Malerei
Kunst im Palast
Figuren auf goldenem Grunde
Venezianische Maler
Den 8. Oktober
Den Palast Pisani Moretta besuchte ich wegen eines köstlichen Bildes von Paul Veronese. Die weibliche Familie des Darius kniet vor Alexandern und Hephästion, die voranknieende Mutter hält den letztern für den König, er lehnt es ab und deutet auf den rechten. Man erzählt das Märchen, der Künstler sei in diesem Palast gut aufgenommen und längere Zeit ehrenvoll bewirtet worden, dagegen habe er das Bild heimlich gemalt und als Geschenk zusammengerollt unter das Bett geschoben. Es verdient allerdings, einen besondern Ursprung zu haben, denn es gibt einen Begriff von dem ganzen Werte des Meisters. Seine große Kunst, ohne einen allgemeinen Ton, der über das ganze Stück gezogen wäre, durch kunstreich verteiltes Licht und Schatten und ebenso weislich abwechselnde Lokalfarben die köstlichste Harmonie hervorzubringen, ist hier recht sichtbar, da das Bild vollkommen erhalten und frisch wie von gestern vor uns steht; denn freilich, sobald ein Gemälde dieser Art gelitten hat, wird unser Genuß sogleich getrübt, ohne dass wir wissen, was die Ursache sei.
Wer mit dem Künstler wegen des Kostüms rechten wollte, der dürfte sich nur sagen, es habe eine Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts gemalt werden sollen, und so ist alles abgetan. Die Abstufung von der Mutter durch Gemahlin und Töchter ist höchst wahr und glücklich; die jüngste Prinzeß, ganz am Ende knieend, ist ein hübsches Mäuschen und hat ein gar artiges, eigensinniges, trotziges Gesichtchen; ihre Lage scheint ihr gar nicht zu gefallen.
Zum 8. Oktober
Meine alte Gabe, die Welt mit Augen desjenigen Malers zu sehen, dessen Bilder ich mir eben eingedrückt, brachte mich auf einen eignen Gedanken. Es ist offenbar, dass sich das Auge nach den Gegenständen bildet, die es von Jugend auf erblickt, und so muß der venezianische Maler alles klarer und heiterer sehn als andere Menschen. Wir, die wir auf einem bald schmutzkotigen, bald staubigen, farblosen, die Widerscheine verdüsternden Boden und vielleicht gar in engen Gemächern leben, können einen solchen Frohblick aus uns selbst nicht entwickeln.
Als ich bei hohem Sonnenschein durch die Lagunen fuhr und auf den Gondelrändern die Gondoliere, leicht schwebend, buntbekleidet, rudernd, betrachtete, wie sie auf der hellgrünen Fläche sich in der blauen Luft zeichneten, so sah ich das beste, frischeste Bild der venezianischen Schule. Der Sonnenschein hob die Lokalfarben blendend hervor, und die Schattenseiten waren so licht, dass sie verhältnismäßig wieder zu Lichtern hätten dienen können. Ein Gleiches galt von den Widerscheinen des meergrünen Wassers. Alles war hell in hell gemalt, so dass die schäumende Welle und die Blitzlichter darauf nötig waren, um das Tüpfchen aufs i zu setzen.
Tizian und Paul hatten diese Klarheit im höchsten Grade, und wo man sie in ihren Werken nicht findet, hat das Bild verloren oder ist ausgemalt.
Die Kuppeln und Gewölbe der Markuskirche nebst ihren Seitenflächen, alles ist bilderreich, alles bunte Figuren auf goldenem Grunde, alles musivische Arbeit; einige sind recht gut, andere gering, je nachdem die Meister waren, die den Karton verfertigten.
Es fiel mir recht aufs Herz, dass doch alles auf die erste Erfindung ankommt, und dass diese das rechte Maß, den wahren Geist habe, da man mit viereckigen Stückchen Glas, und hier nicht einmal auf die sauberste Weise, das Gute sowohl als das Schlechte nachbilden kann. Die Kunst, welche dem Alten seine Fußboden bereitete, dem Christen seine Kirchenhimmel wölbte, hat sich jetzt auf Dosen und Armbänder verkrümelt. Diese Zeiten sind schlechter, als man denkt.