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Unistadt

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Schiefe Türme in Bologna

Kunst, Glaube, Aberglaube

Überdachte Gehwege, so dass ein Reiter passieren kann

Bologna, den 18. Oktober, nachts

Der hängende Turm ist ein abscheulicher Anblick, und doch höchst wahrscheinlich, dass er mit Fleiß so gebaut worden. Ich erkläre mir diese Torheit folgendermaßen. In den Zeiten der städtischen Unruhen ward jedes große Gebäude zur Festung, aus der jede mächtige Familie einen Turm erhob. Nach und nach wurde dies zu einer Lust- und Ehrensache, jeder wollte auch mit einem Turm prangen, und als zuletzt die graden Türme gar zu alltäglich waren, so baute man einen schiefen. Auch haben Architekt und Besitzer ihren Zweck erreicht, man sieht an den vielen graden schlanken Türmen hin und sucht den krummen. Ich war nachher oben auf demselben. Die Backsteinschichten liegen horizontal. Mit gutem, bindendem Kitt und eisernen Ankern kann man schon tolles Zeug machen.

Bologna, den 19. Oktober, abends

Meinen Tag habe ich bestmöglichst angewendet, um zu sehen und wiederzusehen, aber es geht mit der Kunst wie mit dem Leben: je weiter man hineinkommt, je breiter wird sie. An diesem Himmel treten wieder neue Gestirne hervor, die ich nicht berechnen kann und die mich irremachen: die Carracci, Guido, Dominichin, in einer spätern glücklichern Kunstzeit entsprungen; sie aber wahrhaft zu genießen, gehört Wissen und Urteil, welches mir abgeht und nur nach und nach erworben werden kann. Ein großes Hindernis der reinen Betrachtung und der unmittelbaren Einsicht sind die meist unsinnigen Gegenstände der Bilder, über die man toll wird, indem man sie verehren und lieben möchte.

Es ist, als da sich die Kinder Gottes mit den Töchtern der Menschen vermählten, daraus entstanden mancherlei Ungeheuer. Indem der himmlische Sinn des Guido, sein Pinsel, der nur das Vollkommenste, was geschaut werden kann, hätte malen sollen, dich anzieht, so möchtest du gleich die Augen von den abscheulich dummen, mit keinen Scheltworten der Welt genug zu erniedrigenden Gegenständen wegkehren, und so geht es durchaus; man ist immer auf der Anatomie, dem Rabensteine, dem Schindanger, immer Leiden des Helden, niemals Handlung, nie ein gegenwärtig Interesse, immer etwas phantastisch von außen Erwartetes. Entweder Missetäter oder Verzückte, Verbrecher oder Narren, wo denn der Maler, um sich zu retten, einen nackten Kerl, eine hübsche Zuschauerin herbeischleppt, allenfalls seine geistlichen Helden als Gliedermänner traktiert und ihnen recht schöne Faltenmäntel überwirft. Da ist nichts, was einen menschlichen Begriff gäbe! Unter zehn Sujets nicht eins, das man hätte malen sollen, und das eine hat der Künstler nicht von der rechten Seite nehmen dürfen.

Das große Bild von Guido in der Kirche der Mendicanti ist alles, was man malen, aber auch alles, was man Unsinniges bestellen und dem Künstler zumuten kann. Es ist ein Votivbild. Ich glaube, der ganze Senat hat es gelobt und auch erfunden. Die beiden Engel, die wert wären, eine Psyche in ihrem Unglück zu trösten, müssen hier-Der heilige Proclus, eine schöne Figur; aber dann die andern, Bischöfe und Pfaffen! Unten sind himmlische Kinder, die mit Attributen spielen. Der Maler, dem das Messer an der Kehle saß, suchte sich zu helfen, wie er konnte, er mühte sich ab, nur um zu zeigen, dass nicht er der Barbar sei. Zwei nackte Figuren von Guido: ein Johannes in der Wüste, ein Sebastian, wie köstlich gemalt, und was sagen sie? Der eine sperrt das Maul auf, und der andere krümmt sich.

Betrachte ich in diesem Unmut die Geschichte, so möchte ich sagen: der Glaube hat die Künste wieder hervorgehoben, der Aberglaube hingegen ist Herr über sie geworden und hat sie abermals zugrunde gerichtet.