Die Regierung

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Die Regierung

Die City, wir sagten es schon, hat ihre eigene Regierung: die Corporation.
Sie ist unabhängig vom Königshaus und dem Parlament in Westminster und wird
vom »Lord Mayor«, dem Oberbürgermeister, geleitet, dessen Titel aus dem 17.
Jahrhundert stammt. Nebenbei bemerkt, wurde er erstmals 1983 einer Frau verliehen.
Als Chef der ältesten Gemeinde der Welt genießt der »Lord Mayor« gewisse ehrenamtliche
Privilegien, etwa das Recht auf Anhörung beim König und die Kenntnis des Losungswortes
der Wachen im Londoner Tower. Er wird für ein Jahr aus dem Kreis der Repräsentanten
der Korporationen, den »Aldermen«, gewählt. »Lord Mayor« kann nur werden, wer
viel Geld sein eigen nennt, so dass dieses Amt fast immer von einem reichen Geschäftsmann
der City bekleidet wird, denn zur Erfüllung seiner Aufgaben muß er etwa 63.000
englische Pfund aus eigener Tasche berappen, zusätzlich zu seinem Jahresgehalt
von 80.000 Pfund. Bei der Amtseinführung, die ganz in der von den Briten geschätzten
Tradition steht, darf er kein Wort mit seinem Vorgänger wechseln. Deshalb heißt
dieses Ritual »silent change«. Die schweigende Amtsübergabe wird von einer weiteren,
ebenso alten Zeremonie gefolgt: der »Lord Mayor Show«, einem großen Umzug der
Korporationen. Dabei wird der Erwählte in einer Kutsche durch die City bis zum
Gerichtshof gefahren. Nach Art eines Karnevals hat die Show ein Leitmotiv, wobei
es sich um das Transportwesen, die Stromversorgung, die Rohstoffpolitik usw.
handeln kann.

Publikumswirksam sind vor allem die ungewöhnlichen und vielfältigen Trachten,
in denen der »Lord Mayor« den Bürgern erscheint. Zum Amtsantritt trägt er eine
karmesinrote Samtrobe, zu Empfängen ein schwarz-goldenes Gewand, zu anderen Gelegenheiten
einen scharlachrot und violettfarbenen Talar, der bei Trauerfeiern demutsvoll
aus einfachem schwarzen Tuch besteht. Nicht zu vergessen den berühmten schwarzen
Dreispitz mit Straußenfedern, ebenso unentbehrlich zur erfolgreichen Abwicklung
der Festivitäten wie alle zuvor aufgeführten Kleidungsstücke.

Am Tag seiner Amtseinführung empfängt der »Lord Mayor« seine Gäste im Mansion
House, wo sie zu Trompetenklängen eintreffen. In der Guildhall versammelt sich
die Gesellschaft dann zu einem Bankett, an dem von altersher

auch der Premierminister teilnimmt und eine außenpolitische Rede hält, um
sich die Unterstützung der Finanzwelt zu sichern. Dazu erklingt der Händel-Marsch.
Der Festschmaus aber steht unter der Schirmherrschaft von Gog und Magog2, den
beiden legendären Riesen an der Westseite der Guildhall, deren Konterfeie bisweilen
auch durch die City getragen werden.

Den größten Teil seiner Zeit verbringt der »Lord Mayor« mit dem Vorsitz bei
Gerichtsverhandlungen, der ihm kraft seines Amtes als oberstem Richter der City
zusteht sowie mit Reisen und Empfängen für Gäste aus aller Welt. Letztere finden
in der Guildhall statt, einem typischen Londoner Gebäude insofern, als es aus
einem wunderschönen alten Teil besteht, den der »Blitz« nicht getroffen hatte,
welcher sich in einem abscheulichen Betonneubau gleich einem obszönen Tentakel
fortsetzt.

Die eigentliche Regierung der City obliegt der Versammlung der »common councilmen«
oder »aldermen«. Ihr Wahlprogramm ist eher finanzieller als politischer Art.
Sie werden von den fünfundzwanzig Bezirken der City gewählt, die für die Verwaltung
der öffentlichen Güter einschließlich der vier Themse-Brücken zuständig sind
und außerdem die »City Police« unterhalten. Die Korporationen ernennen außerdem
zwei Sheriffs zur Unterstützung des »Lord Mayor«.