Siege
Griechen, Römer und Byzanz
Das besiegte Griechenland besiegt seinen übermächtigen Bezwinger
Vom ausgehenden 3. Jahrhundert an mischen sich die Römer anläßlich ihrer makedonischen Kriege gegen die Antigoniden, den Nachkommenschaft des Antigonos, einem der Generäle Alexanders, in Griechenland ein. Nach seinem Sieg über Philipp V. in Kynoskephalä (197) proklamiert Flaminius während der Isthmischen Spiele 196 die »Freiheit« Griechenlands, das doch unter keinerlei Joch gestanden hatte!: Römische Legionen überziehen das Land mit Feuer und Blut und versklaven Tausende von Griechen. 146, im Jahr der Zerstörung Karthagos, machen sie Korinth dem Erdboden gleich und führen die erste Plünderung griechischer Kunstschätze in der Geschichte durch. Deutsche, englische und französische »Archäologen« sollten es ihnen im Auftrag der großen europäischen Museen vom 18. bis 19. Jahrhundert gleichtun.
Dem Römischen Reich einverleibt und in den Stand einer einfachen Provinz zurückgesunken, erlebt Griechenland die erste Fremdherrschaft seiner Geschichte. Aber die Griechen werden nicht auf die übliche Art und Weise besetzt. Anders als Kimbern und Teutonen, Gallier, Lusitanier und Allobroger, die ihren Besatzern keinerlei kulturellen Widerstand entgegenzubringen vermochten, werfen die Hellenen die vierundzwanzig Soldaten ihres Alphabets gegen die siegreichen Legionen Roms in die Schlacht, rekrutieren sie römische Philosophen und Dichter als ihre Geheimagenten. Griechische Kunstwerke leisten im Land der Besatzer ausgezeichnete Botschafterdienste. Die Hellenisierung Roms zeichnet sich bald ab. Ein Jahrhundert später formulierte das Horaz so: »Das besiegte Griechenland hat seinen übermächtigen Bezwinger besiegt«.
Als das Imperium Romanum 395 in zwei Teile zerbricht, wird Griechenland dem Byzantinischen Kaiserreich zugeschlagen, das sich bald seinerseits zu jener riesigen hellenistischen Welt verwandelt, von der sechs Jahrhunderte zuvor Alexander der Große geträumt hatte.