Geschichtliche Heilkraft

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Von der Kunst, Grieche zu sein

Die wundersame Heilkraft der Geschichte

Wer die unablässigen Wechselfälle der griechischen Geschichte betrachtet, wird
nicht wenig Erstaunen darüber an den Tag legen, dass die Griechen immer noch
da sind, fest verwurzelt in ihrem mageren, trockenen Erdboden; dass sie ihre
Jahrtausende alte Sprache gebrauchen, ausgestattet mit denselben guten und schlechten
Eigenschaften wie ihre ruhmreichen Vorfahren und im stolzen Bewußtsein, bis
aufs Mark Hellenen zu sein. Und wie nur soviele gewaltsame Eroberungszüge, gnadenlose
Besetzungen und mörderische Kriege (nicht immer die ihren) in ihrer Heimat zu
überstehen? Wie vermochte dieses Volk, sich der schrecklichen Dampfwalze römischer
Legionen zu widersetzen, wie dem Wüten der Hunnen, dem Einfall slawischer Horden,
der Barberei der Kreuzzüge und der Grausamkeit der Osmanen? Welchem Wunder verdankt
es das Fortbestehen seiner Kultur und Traditionen, die Wahrung seiner Identität
und die Beständigkeit seiner unverwechselbaren historischen Merkmale?

Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zählte Griechenland acht Millionen Einwohner.
Die große Hungersnot im Gefolge des Überfalls der deutschen Truppen raffte vierhunderttausend
Personen dahin, während der nachhaltige Widerstand von den Griechen einen zusätzlichen
Blutzoll von 200.000 Menschenleben forderte. Und dann der Bürgerkrieg 1947 bis
1949 mit noch einmal 150.000 Opfern: innerhalb von zehn Jahren hatte ein Sechstel
der Bevölkerung sein Leben verloren! Welches andere europäische Volk hat so
teuer für den hitlerschen Wahnsinn bezahlen müssen? Und welchem Volk wäre es
später innerhalb weniger Jahrzehnte gelungen, sich von einem derartigen Aderlaß
zu erholen? Was wäre wohl aus England oder Frankreich geworden, hätten sie während
des letzten Krieges acht oder sieben Millionen Menschen verloren?

Handelt es sich bei den Griechen etwa um von wundersamen Kräften der Geschichte
Geheilte?