Die zweite Republik und der Bürgerkrieg

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Die zweite Republik und der Bürgerkrieg

Aber welche Art von Republik? Die sich um ihre Wiege drängenden Feen sprechen
die unterschiedlichsten Wünsche aus. Würde die neue Staatsform, wie es sich
der zum Abgeordneten gewählte Philosoph Ortega y Gasset wünschte, »den Kapitalisten«
beruhigen oder aber eine Antwort auf die Ungeduld der unteren Schichten finden?
Sicher, die Nationalversammlung führt, um eine Abspaltung Kataloniens abzuwenden,
ein Sonderstatut ein, das eine richtige Regionalregierung zuläßt und gleichzeitig
den Katalanismus in der Republik und bei den linken Parteien fest verankert.
Sie verabschiedet weiterhin das Landreformgesetz, mit dessen Hilfe die unbestellten
Ländereien über 25 ha gegen Schadensersatzzahlungen sowie 575.000 ha der neunundneunzig
Granden Spaniens ohne Schadensersatzansprüche enteignet werden. Aber mangels
Krediten waren die Auswirkungen nicht schnell genug spürbar, um das andalusische
Pulverfaß zu entschärfen. Als sich die enttäuschten Tagelöhner von Casas-Viejas
erheben und von der Guardia Civil brutal niedergeschlagen werden, entsteht bei
den Volksmassen der Eindruck, dass sich durch die Republik nichts geändert habe.
Nun ist aber die republikanische Koalition selbst auch geplatzt, denn die katholischen
Konservativen haben die Regierung verlassen, da sie die von Manuel Azaña durchgeführte
Trennung von Staat und Kirche nicht befürworten. Dieser unerschrockene Intellektuelle
hielt die Republik für unvereinbar mit dem privilegierten Status der Kirche.
Sein Erfolg überzeugt den Klerus und die Mehrzahl der Katholiken davon, dass
die antiklerikale Republik mit einem Erbfehler belastet sei.

Rechte und Zentrum sichern sich die Macht für einen Zeitraum von zwei Jahren,
der später el bienio negro genannt werden wird, zeitgleich mit dem Aufstieg
der Nationalsozialisten. Die Abschaffung der Landreform durch die Koalition
der Radikalen (von ihren jugendlichen Eskapaden zurückgekehrt) mit der CEDA
(die unter dem Banner des Klerus die Rechten miteinander verbündet) überzeugt
die Massen vom Anmarsch des Faschismus. Im Jahre 1934 scheint der revolutionäre
Aufstand der Bergleute in Asturien das entscheidende Gefecht einzuleiten. Zu
seiner Niederzuwerfung richtet sich Lerroux an General Franco, der Fremdenlegion
und marokkanischen Truppen aus Afrika abberuft. Mehr als tausend Tote und dreißigtausend
Verhaftungen sind die Folge. In Oviedo herrscht Ordnung, aber der Stern der
Regierung sinkt: eine schmutzige Schmiergeldaffäre führt ihren Sturz und die
Auflösung der Cortes herbei.

Die Volksfront, ein Bündnis linker Parteien, trägt bei den Wahlen im Februar
1936 den Sieg davon. Aber die Sozialisten, zahlenmäßig die stärkste Gruppe,
sind zerstritten. Die Macht der Regierung über Verwaltung, Polizei und Armee
kommt ins Wanken. Arbeitermilizen geraten täglich mit bewaffneten Anhängern
der Falange zusammen, mit der faschistischen Partei also, angeführt von José
Antonio Primo de Rivera, Sohn des früheren Diktators. Zwei unversöhnliche Parteien
bereiten sich auf den Zusammenstoß vor, angefacht durch das Aufeinanderprallen
der europäischen Ideologien. Trotz der Umbesetzung von Generälen laufen die
Fäden der militärischen Konspiration im Verborgenen zusammen. Kopf der Verschwörung
ist General Mola, Militärgouverneur von Pamplona, der die Unterstützung der
karlistischen Requetépartei, der Falange und der Monarchisten aushandelt, die
vom Abgeordneten Calvo Sotelo geführt werden. Der Mord an letzterem mitten in
Madrid ist wie das Sturmgeläut, das der Tragödie vorausgeht. Vom 17. Juli an
werden in Marokko die republiktreuen Offiziere entwaffnet und hingerichtet.
Am 18. bricht der Aufstand in der Hauptstadt los. Ein geschickter Schachzug
erlaubt es General Queipo de Llano, ohne Truppen Herr über Sevilla zu werden.
Am 19. nimmt die Kraftprobe allgemeine Züge an. Die Aufständischen geraten in
Konflikt mit dem Widerstand einiger ihresgleichen: sechs Generäle bezahlen ihre
Treue zur Regierung mit dem Leben. In den großen Städten ist der Widerstand
der Arbeitermilizen recht wirkungsvoll, obwohl die Regierung zögert, ihnen Waffen
zu überlassen. Dadurch wird das Scheitern der Aufstände in Barcelona, in Madrid,
in Asturien, im Baskenland, usw. verständlich. Aber von Navarra bis Galicien
gelingt es Mola, das Spanien der Reconquista hinter den neuen Kreuzfahrern zu
mobilisieren.

Der Kampf zwischen diesen beiden Hälften Spaniens sollte lange andauern. Die
aufgewiegelte Armee prallt mit Massenverbänden zusammen, denn zwei Millionen
Arbeiter sind gewerkschaftlich organisiert. Die aufgewandten Mittel sind beträchtlich:
jede Seite erhält Hilfe aus dem Ausland - Deutschland und Italien rüsten die
Nationalisten aus, und die Sowjetunion beliefert die Armeen der Republikaner.
Angesichts des italienischen Expeditionskorps und der von Hitler entsandten
Legion Condor nehmen die internationalen Brigaden auch antifaschistische Freiwillige
aus aller Herren Länder auf. Die Hilfe Stalins ist mit der Anwesenheit von Boten
der Komintern verbunden und begünstigt die Ausbreitung des kommunistischen Einflusses.
Das zerrissene Europa rechnet auf dem Rücken der Spanier ab, es handelt sich
also um einen Stellvertreterkrieg. Von Andalusien aus gelingt es Franco, dem
Führer der nationalistischen Truppen, sich mit Mola im Norden zu vereinigen,
um dann die im Alcázar von Toledo verschanzte Garnison zu befreien. Aber er
scheitert ganz nahe vor Madrid. Im Jahre 1937 bemächtigt er sich der Zentren
des Widerstands an der kantabrischen Küste, wobei er mit dem Baskenland beginnt,
wo die deutsche Luftwaffe Guernica unter einem Bombenteppich begräbt. Ein Jahr
später, nach dem Zufallssieg der Republikaner in Teruel, spalten die Nationalisten
die republikanische Zone in zwei Hälften, wodurch Barcelona von Valencia und
Madrid getrennt wird. Die kräftezehrende Gegenoffensive der Republikaner am
Ebro scheitert an Materialmangel. Der Angriff auf Katalonien gegen Jahresende
ist vernichtend, und das ausgelaugte Barcelona fällt widerstandslos. Die von
Panzern verfolgten Flüchtlinge drängen sich in - in aller Eile errichteten -
Lagern in Frankreich. Unter ihnen der Dichter Antonio Machado, nach Collioure
geflohen, wo er vor Erschöpfung stirbt. Ein Spanien hat das andere besiegt.

Der Sieg der Nationalisten rührte von ihrer Waffenüberlegenheit her, die von
der Nichteinmischungspolitik der Demokratien, wie z.B. der franzöischen Volksfront
Léon Blums, noch verschlimmert wurde. Hinzu kommt der unterschiedlich ausgeprägte
politische Zusammenhalt der beiden Lager, denn auf republikanischer Seite vertieften
sich die Risse: während die Intellektuellen, die bei der Republik Pate gestanden
hatten, sich von ihr entfernten, drifteten die Meinungen der Arbeiterparteien
über die Dringlichkeiten auseinander. Nach Auffassung der CNT, der Anarchisten
der FAI sowie der katalanischen, den Trotzkisten nahestehenden POUM konnte der
Krieg nur um den Preis einer sozialen Revolution gewonnen werden. Die kommunistische
Partei, der dank ihres hohen Organisationsgrades ein rascher Durchbruch gelang,
räumte den Kriegsanstrengungen absoluten Vorrang ein, denn für sie stand die
Revolution nicht auf der Tagesordnung. Angesichts des Dilemmas war die sozialistische
Partei hin- und hergerissen zwischen dem, den »spanischen Lenin« spielenden,
Largo Caballero auf der einen und Prieto auf der anderen Seite, der den Kommunisten
die Kontrolle über die Armee streitig machte. Die Potemkinschen Dörfer wichen
dem Bruderkrieg, bei dem sich in Barcelona Kommunisten und Anarchisten gegenüberstanden,
bevor die Liquidierung der POUM durch Stalins Agenten aus den Kommunisten die
einzige kriegsfähige Kraft machte. Aber dies geschah zum Preis einer auseinanderfallenden
Volksfront.

Im Gegensatz dazu konnte das nationalistische Lager seine Uneinigkeit überwinden.
Franco gelingt es, sich an die Spitze zu setzen, wobei ihm das zufällige Verschwinden
seiner möglichen Konkurrenten gerade recht kam. Nach der Exekution von José
Antonio durch die Republikaner setzte er sich als Führer der Falange durch,
der einzigen Kraft, die fähig war, ihm die Macht streitig zu machen. Der Brief
der spanischen Bischöfe begrüßt die »bewaffnete Volksabstimmung« und segnet
schon im Voraus ihren Erfolg. Am Tag, als Franco die Siegesparade abnahm, erfüllte
sich die Prophezeiung General Molas: »Spanien, das wahre Spanien, hat den Drachen
besiegt«.

Sechshunderttausend Tote, vierhunderttausend Verbannte am Ende von drei Jahren
Bürgerkrieg. Alles war bereit für den Zweiten Weltkrieg.