Musik & Tanz
Musik- und Tanzfeste
Wenn es bei einem Fest um Musik und Tanz geht, bleibt Spanien einfach unnachahmlich.
Als die religiösen Feierlichkeiten im Jahrhundert der Renaissance und der katholischen
Reform aufblühten, gelang es dem Genie des Andalusiers Morales und des Kastiliers
Victoria, einen Kranz von Tönen voll leidenschaftlicher Zurückhaltung zu flechten,
während Antonio de Cabezón die spanische Orgel durch die Lautstärke seiner Zungenregister
(Schamade) erklingen ließ. Aber neben der klassische Musik klingt Spanien auch
von tausenden volkstümlicher Stimmen wider, welche die Seele der einzelnen Regionen
mit unterschiedlichen Rhythmen zum Ausdruck bringen. Zur jota Aragoniens, ungleichmäßig
und leidenschaftlich, paßt die brave Anordnung der katalanischen Sardana; der
Ausdruckskraft der baskischen aurresku schallt der Sprechgesang der galicischen
alalá entgegen. Stimmen aus der Vergangenheit kehren wieder zu uns zurück, vor
allem der Neugier eines Jordi Savall, Initiator der Gruppe Hesperion XX, wie
z.B. die erhabenen jüdisch-spanischen Melodien, die in den letzten Jahren wieder
aufkamen.
Es wäre also falsch, die spanische Musik nur auf den Flamenco zu reduzieren.
Aber trotzdem wird kaum jemand der Faszination dieser aus Andalusien stammenden
Musik widerstehen, die über bloße Folklore hinausgeht und unser Innerstes anspricht.
Die Verbindung einer bestimmten Gegend mit einem bestimmten Volk waren zu ihrer
Entstehung nötig. Der Süden Spaniens hat musikalische Anteile aus dem Islam
und Persien, vermengt mit hebräischem Erbe, sowie schließlich den gregorianischen
Gesang aufgenommen und geformt. Die Zigeuner, die gitanos, ein im 15. Jahrhundert
aus Indien eingewandertes, umherziehendes Volk, das hier eine Wahlheimat fand,
wandelten diese Elemente um. Als Ende des 18. Jahrhunderts die Unterdrückung
der Toleranz weicht, verläßt der Klang ihrer Lieder den engen Kreis ihrer Stämme.
Im magischen Dreieck Sevilla-Cádiz-Jerez de la Frontera legen von da an Generationen
von cantaores die Stilrichtungen dieser populären und zugleich gelehrten Kunst
fest und geben sie dem Publikum in den cafés cantantes preis. Aber das Fest
der gitanos bleibt Ausdruck eines gequälten, lange Zeit verfolgten Volkes. Dort
geht auch wie eine Vergeltung der tiefsinnige Weisen umfassende cante jondo
hervor, entstanden aus dem inneren Dämon des Sängers - dem duende - heraus,
wie eine gewundene Spirale auf der Suche nach seiner Seele unterwegs. Dennoch
ist der cantaor untrennbar mit der Gruppe verbunden: die Gitarre begleitet bzw.
löst seine von der Kraftanstrengung zerrissene Stimme ab; im Tanz wird das »Duell
des Paares« rhythmisch begleitet vom unerbittlichen Stampfen der Absätze, von
den Schreien und dem Händeklatschen des Auditoriums, das Anteil hat an der Schöpfung.
Unter der Bedingung, dass man sich die Mühe macht, seinen Zauber zu ergründen,
versteht man die Anziehungskraft des Flamencos auf einen Dichter, wie Lorca
in seinem Poema del cante jondo, oder auf Musiker, wie Albéniz im Zyklus Iberia
und den bedeutenden Andalusier Manuel de Falla, dessen Liebeszauber wie ein
verwunschener Baum aus der Erde des traditionellen Flamenco erwächst.
Weiterhin definiert der Flamenco den spanischen Tanz neu, der in Antonio Gades
gleichzeitig einen einfallsreichen Schöpfer und einen Interpreten von kraftvoller
Autorität besitzt. Seine großen Ballette - Bluthochzeit, Carmen, Der Liebeszauber
- werden vom Schwung einer bemerkenswert gut harmonierenden Truppe getragen,
wovon die Filme eines Carlos Saura eine fesselnde, dramatische Umsetzung lieferten.