Katzen
Katzen
Katzen streichen allerorten umher - auf Dächern, in Strassen, Höfen und Gärten - ziehen jedoch stets die Altstadtviertel oder die Ruinen der ehemaligen Agora vor. Im Sommer gehen sie in Tavernen und Speiselokalen ein und aus, schleichen zwischen den Stühlen umher, warten geduldig auf ein herabfallendes Bröckchen Brot, ein Stück Fleisch. Unter allen Haustieren dürfen nur sie in eine Kirche eindringen, ohne die Wut des Küsters oder die Empörung der Gläubigen hervorzurufen. Dieses Privilig soll angeblich noch auf die byzantinische Epoche zurückgehen: ein im Altarraum der Hagia Sophia zu Konstantinopel umherstreunender Kater fing hier der Überlieferung nach eine Maus, kurz bevor diese in einen Kelch klettern konnte. Die Gesamtheit seiner Artgenossen hatten so für sich das Recht erwirkt, sich Jahrhunderte lang frei in Kirchen zu bewegen.
Nachdem sie den Berichten Herodots entnommen hatten, dass die Ägypter Katzen zum Schutz ihrer Ernten vor Mäusen benutzten, stellten die Athener der Antike eine Expedition auf die Beine mit dem Ziel, einige Katzenpärchen zu stehlen, um sie gegen die Ratten Attikas ins Feld führen zu können. Und so heißt es, die griechischen Katzen stammten von jenen, vor fast zweitausendfünfhundert Jahren aus Ägypten eingewanderten, emsigen Vierbeinern ab!
Wie die Menschen auch fallen sie heute der ausufernden Verstädterung des Landes zum Opfer, der Binnenwanderung, den sich unvermittelt ändernden Wohngepflogenheiten. Früher erlaubte ein »Katzenloch« im unteren Bereich der Eingangstür den possierlichen Vierbeinern, nach Lust und Laune zu kommen und zu gehen. Es galt nur, eine einfache Mauer zu erklimmen, um von einem Hof zum anderen zu gelangen; auf einen Baum zu steigen, um sich im Nachbargarten wiederzufinden; einige Dächer zu überqueren, um seinen Bekannten zu begegnen oder sich im Mondlicht zum Stelldichein mit der Liebsten einzufinden.
Die modernen Gebäude sind dem Gemeinschaftsleben der Katze dagegen abträglich: sie können den Aufzug nicht benutzen; Bäume machen sich in griechischen Städten zunehmend rar, und es ist unmöglich, Katzenlöcher in armierten Türen anzubringen ...
Die letzten freien Katzen Griechenlands sind vermutlich jene, die in Bahnhöfen und Lagerhallen schlafen, durch bodenständige Viertel oder kleine Häfen streifen. Nicht immer finden sie genügend Eßbares, und bisweilen büßen sie ihr Fell auf dem Asphalt ein. Die Freiheit fordert häufig einen hohen Preis.