Die Ehe

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Der heilige Bund

Hochzeitsvorbereitungen

Das heiratsfähige Alter, früher bei fünfzehn Jahren, liegt heute bei achtzehn. Dieser Übergang wurde früher umfassend gefeiert. Jungen wie Mädchen trugen nun einen Zopf, doch für die Mädchen gab es ab jetzt viele Einschränkungen. Sie durften nicht mehr an Festen teilnehmen oder zu weit entfernten Lagern oder Weideplätzen reisen. Ausschließlich der Vater des Bräutigams bestimmte, welches Mädchen sein Sohn später zu heiraten habe. Es wurde eine Heiratsvermittlerin beauftragt, die Meinung der Eltern des Mädchens einzuholen.

Dann suchten die Eltern des Jungen einen Lama-Astrologen auf. Dieser sollte herausfinden, ob die Brautleute zusammenpaßten. Dazu verglich er die Geburtsjahre und die entsprechenden Tierkreiszeichen. Wenn nichts und niemand gegen diese Heirat sprach, galten die beiden als Verlobte und durften sich und ihre künftigen Schwiegereltern bis zur Hochzeit nicht mehr sehen. Lebten beide Familien im selben Lager, so zog eine Familie um.

Der Brautpreis, den die Eltern des Bräutigams zu entrichten hatten, wurde vor der Hochzeit übergeben. Er bestand, je nach Vermögensverhältnissen, aus einem Schaf bis zu einer ganzen Herde. Nachdem er bezahlt war, wurde mit Hilfe eines Astrologen der Hochzeittag festgelegt, in der Regel im Herbst, weil dann die Vorräte am größten waren. Den größten Teil der Einrichtung des jungen Paares hatten die Eltern des Bräutigams zu zahlen.

Die Einrichtung der Jurte war eine eigene Zeremonie. Freunde und Verwandte halfen mit, bis alles beisammen war. Dann wurde der Tag festgelegt, an dem die Jurte aufgebaut werden sollte. Als Geschenke brachten die Gäste Stoffe und Schärpen, aber auch Teeziegel und Getränke für das Fest. Noch vor der Hochzeit wurde der Herd in der neuen Jurte errichtet. Die Mutter des Bräutigams brachte Feuer aus ihrem eigenen Herdfeuer und zündete damit den Herd ihrer Schwiegertochter an. Die Jurte allerdings blieb bis zum Hochzeitstag unbewohnt.

Hochzeit

Am Tag der Hochzeit macht sich der Bräutigam nach einer vom Astrologen festgesetzten Stunde auf, um seine Braut zu holen. Er wird dabei von Verwandten und Freunden begleitet, die Geschenke mit sich führen und Essen und Trinken für die anderen Hochzeitsgäste.

Während des Festes muß der Bräutigam das Schienbein eines Schafes vom Sprungbeinknöchelchen trennen. Dies symbolisiert die Trennung seiner Braut von ihrer Familie. Die Brauteltern schenkem ihm ihm eine seidene Schärpe als Beweis ihres Vertrauens. Solche Seidenschärpen werden niemals an Fremde verschenkt.

Früher durfte die Braut an ihrer eigenen Hochzeit nicht teilnehmen. Sie mußte in der Nachbarjurte warten, bis die Gäste zum Abschied rüsteten, und begab sich dann verschleiert in das Lager des Bräutigams. Sie setzte sich neben ihren Verlobten auf einen weißen Filzteppich und beide sprachen gemeinsam ein Gebet. Die Braut wurde dann in die neue Jurte geführt, wo sie Tee zubereitete und ihn in die Jurte der Schwiegereltern trug, um ihn allen Anwesenden anzubieten. Sie verbeugte sich vor ihren Schwiegereltern und dem Herd und brachte den Schutzgöttern des Herdfeuers ein Opfer dar. Erst jetzt waren die beiden frisch vermählt und tranken, wie auch heute noch üblich, eine Schale Milch zusammen.

Mehrere heilige Handlungen bildeten den Rahmen einer mongolischen Hochzeit. Dazu zählte das Gebet auf dem Teppich mit dem Körnerornament, das Opfer der Braut, ihre demütige Verbeugung vor den Schwiegereltern und das gemeinsame Trinken der Milch. Der eigentliche Hochzeitsritus war aber das Festessen. Deshalb bedeutet das Wort Festmahl im Mongolischen auch Hochzeit.

Die Ehe galt allerdings nie als religiöses Sakrament, sondern als Vertrag, der von der männlichen wie von der weiblichen Seite jederzeit gelöst werden konnte. Dabei erhielt jeder Partner die von ihm seinerzeit eingebrachten Besitztümer zurück, und mit dieser Teilung war die Trennung vollzogen.

Die Familie

Obgleich die Ahnenverehrung nicht mehr Teil des täglichen Lebens ist, kann man immer noch Personen treffen, die ihren Stammbaum zehn und mehr Generationen zurück mühelos aufsagen können. Die Mongolei ist immer noch eine patriarchalische Nation. Entsprechend werden nur männliche Ahnen aufgezählt.

Mongolische Familien leben in der Gemeinschaft eines Lagers. Alle anfallenden Arbeiten werden gemeinsam verrichtet, die Kinder scheinen in jeder Jurte zu Hause zu sein. Sie essen, wo sie etwas zu essen bekommen, und schlafen, wo sie gerade wollen. Jeder fühlt sich für sie verantwortlich und sorgt für sie.

Auch alle Arbeiten mit den Tieren werden gemeinsam von den Männern verrichtet. Dabei spielte es keine Rolle, wie groß der private Herdenbesitz einer Familie ist. Der älteste Mann des Lagers verteilt die Aufgaben, und bei Versammlungen werden die ältesten Familienoberhäupter als Ratgeber hinzugezogen.

Der Ausdruck »ajl« bezeichnet sowohl Familie wie auch Lagergemeinschaft – beide bildeten eine Einheit. Diese Familie bestand dann aus den Eltern, den verheirateten Söhnen, manchmal auch den anderen Brüder mit ihren Kernfamilien, dazu Vettern und anderen Verwandten. Ledige oder behinderte Personen lebten auch in dieser Gemeinschaft, denn es war die Aufgabe der Familie, für sie zu sorgen. Die Sippe hatte eine gemeinsame Herde oder hielt einzelne Herden in einer großen.

In den dreißiger Jahren verschwanden diese Familienbesitztümer. Sie wurden auf einzelne Kernfamilien aufgeteilt und bestanden in dieser Form bis zur Kollektivierung. Nach der Befreiung vom Sozialismus wurden die Herden wieder Privatbesitz.

Für die Besitztümer der Familie war der Vater alleine verantwortlich. Die Mitgift der Ehefrau durfte er zwar verwalten, aber nicht darüber bestimmen. Ein guter Familienvater teilte jedem seiner Kinder einen Teil seiner eigenen Herde zu. In der Praxis allerdings wurde nur den Töchtern ein Teil der Herde als Mitgift gegeben, sobald sie in eine andere Familie einheirateten.