Drogen
Psychostoffe
Seit das holländische Drogengesetz 1976 »entschärft« (sagen die einen) bzw. »liberalisiert« (sagen die anderen) wurde, wird der Ein- und Verkauf von Haschisch und Marihuana zum persönlichen Gebrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Einschlägige Coffeeshops sind an einem Hanfblatt im Schaufenster erkennbar – meist ein grünes, fünffingriges Blatt – und sind in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Im Augenblick dürften rund dreihundert dieser Läden in Amsterdam existieren. Vor kurzem trat ein Gesetz in Kraft, das die Eröffnung weiterer Koffieshops untersagt. Wegen Verstößen gegen die vereinbarten Regeln mit nachfolgender Schließung sieht es so aus, als ob immer weniger Koffieshops überleben werden. Die Stadtväter wollen über die Hälfte der existierenden Läden am liebsten schließen, um die Belastung der Anwohner zu mindern. Zudem soll eine Sperrstunde um Mitternacht eingeführt, die Bedienung von Gästen unter 18 Jahren sowie der Ausschank von Alkohol verboten werden. Da die Drogenpolitik in letzter Zeit mächtig unter Beschuss liegt, hier einige Worte zu der Toleranz der Niederländer – andere sagen »Laissez-faire« – gegenüber gewissen Drogen.
Alf, der Schnüffler
Nach Entfall der Grenzkontrollen nahm der Rauschgiftschmuggel aus Holland sprunghaft zu. Wie die für einen 174 Kilometer langen Grenzabschnitt zuständige Oberfinanzdirektion Düsseldorf berichtete, wurden im ersten Jahr nach Wegfall der Kontrollen 2635 Strafverfahren eingeleitet, rund 20 % mehr als zu Zeiten als noch kontrolliert wurde. Vor allem beim Schmuggel harter Drogen sei eine »gewaltige Steigerung« zu verzeichnen, so bei Kokain rund 50% und bei Heroin 100%. Ein einziger Einsatz einer mobilen Kontrollgruppe des Zolls förderte bei 35 angehaltenen Fahrzeugen im Bereich Emmerich-Elten in 14 Wagen Rauschgift zutage. Von den elf Festgenommenen wanderten sieben nach richterlichem Beschluss in Untersuchungshaft. Der Schwarzmarktwert der aufgefundenen Drogen betrug etwa eine halbe Million Mark. Das sei nicht nur Beweis für die gute Spürnase der Zöllner, sagte OFD-Sprecher Erich Schlautmann, sondern auch dafür, wie ungehemmt Drogen eingeschmuggelt würden, ein Phänomen, dem sich der Zoll fast machtlos entgegenstemme. So erschnüffelte der fünfjährige Schäferhund Alf im Auto zweier Ex-Jugoslawen aus der Eifel ein Kilo Kokain unter der Rückbank und bei einem Bauhandwerker und einem Bürokaufmann aus Stuttgart 610 g Kokain und 1200 Extasy-Tabletten.
1996 verzeichnete man nochmals mit 4840 aufgedeckten Schmuggelfällen eine Steigerung von 25%. Beute: 168 kg Kokain, 49 kg Heroin, 156.000 Ecstasy. Wert rund 45 Millionen DM. Während einst 500 Gramm für die Einbuchtung bei Tätern mit Wohnsitz reichten, laufen sie heute frei herum, sofern sie unter 1,5 kg schmuggelten.
Der Handel von Hasch und Marihuana ist nach wie vor strafbar. Der Besitz kleiner Mengen, sowie der Konsum werden jedoch geduldet, wobei die tolerierte Menge vom 30 g auf 5 g gesenkt werden soll. Obwohl sich dies widersinnig anhören mag, wird es damit begründet, dass die Polizei nicht die kleinen Fische, sondern die großen Haie erwischen und einer Strafe zuführen möge. Ferner gibt es eine strenge Trennung zwischen »harten« und »weichen« Drogen. Nur Besitz und Konsum weicher Drogen (ausschließlich Hasch und Marihuana) werden geduldet, während bei allen anderen Drogen hart durchgegriffen wird. Die Coffeshops, in denen weiche Drogen gehandelt werden, unterliegen strengen Regeln: kein Alkohol, keine harte Drogen, kein Verkauf an Minderjährige. Hält sich ein Laden nicht an diese Regeln, so wird eine Verwarnung ausgesprochen, und er wird beim zweiten Verstoß unwiderruflich geschlossen. Ein Coffeeshopbesitzer, der mit seinem Handel hohen Gewinn erzielen kann, wird also strikt auf Einhaltung dieser Regeln achten. Im Gegensatz zu dem, was oft in der ausländischen Presse berichtet wird, hat man damit erreicht, dass weiche und harte Drogen im Handel streng von einander geschieden sind. Jugendliche, die mit Drogen experimentieren, kommen demnach nicht zwangsläufig in Berührung mit harten Drogen. Ebenfalls im Gegensatz zu dem, was in der ausländischen Presse berichtet wird, hat man damit Erfolg erzielt: Amsterdam ist die einzige Stadt der Welt, in der das Durchschnittsalter Heroin- und Kokainabhängiger zunimmt. Anders ausgedrückt: immer weniger Jugendliche machen den Schritt zu harten Drogen. Amsterdam als Drehscheibe für harte Drogen, wie Heroin und Kokain, ist praktisch passé. Die Stadtverwaltung und viele Bürger wehren sich gegen den miesen Ruf der Stadt, den der Drogenhandel mit seinen üblen Begleiterscheinungen nach sich zieht. Folglich werden immer häufiger Razzien veranstaltet – sowohl in den Kneipen, wo ehedem harte Drogen zu haben waren, als auch auf dem Zeedijk, dem zentralen Umschlagplatz für »Stoff« jeder Art.
Richtig ist aber auch, dass sich ein ganzes Netzwerk von Hanfbauern, Produzenten und Lieferanten in Holland etabliert hat. Ein profitabler Wirtschaftszweig, an dem auch der Staat gut mitverdient. Im Frühsommer 1996 zeigte das französische Fernsehen u.a. einen Händler, der seinen Wochenvorrat an Cannabis im Wert von 125.000 Gulden im Safe gebunkert hatte. Er erklärte dem Reporter, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden, solange er ordentlich seine Steuererklärung abgebe und seine Schuld von rund 40.000 Gulden entrichte. Das Finanzamt interessiere sich nicht für die (Un)-Gesetzlichkeit seines Geschäfts. Schon rüsten sich bei uns die Softdrughändler für den Tag, an dem auch hier der Drogenmarkt liberalisiert werden werden dürfte, so z.B. mit sogenannten Headshops, in denen wie in Freiburg ein Schild darauf hinweist, dass »alle angebotenen Raucherutensilien dem Tabakgenuss dienen« und die feilgebotenen Hanfsamen aus Holland – zehn Stück zu DM 40,- – »nur zum Export bestimmt« seien. Illegale Coffieshops in Großstädten wie Berlin und Frankfurt gibt es längst sowie auch regelrechte Busreisen über die Grenze, um das florierende Hanfpflanz- und Vermarktungswesen (Umsatz jährlich: rund 3 Milliarden Mark) einmal aus der Nähe zu beschnüffeln. Auch von Zigarettenkonzernen, die in den Startlöchern stehen, wird immer wieder gemunkelt.
Seit September 1996 gibt´s in Delfzijl den ersten kommunalen Drogenhändler. Dort steht der Haschladen »Paradox« unter kommunaler Fuchtel, unterstützt mit einer Anschubfinanzierung von 400.000 Gulden ...
Zurück zu den Coffeeshops. Die bekanntesten sind die Kettenläden de Bulldog, de Happy Family und Prix d´ Ami. Da unsere Leserinnen und Leser ihr Nirwana wahrscheinlich eher mittels unserer alteingeführten, bewährten Zivilisationsdrogen wie Feuerwasser und Krebsstengel suchen werden, seien sie vor allem anderen Teufelszeug gewarnt, das einen vom Hocker schweben lässt und die Pumpe ganz schön in Schwung bringen könnte. Nur zu oft passiert es, dass nichtsahnende Touristen in einem »Coffeeshop« exotisch klingendes Backwerk und Kuchen naschen oder einen ach so aromatischen Tee ordern, was dann ganz überraschende Wirkungen zeitigt. Dieser »Kuchen« wird unter dem Namen Spacecake oder auch Special cake angeboten.
Drogenzentrale Engelsburg – öffentlich gefördert
Im Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses des Parlaments wurden die berüchtigten Hell´s Angels unlängst als »knallharte kriminelle Gruppierung« gewürdigt. Die Amsterdamer Niederlassung ordnet der Kriminologe Frank Bovenkerk gar unter der Rubrik des organisierten Verbrechens ein. Neben der Pflege ihrer Motorräder seien Drogen- und Waffenhandel sowie die Eintreibung von »Schutzgeldern« im Rotlichtmilieu einträgliche Nebenwerbszweige. Doch obwohl die respekteinflößenden Motorradliebhaber über Mangel an Kleingeld nicht zu klagen haben, können sie sich kommunaler Zuschüsse erfreuen, denn die Gemeinde schießt jährlich für die Pacht des festungsähnlich gesicherten Angel Palace einen Betrag von 2850 Gulden zu. Wie ein Sprecher der Stadt erklärte, sei die offizielle Förderung der Angels aus dem Topf der Jugendarbeit 1988 eingestellt worden. Dass die Rocker immer noch in den Genuss öffentlicher Gelder kämen, erklärt er als eine Art Kostenvergütung für das Bewohnen des als unverkäuflich geltenden Anwesens hinter dem größten Gefängnis des Landes. Den Pachtzuschuss begründete die Stadt zuvor mit dem Bemühen, die Kontrolle über das Anwesen nicht zu verlieren und Einblick in die Aktivitäten der Höllenengel zu behalten. Medienberichten zufolge wagt die Polizei aber schon lange keine Hausdurchsuchung in der Engelsfestung. In seinem Bericht für den Untersuchungsausschuss über die Bekämpfung des organisierten Verbrechens zieht der Kriminologe Cyrille Fijnaut eine düstere Bilanz. Der Engelspalast sei inzwischen das europäische Hauptquartier der Gang, von wo aus europaweit der Drogenhandel kontrolliert werde. Stadtverwaltung und Polizei hätten die Kontrolle über die Aktivitäten der Hell´s Angels verloren.
Obwohl Haschrauchen in der öffentlichkeit weitgehend in Amsterdam geduldet wird, gehört es für weite Kreise der Bevölkerung doch lange nicht zu akzeptierten sozialen Verhaltensweisen. Wer es denn in einer Kneipe oder einem Restaurant nicht sein lassen möchte, sollte auf jeden Fall erst die Bedienung fragen, ob das in Ordnung sei. Diese Frage ist in Amsterdam mehr oder weniger normal. Lautet die Antwort »nee« (nein) oder, was öfter vorkommt »liever niet« (lieber nicht) sollte man Abstand davon nehmen.