Paulus
Innenwelten
Der Verdruß des heiligen Paulus
Als der heilige Paulus vor dem Areopag von Athen behauptet, Jesus sei von den
Toten auferstanden, unterbricht ihn sogleich die Zuhörerschaft und meint verächtlich:
»Darüber werden wir dich ein anderes Mal hören«.
Wenige Minuten später waren die Ränge leer.
Dabei hatte der Apostel zu Beginn seiner Rede geglaubt, seinen Zuhörern schmeicheln
zu müssen, und ihnen gesagt, sie seien »in jeder Hinsicht die religiösesten
aller Menschen«. Tatsächlich hatte er am Vortag seiner Rede festgestellt, dass
die Straßen der Stadt übersät waren mit Götterstatuen, dass die Tempel alles
andere als verlassen dalagen und dass die Athener auf dem Platz eines ihrer Stadtviertel
sogar einen Altar zu Ehren eines »unbekannten Gottes« errichtet hatten.
Kein Zweifel, die Griechen bilden ein sonderbares Völkchen: als Begründer des
Rationalismus´ (der nicht so rational ist, wie die Menschen im Westen glauben)
und von tiefreichender Skepsis gegenüber allen Wundervorstellungen, waren ihre
Philosophen doch nie Atheisten. Wir erinnern in diesem Zusammenhang nur an die
zutiefst religiöse Haltung des Sokrates in seiner Sterbestunde (sein letzter
Wille war, man möchte Asklepios einen Hahn opfern), an Spiritualität und Mystizismus,
die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk Platons ziehen, ohne darüber
die Achtung gegenüber den Göttern zu vergessen, wie sie die Tragödiendichter
zum Ausdruck brachten. Gewiß glaubten die griechischen Denker fest an die Kraft
der Vernunft, des logos, übersahen dabei jedoch nicht die Grenzen, die dem menschlichen
Geist durch seine eigene Natur gesetzt sind, ließen sie nie die unbekannte Macht
des Irrationalen außer acht.