Londoner Tower
Der Londoner Tower
Am südöstlichen Rand der City steht das älteste Bauwerk, der furchterregende
Tower, Zeuge von Morden, Hinrichtungen und Liebesaffären. Dieser Ausbund an
Romantik ist eins der seltenen Gebäude, deren romanische und mittelalterliche
Teile erhalten geblieben sind.
Heutzutage wirkt die Festung wie erdrückt durch die modernen Hochhäuser rundum.
Schwer vorstellbar, dass er den Londonern einst Angst und Schrecken einjagte.
Obgleich der Tower höchstens noch an die Kulisse eines schlechten Melodrams
erinnert, ist er nach wie vor Schauplatz eines täglichen Rituals, der sogenannten
Schlüsselzeremonie um 21.50 Uhr, und dies seit nunmehr siebenhundert Jahren.
Nach der Schließung übergibt der Kommandant der Yeomen Warders die Schlüssel
der Turmwache, die daraufhin salutiert; worauf er seine Mütze lüftet und ruft:
»Gott schütze Königin Elisabeth!« und die Begleitmannschaft antwortet: »Amen.«
Auf diese Weise verbringen die Bewohner des Towers, etwa hundertfünfzig an der
Zahl, die Nacht unter sicherem Verschluß.
Zu den Alteingesessenen zählen auch die berühmten Turmraben. Ihrer sechs sind
Gegenstand der liebevollen Betreuung durch einen Ravenmaster (Rabenmeister).
Im übrigen sorgen sie dafür, dass ganz England hin und wieder ehrfurchtsvoll
erzittert, denn die Boulevardpresse züchtet hartnäckig die Legende, dass das
Verschwinden dieser Raben das Ende des Königtums bedeuten würde. Dies gilt es
zu verhindern, so dass ihre Flügel gestutzt werden ... Aber ach! Raben begatten
sich nur im Flug. Das Dilemma ihres Fortbestandes muß deshalb so gelöst werden,
dass heimlich neue Raben aus Schottland oder dem Land der Gallier eingeführt
werden. Denn die Nachricht ihres etwaigen Aussterbens hätte sicherlich katastrophale
psychische Folgen für die (geistige) Verfassung der Nation ...