Funktionen eines volkstümlichen Theaters. Unter freiem Himmel wechselten Szenen, mit denen die bösen Geister vernichtet wurden, mit weltlichen Zwischenspielen, an denen auch Laien teilnehmen konnten.

Jedes Kloster verfügte über Modelleure, die aus Pappmaché monumentale Masken für Tanzpantomimen herstellten. Zu den eindrucksvollsten Masken gehören diejenigen mit dem dritten Auge auf der Stirn – ihm schreibt man die Fähigkeit zu, alle undurchdringlichen Dinge über den schwachen Augen der Sterblichen zu sehen.

In der Nationaloper kommen Tanz und Balletts zur Aufführung. Seit 1991 sieht man in Ulaan Baatar aber auch leichtbekleidete Tänzer, die den knisternden brasilianischen Lambada tanzen. East meets West.

Film

Ein mongolisches Filmstudio wurde 1936 in Ulaan Baatar eröffnet. Die ersten Spielfilme, »Sohn der Mongolei« (1936; Regie Ilja Trauberg) und »Suchbaatar« (1940), entstanden mit sowjetischer Hilfe. Danach wurde selbständig gefilmt, vor allem dokumentarisch und kurz. Einem Drehbuch von Bjambyn Rintschen ist der erste Historienschinken, »Zogt-taidshi« (1945) zu verdanken. Die erste mongolische Filmkomödie »Was uns stört« (1956; Regie R. Dorjpalam) zeigt nicht nur lebensechte Typen. Sie besticht auch durch die im besten Sinne neorealistische Photographie. Mit Hilfe aus Moskau wurde 1960 in Ulaan Baatar ein neues Studio errichtet, das Kapazität für drei bis vier Spielfilme im Jahr hat und Synchronisierungen erlaubt. Nach einer Statistik von 1952 gab es damals 50 feste Säle und 200 Wanderkinos für die nomadisierende Bevölkerung.